Im Schönheitsschlaf
Friseursalons haben in der Corona-Krise geöffnet, Kosmetik- und Nagelstudios mussten dagegen schließen. Wird in der Beautybranche mit zweierlei Maß gemessen?
Augsburg Wenn man so will, dann befinden sich die vielen tausend Beautysalons, Nagelstudios, Kosmetikinstitute und Day-Spas in einem Schönheitsschlaf. Nur: Dass sie danach erholt aufwachen, ist eher unwahrscheinlich. Denn für viele Betreiber ist die Zwangspause, in die sie wegen des Teil-Lockdowns geschickt wurden, ein Albtraum.
Seit die Betriebe Anfang November schließen mussten, plagen die Menschen, die in der Branche arbeiten, nicht nur finanzielle Sorgen. Sondern auch das ungute Gefühl, dass mit zweierlei Maß gemessen wird. Während sie schließen mussten, dürfen Friseure weiterarbeiten.
Der Berufsverband der Fachkosmetiker und Fachkosmetikerinnen in Deutschland, der die Interessen von Kosmetikbetrieben, Nagelstudios und Wellnessbereichen vertritt, hat sich deshalb Anfang November in einem offenen Brief an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn gewandt. In dem Schreiben bittet der Verband darum, sich dafür einzusetzen, dass Kosmetikbetriebe bundesweit wieder öffnen dürfen – auch vor dem Hintergrund, dass sie in manchen Bundesländern weiterhin Kunden behandeln dürften. „Im Zuge der Gleichbehandlung sollte damit allen Betrieben das Weiterarbeiten in allen Bundesländern ermöglicht werden – auch im Hinblick auf die von den Maßnahmen nicht betroffenen Friseurbetriebe, die ebenfalls weiter Kunden empfangen können“, heißt es in dem Schreiben. Und: „Wir möchten gar nicht die Frage erörtern, ob kosmetische Behandlungen wichtig sind oder nicht, doch geben wir zu bedenken, dass man sicher auch vier Wochen ohne Haareschneiden überlebt.“
Eine, die sich über diese Ungleichheit ärgert, ist Jasmin Kempter, die in Herbertshofen im Landkreis Augsburg ein Nagelstudio betreibt. Sie könne kein erhöhtes Infektionsrisiko erkennen, sagt sie – denn wie viele ihrer Kollegen habe sie seit dem letzten Lockdown im Frühling verschiedene Maßnahmen getroffen. „Bei mir ist nur eine Kundin im Raum, die anderen mussten draußen an der frischen Luft warten“, sagt Kempter, die sogar extra eine Hygieneschulung gemacht hat. „Ich kann das absolut nicht verstehen. Ich glaube, dass ich zu meinen Kunden einen größeren Abstand habe als ein Friseur.“Sowohl sie als auch die Frauen, die zu ihr kommen, tragen eine Maske, die Kunden strecken ihre desinfizierten Hände unter einer Scheibe durch.
Und noch etwas stört die 39-Jährige: dass Nagelstudios immer nur mit glitzernden Kunstnägeln in Verbindung gebracht würden. „Viele Menschen kommen zu mir, weil sie große Probleme mit den Nägeln haben. Sie brechen ab, reißen ein, verursachen Schmerzen.“Die Kunden würden sich deswegen die Nägel professionell verstärken lassen, sagt Kempter. „Jetzt schicken sie mir Fotos von blutigen Fingernägeln und sagen, dass sie Hilfe brauchen. Aber ich kann nichts tun.“Dass sie den Menschen mit gesundheitlichem Problem nicht helfen darf, kann Kempter nicht verstehen – vor allem nicht vor dem Hintergrund, dass die medizinische Fußpflege weiterhin erlaubt ist.
Derlei Ärger und Frust in der Beautybranche seien absolut nachvollziehbar, sagt Monika TreutlerWalle, Sprecherin der Handwerkskammer für Schwaben (HWK). Es wäre ihrer Ansicht nach gerechtfertigt, wenn auch kosmetische Behandlungen weiter ausgeführt werden dürften. „Zumal sie in vielen Fällen nicht nur der Gesundheitsvorsorge, sondern auch der Behandlung von Erkrankungen oder Beschwerden dienen“, sagt die HWKSprecherin. Bereits Ende Oktober, als klar geworden war, dass Betriebe des Kosmetikergewerbes schließen müssen, habe sich der Bayerische Handwerkstag an Ministerpräsident Markus Söder und an Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger gewandt und darum gebeten, die Betriebe des Kosmetikergewerbes weiterhin arbeiten zu lassen, erklärt TreutlerWalle. Ohne Erfolg.
Auch Nageldesignerin Kempter hatte bis zuletzt darauf gehofft. Vergebens. „Man hält sich jetzt eben mit dem über Wasser, was man davor noch kurzfristig erarbeiten konnte“, sagt sie im Gespräch mit unserer Redaktion. Zugesagt ist eine finanzielle Unterstützung von 75 Prozent des Umsatzes von November 2019. „Den Antrag kann ich allerdings erst am 25. November stellen“, sagt sie.
Wann sie ihr Studio wohl wieder öffnen darf, das weiß die 39-Jährige nicht. Denn dass die Maßnahmen im Dezember aufgehoben werden, daran glaubt sie nicht mehr. „Ich schätze, es wird auf Februar oder März hinauslaufen.“