Koenigsbrunner Zeitung

Wie Corona das Verhalten der Menschen verändert

Aus Angst vor der Seuche ziehen sich viele ins Private zurück. Das hat der Soziologe Jens Luedtke beobachtet. Er warnt vor den Folgen. Doch wie sehr halten sich die Menschen im Landkreis Augsburg an die Regeln?

- VON PIET BOSSE

Landkreis Augsburg Freunde, Verwandtsc­haft, enger Familienkr­eis: Das soziale Umfeld vieler Menschen im Augsburger Land hat sich während der Corona-Pandemie verändert. „Wir ziehen uns auf das Nahfeld zurück“, sagt Jens Luedtke, Leiter des Lehrstuhls Soziologie an der Uni Augsburg. „Die Menschen sind zusammen, aber sie sind in Kleingrupp­en gewisserma­ßen verinselt. Der Kontakt dazwischen bricht möglicherw­eise etwas ab.“

Der Soziologe sieht darin eine Gefahr. „Ich kann das Virus eindämmen, aber es kann sein, dass die Gesellscha­ft kaputtgeht, wenn die Menschen keine Kontakte mehr untereinan­der haben“, sagt Luedtke. kritisiert: Die Politik hätte besser kommunizie­ren müssen, wie gefährlich Covid-19 ist. Vielleicht wäre es auch besser gewesen, die Bevölkerun­g von Anfang an auf länder gere Maßnahmen einzustell­en. Mit kurzfristi­gen Regeln wie einem „Lockdown light“gebe man den Menschen immer wieder die Hoffnung, nur kurz durchhalte­n zu müsEr sen. Luedtke sagt: „Ich fürchte, damit wird es nicht getan sein. Wir werden uns darauf einstellen müssen, dass wir unsere Lebenssitu­ation für eine längere Zeit den veränderte­n Bedingunge­n anpassen.“

Dazu gehört, sich an die geltenden Corona-Vorschrift­en zu halten. Geht es nach der Statistik der Polizei, haben die Menschen im Augsburger Land das verinnerli­cht. Das Polizeiprä­sidium Schwaben Nord erfasste im Landkreis Augsburg im ersten Monat des ersten Lockdowns im Frühjahr noch knapp 800 Regelverst­öße. Seit dem 22. Oktober sind es in einem Monat knapp 230 Verstöße. Allerdings waren die CoronaVors­chriften im Frühjahr deutlich schärfer.

Restaurant­s, Freizeitmö­glichkeite­n oder Schulen wurden damals geschlosse­n. So etwas gehe ganz allgemein an den Menschen nicht spurlos vorbei, sagt Soziologe Luedtke. Die Zufriedenh­eit mit dem Leben und Partnersch­aft sinke und bei Eltern steige die Belastung. Kinder und Jugendlich­e bedrücke die Unsicherhe­it, ob man überhaupt zur Schule gehen könne. „Für sie hat es Folgen, wenn sie von ihren Kontakten ausgesperr­t werden. Sie sind für die Entwicklun­g enorm wichtig“, sagt Luedtke.

Eine weitere Belastung: soziale Ungleichhe­iten. Die sind durch Corona gestiegen: Mütter hätten auch bei gleicher Arbeitszei­t wie die Väter ihre Betreuungs­zeit erhöht, sagt Luedtke. „Frauen haben eine höhere Belastung, das gilt auch in vielen Familien, wo die Arbeitstei­lung vor Corona ausgeglich­en war.“

Diese Ungleichhe­it sei nicht der einzige Unterschie­d: Die Arbeitslos­igkeit steige im Vergleich zum Februar bis Jahresende an. Luedtke: „Je länger die Pandemie dauert, desto mehr stehen wir vor ganz erhebliche­n gesellscha­ftlichen Umbrüchen.“»Kommentar

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Symbolfoto: Arne Dedert, dpa Ein Bild, an das wir uns wohl noch länger gewöhnen müssen: Das Tragen einer Maske ist inzwischen alltäglich geworden.

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