Das sagen Studien über den Zusammenhang zwischen Luftverschmutzung und Corona-Toten
Eine starke Feinstaubbelastung könnte möglicherweise zu einem Anstieg der Covid19-Sterberate führen. Zu diesem Ergebnis kommt zumindest eine Studie von Biostatistikern der Harvard-Universität, die im Fachblatt Science Advances veröffentlicht wurde. Schon davor hatten Arbeiten unter anderem aus Deutschland einen Zusammenhang zwischen Luftverschmutzung und dem Verlauf von Covid-19-Erkrankungen nahegelegt. Experten sind indes vorsichtig bei der Bewertung dieses Zusammenhangs.
Für die aktuelle Analyse verglichen die Forscher die Luftqualität in 3089 US-Countys und die Covid19-Todeszahlen in den entsprechenden Regionen. Konkret wertete das Team um die Biostatistiker Xiao Wu und Francesca Dominici die durchschnittliche Konzentration sogenannter PM2,5-Partikel – also Feinstaubteilchen mit einer Größe von maximal 2,5 Mikrometer – zwischen 2000 und 2016 in den untersuchten Countys aus. Dann suchten die Forscher nach Verbindungen zwischen diesen Daten und den Covid-19-Todeszahlen bis zum 18. Juni 2020.
Ihre Analyse ergab, dass bereits ein Anstieg von nur einem Mikrogramm
pro Kubikmeter in der langfristigen durchschnittlichen Belastung durch Feinpartikel-Schadstoffe mit einem elfprozentigen Anstieg der Covid-19-Mortalitätsrate des jeweiligen Bezirks verbunden ist. Auf welche Weise solche beeinflussbaren Faktoren wie Feinstaub Covid19-Symptome möglicherweise verschlimmern und die Todesrate erhöhen könne, müsse dringend erforscht werden.
Erst kürzlich hatte eine internationale Forschungsgruppe, an der auch Wissenschaftler des MaxPlanck-Instituts für Chemie in Mainz beteiligt waren, im Journal Cardiovascular Research berichtet, dass 15 Prozent der weltweiten Todesfälle durch das Coronavirus auf die Belastung mit Feinstaub zurückzuführen sein könnten, in Deutschland liege der Anteil gar bei 26 Prozent.
Die Forscher sehen in ihren Ergebnissen keinen Beweis für einen direkten Zusammenhang zwischen Luftverschmutzung und Covid19-Sterblichkeit, sondern vielmehr einen indirekten Effekt. „Unsere Schätzungen zeigen die Bedeutung der Luftverschmutzung auf Komorbiditäten, also Gesundheitsfaktoren, die sich gegenseitig verschlimmern und so tödliche gesundheitliche Folgen
der Virusinfektion auslösen können“, erläutert Atmosphärenforscher Andrea Pozzer. Die tatsächliche Covid-19-Sterblichkeit werde durch viele Faktoren beeinflusst, unter anderem das Gesundheitssystem eines Landes.
„Wenn Menschen verschmutzte Luft einatmen, wandern die sehr kleinen gesundheitsschädlichen Feinstaubpartikel von der Lunge ins Blut und in die Blutgefäße“, erläutert der mitbeteiligte Forscher Thomas Münzel vom Universitätsklinikum Mainz die Wirkung von Feinstaub auf den Körper. Dort verursachten sie Entzündungen und starken oxidativen Stress, was wiederum die Reparatur von Zellschäden störe. Letztlich wird die innere Arterienschicht, das Endothel, geschädigt. Die Arterien verengen und versteifen.
Ähnliche Schäden verursache demnach auch das Coronavirus. Die negativen Gesundheitseffekte beider Belastungen addierten sich, die Widerstandsfähigkeit des Körpers sinke. „Wenn Sie bereits an einer Herzerkrankung leiden, verursachen Luftverschmutzung und Coronavirus-Infektionen Probleme, die zu Herzinfarkt, Herzinsuffizienz und Schlaganfall führen können“, sagt Münzel.
Allerdings gab es an der Studie auch Kritik, vor allem an der Methodik. Die Untersuchung stützt sich auf eine erst vorab veröffentlichte Arbeit zu Feinstaubbelastung und Covid-19-Sterblichkeit in den USA und eine weitere, in der Zusammenhänge zwischen Feinstaub und der Sars-Epidemie im Jahr 2003 untersucht worden waren. „Obwohl es sehr wahrscheinlich ist, dass es eine Verbindung zwischen Luftverschmutzung und Covid-19-Sterblichkeit gibt, ist es aufgrund der vorhandenen Evidenz voreilig zu versuchen,