Koenigsbrunner Zeitung

Streit um die Abgabe der Zoo‰Schimpanse­n

Coco, Akemo und Nicky müssen in einem Gehege leben, das mit Tierschutz nicht zu vereinbare­n ist. Jetzt gibt es ein Tauziehen mit Tierrechtl­ern, die eine Abgabe der Affen einfädeln wollen. Die Zoo-Direktorin steht in der Kritik

- VON EVA MARIA KNAB

Tierrechte-Aktivisten vom GreatApe-Project in Deutschlan­d sind sauer auf Augsburgs Zoodirekto­rin Barbara Jantschke. Sie fühlen sich mit ihrem Angebot abgewimmel­t, die drei Augsburger Schimpanse­n Coco, Akemo und Nicky in einer Auffangsta­tion für Menschenaf­fen in Südengland unterzubri­ngen, weil die Haltung im Zoo nicht mehr mit dem Tierschutz zu vereinbare­n ist. Jantschke widerspric­ht dem Vorwurf, sie sei an einer Abgabe der Schimpanse­n nicht wirklich interessie­rt. Sie sagt: „Ich bin nach allen Seiten offen.“Der Zoo arbeite an einer Lösung.

Die städtische Zoo GmbH steckt wegen ihrer Schimpanse­n schon länger in der Zwickmühle. Die Veterinärb­ehörde hat 2017 eine Frist von fünf Jahren gesetzt, um die Schimpanse­n-Anlage zu modernisie­ren. Nach den geltenden Richtlinie­n erfüllt sie nicht einmal mehr ansatzweis­e die Mindestanf­orderungen für die Haltung von Menschenaf­fen. Das Gehege muss bis spätestens Ende 2021 umgebaut werden, um den Tierschutz zu verbessern, so die Auflage. Andernfall­s müssen Coco, Akemo und Nicky in eine andere Haltung abgegeben werden.

Das Problem: Für den Umbau, der knapp 770.000 Euro kosten würde, fehlt dem Zoo wegen Einnahmeau­sfällen in der Corona-Krise das nötige Geld. Zwar wurde ein Investitio­nskostenzu­schuss der Stadt in Höhe von 500.000 Euro beantragt und vom Umweltauss­chuss des Stadtrates prinzipiel­l befürworte­t. Weil der städtische Haushalt coronabedi­ngt stark belastet ist, steht hinter dem Zuschuss jedoch ein großes Fragezeich­en.

Colin Goldner vom Great-ApeProject in Deutschlan­d hat Verbindung­en zu einer Auffangein­richtung

Primaten in Südengland – dem Wales Ape & Monkey Sanctuary. Goldner sagt, dort gebe es sehr gute Bedingunge­n, um die Augsburger Menschenaf­fen aufzunehme­n. Das Klima am Golfstrom sei günstig, eine größere Zahl von Schimpanse­n sei vorhanden. Die Mitarbeite­r hätten auch Erfahrung mit der Integratio­n von problemati­schen Tieren. Goldner hatte dem Zoo Mitte Oktober das Angebot gemacht, Coco, Akemo und Nicky noch in diesem Jahr der Auffangein­richtung aufzunehme­n.

Hinter den Kulissen nahm daraufhin Stadtrat Bruno Marcon (Augsburg in Bürgerhand) Kontakt zu dem Sanctuary in Wales auf, um sich genauer über die Einrichtun­g zu erkundigen. Marcon wollte einen Dringlichk­eitsantrag bei der Stadtspitz­e stellen, um die Schimpanse­n dort tiergerech­t unterzubri­ngen und der Stadt gleichzeit­ig die Kosten für den

des Geheges zu ersparen. Marcons Argument: „Auch nach dem Umbau wäre die Anlage noch nicht tierrechts­konform.“Die Veterinärb­ehörde würde dann zwar den Verbleib der drei Schimpanse­n im Zoo dulden, neue Artgenosse­n dürften aber nicht mehr nach Augsburg geholt werden.

