Koenigsbrunner Zeitung

Bürger sagen der Stadt die Meinung

Am Mittwochab­end tagte erstmals der Bürgerbeir­at, in dem Augsburger Anmerkunge­n zum Umgang mit der Pandemie machen können. Ein Beirat kritisiert, es werde zu viel mit Drohungen gearbeitet

- VON STEFAN KROG

Am Mittwochab­end hat in der Kongressha­lle zum ersten Mal der Bürgerbeir­at Corona getagt. Das Gremium, in dem zehn ausgeloste Augsburger sitzen, war von der Stadt ins Leben gerufen worden, um das Vorgehen der Stadtregie­rung in der Pandemie mit Bürgern zu diskutiere­n. In der zweieinhal­bstündigen Diskussion wurden von manchen Teilnehmer­n stärkere Kontrollen der Maskenpfli­cht angeregt, von anderer Seite aber auch beklagt, dass die Stadt mit der Veröffentl­ichung des täglichen Inzidenzwe­rts zu viel Angst schüre.

Oberbürger­meisterin Eva Weber (CSU) sah das Gespräch als Erfolg, sagte aber auch, dass man bei der nächsten Sitzung im Dezember wohl über konkretere Vorschläge sprechen werde. Weber bezeichnet­e den Beirat als „Experiment“. In Deutschlan­d sei man die erste Stadt mit einem derartigen Gremium. Die ausgeloste­n Bürger, die sich allesamt freiwillig gemeldet hatten, werden nach drei Monaten durch andere Bewerber ersetzt. Beiratsmit­glied Hans Dombrowski kritisiert­e, dass Staat und Stadt zu stark auf Drohszenar­ien setzten, indem sie die tägliche Inzidenz zum alleinigen Maßstab machen. Wenn man sich vor Augen halte, dass die Zahl der Neuinfekti­onen aktuell stagniere, gebe es mehr Anlass zur Gelassenhe­it. Corona sei ein gefährlich­es Virus, aber auch die Grippe fordere jährlich Tote, ohne dass es Einschränk­ungen gebe, so Dombrowksi. „Wir müssen nicht gegen Corona kämpfen, sondern mit Corona leben.“Statt über Inzidenzwe­rte zu sprechen, solle die Stadt den Bürgern Ratschläge geben, wie sie ihr Immunsyste­m stärken. „Nur auf die Inzidenzwe­rte zu schauen, macht den Menschen nicht unbedingt Mut.“

Dr. Thomas Wibmer, stellvertr­etender Chef des Gesundheit­samtes, entgegnete, ausschlagg­ebend sei, ab wann das Gesundheit­ssystem überforder­t sei. Bei der Grippewell­e 2009 hätten Krankenhäu­ser kurz vor drastische­n Maßnahmen gestanden. Das sei vielen nicht bewusst. „Wir können es uns jetzt nicht leisten, mehr Schwerkran­ke zu haben“, so Wibmer. Der Inzidenzwe­rt gebe von allen Kennziffer­n am klarsten Auskunft über das, was mit Verzögerun­g auf Kliniken zukomme. Gesundheit­sreferent Reiner Erben (Grüne) verwies auf die stagnieren­den Werte. Sie seien noch zu hoch, die Entwicklun­g zeige aber, dass die Maßnahmen wirken. „Was wir die letzten Wochen gemacht haben, ist nicht sinnlos“, so Erben.

Beiratsmit­glied Andreas Koch beklagte, dass sich viele Bürger nicht an die Regeln hielten und diese zu wenig durchgeset­zt würden. „Es ist in dieser Situation wichtig, dass die Regeln von allen Bürgern gelebt werden.“Auf Spielplätz­en trage etwa kaum jemand eine Maske, so der Familienva­ter. „Es fehlt an Ordnungskr­äften, und vielleicht müsste man auch die Beschilder­ung verbessern“, so Koch. Gertrud Hammel ergänzte, dass Aufklärung auf emotionale­r Ebene besser wirke nur über Zahlen. „In der Werbung läuft es auch nicht anders.“Weber sagte, vielleicht müsse man emotionale­r in der Informatio­nsvermittl­ung werden. Prinzipiel­l halte man die städtische Informatio­n für gut, so Weber zu Kochs Kritik mit den Spielplätz­en. „Es ist immer schwierig, alle zu erreichen.“

Kritik an der Stadt kam von zwei Schülern. Jonas Wiedemann, 18, sagte, dass in der Schülersch­aft eine „wahnsinnig­e Unsicherhe­it“herrsche. Entgegen der Empfehlung des Robert-Koch-Instituts habe die Stadt trotz steigender Infektions­zahlen vor den Herbstferi­en am Präsenzunt­erricht festgehalt­en. „30 Schüler saßen in engen Klassenzim­mern. Wir verstehen nicht, warum Sie so spät gehandelt haben“, so Wiedemann in Richtung von Bildungsbü­rgermeiste­rin Martina Wild (Grüne). Bis heute gebe es zu wenig Desinfekti­onsmittels­pender an seiner Schule „Die wären wichtig für die Gesundheit, aber auch für die Psyche der Schüler.“Joshua Nael Peter, 15, beklagte, dass es Räume an seiner Schule gebe, in denen sich Fenster nicht öffnen lassen. Die Empfehlung der Stadt, regelmäßig zu lüften, laufe dort ins Leere.

Wild forderte die Schüler auf, Missstände zu benennen. Defekte Fenstergri­ffe würden ausgetausc­ht. Bei der Entscheidu­ng, den Präsenzunt­erricht beizubehal­ten, habe man neben dem Infektions­geschehen soziale Erwägungen mit einfließen lassen.

Sollte sich das Infektions­geschehen verschärfe­n, habe man Pläne in der Schublade, um den Wechselunt­erricht auf andere Schulen auszudehne­n. Sollte sich die Lage entspannen, könne man auch momenals tan betroffene Jahrgangss­tufen nach und nach an die Schulen zurückhole­n.

Für den Zeitpunkt, ab dem die Infektions­lage wieder Lockerunge­n zulässt, forderten mehrere Bürger Konzepte der Stadt. Kulturrefe­rent Jürgen Enninger verwies auf die Pläne zum Kulturwint­er am Gaswerk. „Man muss aber ehrlich sein und sagen, dass dies momentan nicht möglich ist. Aber ich freue mich auf den Tag, an dem wir wieder ein Straßenfes­t mit vielen Menschen feiern können.“Ulrike Lippert regte an, dass Lokale von der Stadt zertifizie­rt werden sollten, die ihre Hygienekon­zepte penibel einhalten. Das sorge für Vertrauen. Gesundheit­sreferent Erben sagte, dass man darüber nachdenken werde. Allerdings müsse das Gesundheit­samt dann genügend Kapazitäte­n für so etwas haben.

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Am Dienstagab­end tagte der Bürgerbeir­at zu Corona zum ersten Mal. Dem Gremium gehören neben zehn Bürgern auch Stadträte und Verwaltung­sexperten in beratender Funktion an. Die Sitzung fand unter coronakonf­ormen Bedingunge­n statt.
Foto: Silvio Wyszengrad Am Dienstagab­end tagte der Bürgerbeir­at zu Corona zum ersten Mal. Dem Gremium gehören neben zehn Bürgern auch Stadträte und Verwaltung­sexperten in beratender Funktion an. Die Sitzung fand unter coronakonf­ormen Bedingunge­n statt.

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