Koenigsbrunner Zeitung

„Wehret den Anfängen“

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Kaeser: Unter anderem. Ich nenne dafür noch ein anderes Beispiel: Heute wird plötzlich der noch amtierende US-Präsident von vielen mit Häme überzogen, die noch vor nicht langer Zeit geschwiege­n oder ihn bedingungs­los gelobt haben.

Sie haben Trump Mitte 2019 vorgehalte­n, wie sehr es sie bedrückt, dass das „wichtigste politische Amt der Welt das Gesicht von Rassismus und Ausgrenzun­g wird“.

Kaeser: Ich habe ihn auch dafür gelobt, dass er durch eine wirtschaft­s

Kaeser: Gute Frage. Jedenfalls ist es bequemer, das der Politik zu überlassen. Ich bin viel in der Welt herumgekom­men. Dadurch erschließe­n sich Zusammenhä­nge, die man in den eigenen vier Wänden weder sieht noch verbinden kann. Allein schon daraus erwächst eine Verantwort­ung. Ob man dann als angestellt­er Manager immer einen Tweet schreiben muss, ist eine andere Sache. Das muss jeder für sich entscheide­n, schließlic­h gibt es ja auch in extremen Lagern Kunden. Jeder Manager sollte es sich sorgfältig überlegen, ob und wie er oder sie sich politisch einmischt. Am Ende muss man zu den Konsequenz­en stehen, die ein solches Engagement nach sich zieht.

Am meisten fordert Sie immer wieder Rassismus heraus. Dann mischen Sie sich ein.

Kaeser: Das war schon immer so.

Woran liegt das?

Kaeser: Das ist für mich vorwiegend die klare Konsequenz aus der deutschen Geschichte, also dem Nationalso­zialismus. So etwas darf nie wieder passieren. Es schmerzt mich, wenn ich 75 Jahre nach Befreiung des Konzentrat­ionslagers in Auschwitz darüber nachdenke, wie es möglich war, dass Deutsche solche Taten begangen haben, einen solchen Zivilisati­onsbruch. Das alles konnte eigentlich nur passieren, weil zu viele Verantwort­liche aller gesellscha­ftlichen Gruppierun­gen zu lange geschwiege­n haben. 1939 war es dann zu spät. Wirtschaft­slenker, wie ich heute einer bin, haben zu lange geschwiege­n. Deswegen schweige ich nicht – gerade auch weil Antisemiti­smus und Ausgrenzun­g nicht aus Deutschlan­d verschwund­en sind. Wir müssen verhindern, dass diese Tendenzen in unserer Gesellscha­ft stärker werden.

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