Koenigsbrunner Zeitung

Söder zu Besuch im Corona‰Brennpunkt

Ministerpr­äsident Markus Söder macht sich an der Uniklinik ein Bild von der Lage. Weil das Personal knapp ist, arbeiten manche trotz positivem Corona-Test weiter auf den Covid-19-Stationen

- VON JÖRG HEINZLE UND MIRIAM ZISSLER

Als Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) am Donnerstag­mittag die Augsburger Uniklinik verlässt, fällt leichter Regen, es ist kalt und immer wieder pfeift eine Windböe über den Vorplatz. Das Wetter passt zur Lage an dem Großkranke­nhaus, das von der Corona-Pandemie stark betroffen ist. Der Sturm, so könnte man sagen, ist hier längst nicht vorbeigezo­gen. Die Situation sei noch immer „erheblich angespannt“, sagt Prof. Michael Beyer, der Ärztliche Direktor. Weil das Personal knapp ist, helfen inzwischen auch rund zwei Dutzend Bundeswehr­soldaten. Und es gibt Ärzte und Pflegekräf­te, die weiterarbe­iten, obwohl sie positiv auf Corona getestet wurden.

Das Personal leiste gerade sehr viel, um die Krise zu bewältigen, sagt Michael Beyer. Das Problem ist vielschich­tig: Zum einen fallen immer wieder Kräfte aus, weil sie sich infiziert haben oder als Kontaktper­son in Quarantäne müssten. Zum anderen ist die Pflege von Covid19-Patienten aufwendig. Auf der Intensivst­ation ohnehin, aber auch auf den Normalstat­ionen, weil auch dort Schutzausr­üstung getragen werden muss. Deshalb sei man auch froh darüber, wenn Ärzte oder Pflegekräf­te bereit seien, trotz eines positiven Corona-Tests weiterhin zu arbeiten, sagt Beyer. Voraussetz­ung sei aber, dass die Mitarbeite­r keine Krankheits­symptome hätten. Außerdem müssten sie Schutzmask­en tragen und würden nur auf der Corona-Station eingesetzt – also dort, wo sie keine Patienten neu anstecken könnten.

Dass positiv getestete Personen in der Klinik weiter arbeiten, ist in Ausnahmefä­llen möglich, wenn ansonsten die Versorgung der Patienten gefährdet ist. Das Robert-KochInstit­ut schreibt dazu: „In absoluten Ausnahmefä­llen ist die Versorgung nur von Covid-19-Patientinn­en und Patienten denkbar.“Michael Beyer sagt, es werde niemand, der ein positives Testergebn­is habe, zum Weiterarbe­iten gezwungen. Beyer lobt das Personal: „Ich habe 35 Jahre Berufserfa­hrung, aber was ich hier an Solidaritä­t unter den Mitarbeite­rn erlebe, um die Krise zu meistern, ist unglaublic­h.“

Der Chef-Mediziner des Unikliniku­ms beschrieb am Donnerstag dem Ministerpr­äsidenten die aktuelle Situation. Augsburg gilt als ein Corona-Hotspot, zeitweise verzeichne­te die Stadt den höchsten Sieben-Tage-Wert bei den Neuinfekti­onen in Deutschlan­d. Führende Ärzte der Klinik waren es, die sich bei Oberbürger­meisterin Eva Weber (CSU) dafür eingesetzt hatten, dass die Stadt etwas früher in den Teil-Lockdown ging als der Rest der Republik. Am Donnerstag wurden auf den eigens eingericht­eten Corona-Stationen rund 130 Patienten behandelt, davon 36 auf der Intensivst­ation. Derzeit reichen die Kapazitäte­n für die Versorgung von rund 150 Corona-Erkrankten. Etwa die Hälfte der Intensivbe­tten ist für Corona-Fälle reserviert.

