Trump (ver-)geht nicht
Washington Am Dienstag musste Donald Trump eine Entscheidung über Leben und Tod treffen – wenn auch nur im Falle der beiden Truthähne „Corn“und „Cob“. Eines der beiden Federtiere konnte der Präsident nach alter Tradition im Rosengarten des Weißen Hauses begnadigen. Der andere Vogel wird nun zumindest symbolisch dem Koch für das Thanksgiving-Festmahl überantwortet. Die Zeremonie folgte einem historischen Tag, an dem der Poltergeist im Weißen Haus zunächst ungewöhnliche 18 Stunden lang geschwiegen und sich dann mit einem Tweet zu Wort meldete, der nach wochenlanger Realitätsverweigerung eine bemerkenswerte Kehrtwende einzuleiten scheint.
Zwar versicherte Trump erneut: „Wir werden unseren guten Kampf fortsetzen, und ich glaube, dass wir siegen werden.“Doch das klingt angesichts der eigentlichen Nachricht wie ein Rückzugsgefecht. Die lautet nämlich, dass der Präsident die „ersten Schritte“für eine friedliche Amtsübergabe an Joe Biden eingeleitet hat, damit „getan wird, was getan werden muss“. Nicht nur linke Kommentatoren interpretierten die Erklärung als Wendepunkt. „Das ist ein großer Schritt, der Präsident beginnt, die Realität anzuerkennen“, urteilte Bret Baier, ein prominenter Moderator beim rechten Sender Fox News. Unbestreitbar ist, dass der Kampf des Präsidenten gegen die offensichtliche Niederlage
Niemals geht man so ganz.“Diesen Liedtext hat die Kölnerin Trude Herr unsterblich gemacht. Man darf kaum davon ausgehen, dass Donald Trump ihn kennt, auch wenn er deutsche Vorfahren hat. Auf ihn passt er dennoch – denn selbst wenn Trump nun den zaghaften Auszug aus dem Weißen Haus einleitet, wird sein Einfluss keineswegs vergehen.
Gewiss, als Präsident hat er die größtmögliche Blamage erlitten. Nach nur einer Amtszeit wurde er am Ende doch deutlich vom Wähler davongejagt. Aber Trump hat in seinem Leben aus jedem Rückschlag einen Neuanfang gemacht – auch dadurch, dass er stets seine ganz eigene Realität geschaffen hat. So schaffte er es, dass Banken ihm noch Geld nachschossen, als schon klar war, dass er nicht einmal als Kasinobetreiber Geld zu verdienen wusste. So gelang es ihm, eine Präsidentschaftskandidatur anzufangen, als er als TV-Star im QuotenNiedergang fast abdanken musste. Und so will er nun auch den „Trumpismus“als eine Dauerbewegung verankern – fortgeführt entweder von ihm oder von Mitgliedern seiner Familie, assistiert durch ein altes und neues rechtes Medien-Netzwerk.
Die Chancen dafür stehen gar nicht so schlecht. Über 70 Millionen Stimmen hat Trump immerhin gewonnen, weswegen seine Republikaner die echte Abnabelung weiter scheuen. Der Demokrat Joe Biden ist ein Übergangspräsident, dessen Durchschlagskraft sich erst erweisen muss. Und Amerikas Spaltung ist ja mehr als real: In einer Umfrage eines Forschungsprojekts vor den Wahlen gaben 20 Prozent der Demokraten und 15 Prozent der Republikaner an, den USA ginge es besser, wenn viele Anhänger der anderen Partei „einfach sterben“. Das ist die Stimmung, die Trump nutzen will, damit er nicht (ver-)gehen muss.