Bürger sagen der Stadt die Meinung
Am Mittwochabend tagte erstmals der Bürgerbeirat, in dem Augsburger Anmerkungen zum Umgang mit der Pandemie machen können. Ein Beirat kritisiert, es werde zu viel mit Drohungen gearbeitet
Am Mittwochabend hat in der Kongresshalle zum ersten Mal der Bürgerbeirat Corona getagt. Das Gremium, in dem zehn ausgeloste Augsburger sitzen, war von der Stadt ins Leben gerufen worden, um das Vorgehen der Stadtregierung in der Pandemie mit Bürgern zu diskutieren. In der zweieinhalbstündigen Diskussion wurden von manchen Teilnehmern stärkere Kontrollen der Maskenpflicht angeregt, von anderer Seite aber auch beklagt, dass die Stadt mit der Veröffentlichung des täglichen Inzidenzwerts zu viel Angst schüre.
Oberbürgermeisterin Eva Weber (CSU) sah das Gespräch als Erfolg, sagte aber auch, dass man bei der nächsten Sitzung im Dezember wohl über konkretere Vorschläge sprechen werde. Weber bezeichnete den Beirat als „Experiment“. In Deutschland sei man die erste Stadt mit einem derartigen Gremium. Die ausgelosten Bürger, die sich allesamt freiwillig gemeldet hatten, werden nach drei Monaten durch andere Bewerber ersetzt. Beiratsmitglied Hans Dombrowski kritisierte, dass Staat und Stadt zu stark auf Drohszenarien setzten, indem sie die tägliche Inzidenz zum alleinigen Maßstab machen. Wenn man sich vor Augen halte, dass die Zahl der Neuinfektionen aktuell stagniere, gebe es mehr Anlass zur Gelassenheit. Corona sei ein gefährliches Virus, aber auch die Grippe fordere jährlich Tote, ohne dass es Einschränkungen gebe, so Dombrowksi. „Wir müssen nicht gegen Corona kämpfen, sondern mit Corona leben.“Statt über Inzidenzwerte zu sprechen, solle die Stadt den Bürgern Ratschläge geben, wie sie ihr Immunsystem stärken. „Nur auf die Inzidenzwerte zu schauen, macht den Menschen nicht unbedingt Mut.“
Dr. Thomas Wibmer, stellvertretender Chef des Gesundheitsamtes, entgegnete, ausschlaggebend sei, ab wann das Gesundheitssystem überfordert sei. Bei der Grippewelle 2009 hätten Krankenhäuser kurz vor drastischen Maßnahmen gestanden. Das sei vielen nicht bewusst. „Wir können es uns jetzt nicht leisten, mehr Schwerkranke zu haben“, so Wibmer. Der Inzidenzwert gebe von allen Kennziffern am klarsten Auskunft über das, was mit Verzögerung auf Kliniken zukomme. Gesundheitsreferent Reiner Erben (Grüne) verwies auf die stagnierenden Werte. Sie seien noch zu hoch, die Entwicklung zeige aber, dass die Maßnahmen wirken. „Was wir die letzten Wochen gemacht haben, ist nicht sinnlos“, so Erben.
Beiratsmitglied Andreas Koch beklagte, dass sich viele Bürger nicht an die Regeln hielten und diese zu wenig durchgesetzt würden. „Es ist in dieser Situation wichtig, dass die Regeln von allen Bürgern gelebt werden.“Auf Spielplätzen trage etwa kaum jemand eine Maske, so der Familienvater. „Es fehlt an Ordnungskräften, und vielleicht müsste man auch die Beschilderung verbessern“, so Koch. Gertrud Hammel ergänzte, dass Aufklärung auf emotionaler Ebene besser wirke nur über Zahlen. „In der Werbung läuft es auch nicht anders.“Weber sagte, vielleicht müsse man emotionaler in der Informationsvermittlung werden. Prinzipiell halte man die städtische Information für gut, so Weber zu Kochs Kritik mit den Spielplätzen. „Es ist immer schwierig, alle zu erreichen.“
Kritik an der Stadt kam von zwei Schülern. Jonas Wiedemann, 18, sagte, dass in der Schülerschaft eine „wahnsinnige Unsicherheit“herrsche. Entgegen der Empfehlung des Robert-Koch-Instituts habe die Stadt trotz steigender Infektionszahlen vor den Herbstferien am Präsenzunterricht festgehalten. „30 Schüler saßen in engen Klassenzimmern. Wir verstehen nicht, warum Sie so spät gehandelt haben“, so Wiedemann in Richtung von Bildungsbürgermeisterin Martina Wild (Grüne). Bis heute gebe es zu wenig Desinfektionsmittelspender an seiner Schule „Die wären wichtig für die Gesundheit, aber auch für die Psyche der Schüler.“Joshua Nael Peter, 15, beklagte, dass es Räume an seiner Schule gebe, in denen sich Fenster nicht öffnen lassen. Die Empfehlung der Stadt, regelmäßig zu lüften, laufe dort ins Leere.
Wild forderte die Schüler auf, Missstände zu benennen. Defekte Fenstergriffe würden ausgetauscht. Bei der Entscheidung, den Präsenzunterricht beizubehalten, habe man neben dem Infektionsgeschehen soziale Erwägungen mit einfließen lassen.
Sollte sich das Infektionsgeschehen verschärfen, habe man Pläne in der Schublade, um den Wechselunterricht auf andere Schulen auszudehnen. Sollte sich die Lage entspannen, könne man auch momenals tan betroffene Jahrgangsstufen nach und nach an die Schulen zurückholen.
Für den Zeitpunkt, ab dem die Infektionslage wieder Lockerungen zulässt, forderten mehrere Bürger Konzepte der Stadt. Kulturreferent Jürgen Enninger verwies auf die Pläne zum Kulturwinter am Gaswerk. „Man muss aber ehrlich sein und sagen, dass dies momentan nicht möglich ist. Aber ich freue mich auf den Tag, an dem wir wieder ein Straßenfest mit vielen Menschen feiern können.“Ulrike Lippert regte an, dass Lokale von der Stadt zertifiziert werden sollten, die ihre Hygienekonzepte penibel einhalten. Das sorge für Vertrauen. Gesundheitsreferent Erben sagte, dass man darüber nachdenken werde. Allerdings müsse das Gesundheitsamt dann genügend Kapazitäten für so etwas haben.