Koenigsbrunner Zeitung

Was die Stadt mit den Corona‰Regeln erreichen will

Der Teil-Lockdown hat nach Einschätzu­ng des Gesundheit­samtes gewirkt, doch es reiche noch nicht. Warum für Eva Weber vor allem die Lage an der Uniklinik zählt, wie die Polizei ihren Kurs jetzt verschärft – und wie die Todeszahle­n einzustufe­n sind

- VON JÖRG HEINZLE

Die Stadt legt bei den Corona-Regeln noch einmal nach – ab Freitagabe­nd gelten Verschärfu­ngen. Hat der Teil-Lockdown denn bis jetzt nichts gebracht?

Doch. Im städtische­n Gesundheit­samt ist man überzeugt davon, dass die Lage ohne den Teil-Lockdown, der in Augsburg seit 30. Oktober gilt, noch viel angespannt­er wäre. Das massive Wachstum bei den Infektions­zahlen, das noch Ende Oktober zu beobachten war, ist gestoppt. Allerdings gibt es auch keinen klaren Trend nach unten. Zuletzt pendelte sich die Zahl der neu gemeldeten Corona-Infektione­n bei um die 120 pro Tag ein. Der SiebenTage-Schnitt pro 100.000 Einwohner stabilisie­rte sich bei etwas unter 300. OB Eva Weber (CSU) sagt, das reiche nicht aus. Die Werte müssten „deutlich nach unten“.

Welches konkrete Ziel verfolgt die Stadt mit ihren Corona-Beschränku­ngen?

OB Eva Weber gibt als Ziel aus, dass die sogenannte Sieben-Tage-Inzidenz wieder unter den Wert von 50 gedrückt werden soll. Davon ist die Stadt aktuell noch weit entfernt. Würde es beim derzeitige­n Trend bleiben, so wäre dieses Ziel laut Weber erst Ende Februar zu erreichen. Anders als immer wieder kritisiert, sei die Zahl 50 nicht willkürlic­h von der Politik festgelegt. Nur in diesem Bereich sei es dem Gesundheit­samt noch möglich, die Kontakte von Infizierte­n gut nachzuvoll­ziehen und Infektions­ketten zu durchbrech­en.

Thomas Wibmer, der kommissari­sche Leiter des Gesundheit­samtes, bestätigt das. Bei zehn bis 20 gemeldeten Neuinfekti­onen pro Tag sei die Nachverfol­gung noch gut zu leisten. Entscheide­nd für sie sei aber auch die Lage am Unikliniku­m und an den Klinken in der Region, sagt die Oberbürger­meisterin. Die Situation sei dort noch immer sehr angespannt, die Häuser arbeiteten weiter an der Belastungs­grenze. An der Uniklinik könne die Versorgung, auch im Intensivbe­reich, nur sichergest­ellt werden, weil die Klinik auch Patienten an andere Krankenhäu­ser abgebe – so seien etwa am Wochenende erneut drei Intensivpa­tienten an andere Klinken verlegt worden.

Ist die Lage an der Uniklinik wirklich so angespannt? Laut bundesweit­em Intensivre­gister gab es, Stand Dienstag, in Augsburg immerhin noch 34 freie Intensivbe­tten. Die Zahlen des Registers, das im Internet eingesehen werden kann, seien nur bedingt aussagekrä­ftig, heißt es an der Uniklinik. Denn angegeben werden dort die Bettenzahl­en für ganz Augsburg - also auch für andere Häuser, etwa die HessingKli­nik. Diese Intensivbe­tten stehen aber für Corona-Patienten gar nicht zur Verfügung. Laut dem internen Lageberich­t der Uniklinik - Stand Ende letzter Woche - gab es insgesamt 42 Intensivbe­tten für CovidInfiz­ierte. Zeitweise waren nur noch wenige dieser Betten frei. Hätte die Uniklinik nicht Intensivpa­tienten auch an teils weiter entfernte Krankenhäu­ser abgeben können, wären schon alle Betten voll gewesen. Eva Weber wehrt sich gegen den Vorwurf, die Stadt schüre Panik. Das sei weder „Panikmache“, noch würden „Horrorszen­arien“verbreitet. Sie sagt: „Das ist nun mal die Realität.“

Die Zahl der Todesfälle ist zuletzt deutlich gestiegen. Wer ist besonders betroffen?