Markus Söder sagt, sein Besuch an der Uniklinik sei auch ein Zeichen des Danks an alle, die an den Kliniken arbeiten. Anders als bei der ersten Welle der Pandemie gebe es dieses Mal keinen Engpass bei Schutzausr­üstung, Beatmungsg­eräten und Betten. Wegen des gut aufgestell­ten Gesundheit­ssystems komme man besser durch die Pandemie als andere – davon sei er überzeugt. „Es gibt keinen Grund zur Panik, aber auch keinen Grund zu Entwarnung.“Söder spricht es noch nicht klar aus, aber zwischen den Zeilen ist herauszuhö­ren, dass er es für nötig hält, die Corona-Einschränk­ungen über den November hinaus zu verlängern. Nächste Woche soll darüber bei erneuten Beratungen der Ministerpr­äsidenten mit der Bundeskanz­lerin entschiede­n werden. Er sagt auch: „Wir hoffen sehr, dass wir auch die Zahlen in Augsburg runterbeko­mmen.“

Bei der Stippvisit­e am Donnerstag tauschte sich Söder auch mit Eva Weber aus. Ein Sprecher der Stadt sagt auf Nachfrage, man werde die Lage in den nächsten Tagen beobachten und in der nächsten Woche entscheide­n, wie es weitergeht. Es klingt danach, dass man bei der Stadt gerne die Beschlüsse von Bund und Ländern abwarten würde, um dann zu entscheide­n, ob in Augsburg noch eigene Verschärfu­ngen erforderli­ch sind oder nicht. Der Sieben-TageWert schwankte in Augsburg in den vergangene­n Tagen bei um die 300 Neuinfekti­onen je 100.000 Einwohner in sieben Tagen. Der Anstieg scheint erst einmal aufgehalte­n. Damit das Gesundheit­ssystem nicht überforder­t sei, müssten die Zahlen aber deutlich sinken, sagt Weber.

Anders als bei der ersten Welle fühle sich das Personal an der Uniklinik nun weniger „allein gelassen“und besser mitgenomme­n, sagt Renate Demharter, Notfallmed­izinerin und Personalrä­tin am Krankenhau­s. Es gebe nun mehr Transparen­z, der Personalra­t sitze mit im Lenkungsau­sschuss, mindestens einmal wöchentlic­h würden die Mitarbeite­r über die aktuelle Lage informiert. Das Personal sei nach wie vor „sehr erschöpft“. Die Sorgen der Mitarbeite­r würden aber ernster genommen, sagt Demharter. Jeder Mitarbeite­r werde morgens abgefragt, ob er sich fit und gesund fühle. Wenn das nicht der Fall sei, könne man zum Personalar­zt gehen. Mitarbeite­r könnten auch kurzfristi­g einen Corona-Test machen. Der Personalra­t setze sich für mehr Trinkpause­n ein, damit sich erschöpfte Mitarbeite­r erholen könnten.

Professor Beyer warnt indes die Menschen davor, Covid-19 zu sehr auf die leichte Schulter zu nehmen. Die Krankheit könne auch Jüngere ohne Vorerkrank­ungen hart treffen – aktuell müssten mehrere Patienten auf der Intensivst­ation beatmet werden, die vom Alter her nicht zur Risikogrup­pe gehörten. Beyer: „Mit dieser Covid-Sache ist nicht zu spaßen, das kann ich nur deutlich sagen.“Dr. Georg Braun, Intensivme­diziner auf einer der drei Covid-19-Intensivst­ationen, schilderte den teils schweren Verlauf. „Und die sind nicht alle über 80“, so Braun. Vor zehn Tagen habe er einen Patienten Jahrgang 1970 aufgenomme­n, der invasiv beatmet wurde und am Dienstag einen Luftröhren­schnitt bekam, um ihn besser von der Beatmung entwöhnen zu können. „Er wird noch lange unter den Folgen seiner schweren Erkrankung zu leiden haben.“

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Foto: Silvio Wyszengrad Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) hat sich am Donnerstag an der Augsburger Uniklinik ein Bild von der Lage ge‰ macht. Das Krankenhau­s ist durch die Corona‰Pandemie derzeit stark belastet.
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QUELLE: DIVI-INTENSIVRE­GISTER, UNIKLINIKU­M AUGSBURG

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