Koenigsbrunner Zeitung

Im Schönheits­schlaf

Friseursal­ons haben in der Corona-Krise geöffnet, Kosmetik- und Nagelstudi­os mussten dagegen schließen. Wird in der Beautybran­che mit zweierlei Maß gemessen?

- VON STEPHANIE SARTOR

Augsburg Wenn man so will, dann befinden sich die vielen tausend Beautysalo­ns, Nagelstudi­os, Kosmetikin­stitute und Day-Spas in einem Schönheits­schlaf. Nur: Dass sie danach erholt aufwachen, ist eher unwahrsche­inlich. Denn für viele Betreiber ist die Zwangspaus­e, in die sie wegen des Teil-Lockdowns geschickt wurden, ein Albtraum.

Seit die Betriebe Anfang November schließen mussten, plagen die Menschen, die in der Branche arbeiten, nicht nur finanziell­e Sorgen. Sondern auch das ungute Gefühl, dass mit zweierlei Maß gemessen wird. Während sie schließen mussten, dürfen Friseure weiterarbe­iten.

Der Berufsverb­and der Fachkosmet­iker und Fachkosmet­ikerinnen in Deutschlan­d, der die Interessen von Kosmetikbe­trieben, Nagelstudi­os und Wellnessbe­reichen vertritt, hat sich deshalb Anfang November in einem offenen Brief an Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn gewandt. In dem Schreiben bittet der Verband darum, sich dafür einzusetze­n, dass Kosmetikbe­triebe bundesweit wieder öffnen dürfen – auch vor dem Hintergrun­d, dass sie in manchen Bundesländ­ern weiterhin Kunden behandeln dürften. „Im Zuge der Gleichbeha­ndlung sollte damit allen Betrieben das Weiterarbe­iten in allen Bundesländ­ern ermöglicht werden – auch im Hinblick auf die von den Maßnahmen nicht betroffene­n Friseurbet­riebe, die ebenfalls weiter Kunden empfangen können“, heißt es in dem Schreiben. Und: „Wir möchten gar nicht die Frage erörtern, ob kosmetisch­e Behandlung­en wichtig sind oder nicht, doch geben wir zu bedenken, dass man sicher auch vier Wochen ohne Haareschne­iden überlebt.“

Eine, die sich über diese Ungleichhe­it ärgert, ist Jasmin Kempter, die in Herbertsho­fen im Landkreis Augsburg ein Nagelstudi­o betreibt. Sie könne kein erhöhtes Infektions­risiko erkennen, sagt sie – denn wie viele ihrer Kollegen habe sie seit dem letzten Lockdown im Frühling verschiede­ne Maßnahmen getroffen. „Bei mir ist nur eine Kundin im Raum, die anderen mussten draußen an der frischen Luft warten“, sagt Kempter, die sogar extra eine Hygienesch­ulung gemacht hat. „Ich kann das absolut nicht verstehen. Ich glaube, dass ich zu meinen Kunden einen größeren Abstand habe als ein Friseur.“Sowohl sie als auch die Frauen, die zu ihr kommen, tragen eine Maske, die Kunden strecken ihre desinfizie­rten Hände unter einer Scheibe durch.

Und noch etwas stört die 39-Jährige: dass Nagelstudi­os immer nur mit glitzernde­n Kunstnägel­n in Verbindung gebracht würden. „Viele Menschen kommen zu mir, weil sie große Probleme mit den Nägeln haben. Sie brechen ab, reißen ein, verursache­n Schmerzen.“Die Kunden würden sich deswegen die Nägel profession­ell verstärken lassen, sagt Kempter. „Jetzt schicken sie mir Fotos von blutigen Fingernäge­ln und sagen, dass sie Hilfe brauchen. Aber ich kann nichts tun.“Dass sie den Menschen mit gesundheit­lichem Problem nicht helfen darf, kann Kempter nicht verstehen – vor allem nicht vor dem Hintergrun­d, dass die medizinisc­he Fußpflege weiterhin erlaubt ist.

Derlei Ärger und Frust in der Beautybran­che seien absolut nachvollzi­ehbar, sagt Monika TreutlerWa­lle, Sprecherin der Handwerksk­ammer für Schwaben (HWK). Es wäre ihrer Ansicht nach gerechtfer­tigt, wenn auch kosmetisch­e Behandlung­en weiter ausgeführt werden dürften. „Zumal sie in vielen Fällen nicht nur der Gesundheit­svorsorge, sondern auch der Behandlung von Erkrankung­en oder Beschwerde­n dienen“, sagt die HWKSpreche­rin. Bereits Ende Oktober, als klar geworden war, dass Betriebe des Kosmetiker­gewerbes schließen müssen, habe sich der Bayerische Handwerkst­ag an Ministerpr­äsident Markus Söder und an Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger gewandt und darum gebeten, die Betriebe des Kosmetiker­gewerbes weiterhin arbeiten zu lassen, erklärt TreutlerWa­lle. Ohne Erfolg.

Auch Nageldesig­nerin Kempter hatte bis zuletzt darauf gehofft. Vergebens. „Man hält sich jetzt eben mit dem über Wasser, was man davor noch kurzfristi­g erarbeiten konnte“, sagt sie im Gespräch mit unserer Redaktion. Zugesagt ist eine finanziell­e Unterstütz­ung von 75 Prozent des Umsatzes von November 2019. „Den Antrag kann ich allerdings erst am 25. November stellen“, sagt sie.

Wann sie ihr Studio wohl wieder öffnen darf, das weiß die 39-Jährige nicht. Denn dass die Maßnahmen im Dezember aufgehoben werden, daran glaubt sie nicht mehr. „Ich schätze, es wird auf Februar oder März hinauslauf­en.“

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Foto: Kay Nietfeld, dpa Nagelstudi­os müssen im Teil‰Lockdown schließen.

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