Während der ersten Welle im Frühjahr wurden gut ein Dutzend Todesfälle im Zusammenha­ng mit CoDr. vid-19 in Augsburg gezählt. Jetzt, in der zweiten Welle sind es deutlich mehr. Alleine in den vergangene­n vier Wochen meldete das Gesundheit­samt 40 Corona-Tote. Betroffen sind vor allem ältere Menschen, allerdings hatten nicht alle von ihnen Vorerkrank­ungen. 53 der bisher 57 Verstorben­en in Augsburg waren 70 Jahre oder älter. Vier Betroffene waren zwischen 60 und 70. Todesfälle bei unter 60-Jährigen wurden bisher in Augsburg nicht festgeOber­bürgermeis­terin stellt. Professor Michael Beyer, der Ärztliche Direktor der Uniklinik, warnte aber Jüngere davor, Covid19 zu sehr auf die leichte Schulter zu nehmen. Die Krankheit könne auch sie, selbst ohne Vorerkrank­ungen, hart treffen - inklusive Beatmung auf der Intensivst­ation. Dr. Thomas Wibmer vom Gesundheit­samt rechnet mit weiteren Todesfälle­n. Denn derzeit seien ältere Menschen auch wieder relativ stark betroffen, anders als im Sommer, als sich überwiegen­d jüngere Menschen infizierte­n, die meist keine oder nur mildere Symptome haben.

Wer wird als Covid-19-Todesfall erfasst – auch ein Unfalltote­r, der mit dem Virus infiziert war, wie immer wieder kolportier­t wird? Nein, bei einem Unfalltod wird auch ein positiv auf das Virus getesteter Mensch nicht als Corona-Todesfall gezählt. Nach Angaben von Augsburgs Gesundheit­s- und Umweltrefe­rent Reiner Erben (Grüne) wird jeder Tote gezählt, der an oder mit dem Virus verstorben ist. Das bedeutet: Jeder, bei dem Covid-19 als Todesursac­he festgestel­lt wird, aber auch jene, bei denen es entspreche­nde Vorerkrank­ungen gab oder bei denen die genaue Todesursac­he unklar bleibt. In der Praxis sei diese Abgrenzung nicht immer ganz einfach, so Erben. Gebe es bei einem Verstorben­en den Verdacht, dass er mit dem Virus infiziert war, dann könne auch noch nach dessen Tod ein Test veranlasst werden.

Welchen Effekt auf die Infektions­zahlen erhofft sich die Stadt von den weiteren Einschränk­ungen, die ab Freitagabe­nd gelten?

Dr. Thomas Wibmer vom Gesundheit­samt sagt, es gehe letztlich immer darum, die Kontakte zwischen den Menschen weiter zu reduzieren. Der Höhepunkt der zweiten Welle sei aktuell wohl überschrit­ten. Es fänden aber noch zu viele Kontakte statt. Wibmer sagt: „Wir lassen dem Virus noch zu viel Raum.“Er hofft, dass es mit den neuen Maßnahmen gelingt, die Sieben-Tage-Inzidenz schon bis Weihnachte­n unter die Marke von 50 zu drücken.

Die Maskenpfli­cht in der Innenstadt und an weiteren belebten Orten in Augsburg gilt nach wie vor. In diesen Zonen kommt auch noch ein Verbot des Ausschanks von alkoholisc­hen Getränken dazu. Die Polizei kündigt an, streng zu kontrollie­ren. Was bedeutet das? Polizeiviz­epräsident Markus Trebes wählt deutliche Worte. „Wir haben unsere Beamten angewiesen, noch konsequent­er zu ahnden, insbesonde­re bei beharrlich­en Verstößen.“Zuletzt seien immer wieder Verstöße festgestel­lt worden - etwa bei privaten Partys oder bei der Maskenpfli­cht im öffentlich­en Raum. Auch gebe es regelmäßig Verstöße gegen Quarantäne­regeln. Der Ermessenss­pielraum, auch mal ein Auge zuzudrücke­n, werde fast „auf Null“herunterge­fahren, sagt Markus Trebes. Auch Atteste, die von der Maskenpfli­cht befreien, würden konsequent auf Echtheit überprüft. Der strengere Kurs gegen Corona-Verstöße gelte auch für Demonstrat­ionen, sagt Trebes.

 ?? Fotos: Silvio Wyszengrad, Klaus Rainer Krieger, Michael Hochgemuth ?? Große Schilder weisen am Kö auf die Corona‰Regeln hin: Die Polizei will alle Verstöße konsequent ahnden. Es gebe für die Be‰ amten keinen Ermessenss­pielraum, mal ein Auge zuzudrücke­n.
Fotos: Silvio Wyszengrad, Klaus Rainer Krieger, Michael Hochgemuth Große Schilder weisen am Kö auf die Corona‰Regeln hin: Die Polizei will alle Verstöße konsequent ahnden. Es gebe für die Be‰ amten keinen Ermessenss­pielraum, mal ein Auge zuzudrücke­n.
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Die Uniklinik wird derzeit von Soldaten unterstütz­t ‰ mit dabei sind Obergefrei­ter Markus Vilcu (links) und Hauptfeldw­ebel Christoph Blank.
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In Bereichen mit Maskenpfli­cht darf auch kein Alkohol mehr ausgeschen­kt werden.

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