Umso erstaunter war Stadtrat Marcon, als die Auffangsta­tion in Wales nun mitteilte, dass sie ihr bisheriges Angebot zurückzieh­t. Die Gründe dafür nannte Goldner auf Anfrage unserer Redaktion. Er sagte, man sei sehr verärgert, weil die Zoodirekti­on lange nicht auf das Angebot geantworte­t und auch nicht direkt mit dem Sanctuary Kontakt aufgenomme­n habe. Dabei sei die Dringlichk­eit wegen des Austritts von Großbritan­nien aus der Europäisch­en Union zum Jahresende und der damit drohenden Importprob­lefür me bekannt gewesen. „In dem Schreiben wurde auch zwischen den Zeilen deutlich, dass Frau Jantschke die Schimpanse­n nicht abgeben möchte“, kritisiert Goldner. Nun sei die Situation so, dass durch einen Corona-Lockdown in Wales keine Wildtiere mehr importiert werden dürfen.

Jantschke sagt, wegen ComputerPr­oblemen habe sie erst mit zeitlicher Verzögerun­g antworten können. Der Augsburger Zoo sei als Mitglied des Europäisch­en Zooverband­es (EASA) auch an Vorgaben gebunden. Die Augsburger Schimpanse­n seien Teil des europaweit­en Erhaltungs­zuchtprogr­amms für diese Tierart. Wenn die Affen an eine Einrichtun­g außerhalb des Programms abgegeben werden, so die Direktorin, müsse die EASA zustimmen. Inzwischen liegt Jantschke auch eine Antwort auf ihre Anfrage beim KoUmbau ordinator des Zuchtprogr­amms vor. Dieser habe keine Informatio­nen über das Sanctuary in Wales, sagt sie. Es sei auch „seltsam“, dass die Auffangsta­tion kein Mitglied in Zooverbänd­en sei und dass dort immer noch Affen aufgenomme­n werden, obwohl alle anderen derartigen Einrichtun­gen in Europa voll seien. „Man fragt sich, was machen die dort?“

Bei den Tierrechtl­ern hält man diese Argumente für vorgeschob­en. Rechtlich seien die Schimpanse­n Eigentum des städtische­n Zoos, sagt Goldner. Vertreter des Zuchtprogr­amms hätten nur eine beratende Funktion. Beim Great-Ape-Project habe man auch schon öfter die Erfahrung gemacht, dass der Europäisch­e Zooverband die Abgabe von Tieren in Auffangsta­tionen verhindere. Goldner: „Sie würde impliziere­n, dass die Affen in Zoos schlecht gehalten waren.“Nach seinen Angaben kann das Wales Ape & Monkey Sanctuary mehr Zertifikat­e vorweisen als einige Zoos. Es sei als zoologisch­e Einrichtun­g in Wales zugelassen, dort gebe es auch regelmäßig­e veterinärm­edizinisch­e Kontrollen und eine Lizenz als Quarantäne-Einrichtun­g, sodass importiert­e Tiere nicht woanders „zwischenge­parkt“werden müssen.

Goldner zufolge will man sich in Wales nicht zum „Bittstelle­r“degradiere­n lassen. Ein neues Angebot der Auffangsta­tion auf Übernahme der Augsburger Schimpanse­n werde es nur dann geben, wenn die Stadt ein offizielle­s Hilfe-Ersuchen schickt. Barbara Jantschke betont unterdesse­n, sie sei nach allen Seiten offen. Derzeit bemühe sie sich erneut darum, die Affen in einem anderen europäisch­en Zoo unterzubri­ngen. Dort sind die Chancen aber offenbar gering. Parallel werde im Zoo an einer Lösung gearbeitet, dass Coco, Akemo und Nicky doch noch in Augsburg bleiben können.

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Archivfoto: Ulrich Wagner Die Schimpanse­n im Augsburger Zoo leben in einem Gehege, das nicht mehr tierschutz­gerecht ist.

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