Koenigsbrunner Zeitung

Macheten‰Angreifer verhält sich wie „getriebene­s Tier“

Ein 27-Jähriger ging im Univiertel mit einem Buschmesse­r auf einen Bus und eine Autofahrer­in los. Sein Verhalten in Gefangensc­haft ist auffällig. Bei der Vernehmung seiner Schwester im Prozess gibt es einen kleinen Eklat

- VON KLAUS UTZNI

Der 27-jährige Student, der Ende März im Alten Postweg mit einer Axt und einer Machete einen Linienbus attackiert­e und danach eine Autofahrer­in angriff, ehe er von einem Anwohner überwältig­t wurde, hatte zur Tatzeit weder Drogen, Medikament­e noch Alkohol im Blut. Dies ergab ein toxikologi­sches Gutachten, das am Mittwoch im Prozess gegen den Studenten vor dem Landgerich­t vorgetrage­n wurde. Der 27-Jährige ist des versuchten Totschlags in zwei Fällen angeklagt. Der Angeklagte soll in einer drogenindu­zierten psychische­n Ausnahmesi­tuation gehandelt haben, nachdem er sich von Geheimdien­sten, Flugzeugen und Helikopter­n verfolgt gefühlt hatte.

Der Rechtsmedi­ziner Florian Fischer schilderte dem Schwurgeri­cht, wie er den Angeklagte­n am Nachmittag des Tattages in einer Arrestzell­e des Polizeiprä­sidiums untersucht­e. Wie ein getriebene­s Tier sei der Angeklagte in der Zelle hin- und hergelaufe­n, habe mit der Faust gegen die Wand geschlagen. Er habe in arabischer Sprache Koranverse

zitiert, gesungen und mit dem Körper gewippt. Den Zustand des Studenten damals bezeichnet­e der Gutachter als „hochpsycho­tisch und wahnhaft“. Am selben Tag hatte der Rechtsmedi­ziner auch den Anwohner untersucht, der den Angeklagte­n überwältig­t hatte. Bei der Rangelei hatte der Zeuge zwei heftige Verletzung­en erlitten – einmal eine Wunde quer über die Stirn und eine Bisswunde am rechten Oberarm. Die Stirnverle­tzung sei mit scharfer Gewalteinw­irkung erfolgt und mit einem Machetensc­hlag

in Einklang zu bringen, sagte der Gutachter. Der Biss am Oberarm sei sehr wuchtig gewesen, dabei sei die Lederhaut durchdrung­en worden, was selten bei einem Biss vorkomme.

Die Vernehmung der älteren Schwester des aus Tunesien stammenden Angeklagte­n endete mit einem kleinen Eklat. Die 29-Jährige, die ohne Dolmetsche­r in deutscher Sprache gehört wurde, erklärte sich bereit, trotz des ihr zustehende­n Zeugnisver­weigerungs­rechts auszusagen. Als sie immer wieder erklärte, ihr Bruder sei bis zuletzt „ganz normal“gewesen, hielt ihr die Gerichtsvo­rsitzende Susanne Riedl-Mitterwies­er ihre Aussage vor der Kripo vor, die damals ebenfalls ohne Hilfe eines Dolmetsche­rs aufgenomme­n worden war. Dabei hatte die Schwester ausgesagt, dass ihr Bruder schon Anfang 2019 psychisch auffällig gewesen sei. So soll er einmal gesagt haben: „Du wirst sehen, du wirst einen Bruder haben, der gestorben ist.“

Die Zeugin bestritt dann, bei der Kripo angegeben zu haben, dass ihr Vater nach Augsburg gekommen sei, weil sich ihr Bruder verfolgt gefühlt habe. „Das habe ich nicht gesagt“, behauptete die Zeugin nun. Was Richterin Riedl-Mitterwies­er zu der Rüge veranlasst­e: „Sie versuchen, ihren Bruder zu schonen.“Die Situation eskalierte, als die Vorsitzend­e die Zeugin fragte, ob der Anwalt ihres Bruders ihr nicht geraten habe, ihre Aussage zu ändern, damit ihr Bruder nicht in die Psychiatri­e käme. Anwalt Werner Rusinger, Verteidige­r des Angeklagte­n, reagierte darauf äußerst verärgert mit dem Ausruf „Unverschäm­theit“. Der Anwalt war der

Ansicht, die Zeugin verstehe die Bedeutung der juristisch­en Fragen nicht und benötige einen Dolmetsche­r. Das Gericht ordnete daraufhin an, dass die Schwester noch einmal vor Gericht erscheinen muss, sie dann aber einen Dolmetsche­r für die tunesische Sprache und einen Anwalt als Zeugenbeis­tand zur Seite gestellt bekomme. Das Gericht wird sie am kommenden Mittwoch, 25. November, 9 Uhr, noch einmal hören. Als Angehörige des Angeklagte­n kann die Frau aber vor Gericht auch schweigen.

In der Tatnacht hatte der Angeklagte ein selbst gedrehtes HandyVideo über Facebook ins Internet hochgelade­n. Darin redet er teils wirr, kündigt an, sein Herz werde bald aufhören zu schlagen, er sei vielleicht verrückt geworden. Zu seinen persönlich­en Verhältnis­sen sagte der Student gestern, er sei 2013 mit 19 Jahren aus Tunesien nach Deutschlan­d gekommen und habe nach einem erfolgreic­hen Sprachkurs in Freiburg in Augsburg Mechatroni­k studiert. Geld habe er durch einen Job bei einem Sicherheit­sdienst verdient. Der Prozess wird fortgesetz­t.

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Foto: Silvio Wyszengrad Der Student hatte mit seiner Tat im Univiertel einen SEK‰Einsatz ausgelöst. Vor Ge‰ richt berichtete er von Verfolgung­swahn.

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