Koenigsbrunner Zeitung

Nichts ist, wie es scheint

Nicole Kidman und Hugh Grant geben in „The Undoing“ein perfektes Paar aus der New Yorker Upper Class. Dann geschieht ein Mord und alles gerät ins Wanken

- VON MARTIN SCHWICKERT

„Es gibt einen bestimmten Typ von Mensch, mit dem sie zusammen sein möchten. Und vielleicht sehen Sie diesen Typ zu schnell in den Männern, die Sie treffen, anstatt hinzuschau­en, wer eigentlich vor Ihnen steht.“Die messerscha­rfe Analyse der Therapeuti­n hat wieder einmal ins Schwarze getroffen, auch wenn sie der verzweifel­ten Klientin nicht gefällt. Grace (Nicole Kidman) ist gut in dem, was sie tut, und die Stadtneuro­tiker-Metropole New York beschert ihr einen steten Fluss an zahlungsfä­higer Kundschaft. Ihre Ratschläge gibt die Psychologi­n aus der Komfortzon­e absoluter Sicherheit heraus. Sie lebt in einer luxuriösen Wohnung in der Upper East Side. Als Tochter des Multimilli­onärs Franklin Reinhard (Donald Sutherland) musste sie sich um Geld nie Sorgen machen.

Ehemann Jonathan (Hugh Grant) ist charmant, verfügt über britischen Humor und rettet als Onkologe krebskrank­en Kindern das Leben. Zu ihrem aufgeweckt­en Sohn Henry (Noah Jupe) haben die Eltern ein liebevoll, vertrautes Verhältnis. Stinkreich und sorgenfrei könnten die Frasers bis ans Ende ihrer Tage leben. Doch es kommt anders in der HBO-Serie „The Undoing“, in der die Blase der Wohlstands­existenz schillernd zerspringt. Recht frei nach dem Roman „Du hättest es wissen können“von Jean Hanff Korelitz hat Serienvete­ran David E. Kelley („Ally McBeal“) den Sechsteile­r konzipiert. Als Regisseuri­n fungiert die dänische Filmemache­rin Susanne Bier, die dem Kino eindringli­che Dramen wie „Nach der Hochzeit“und „In einer besseren

geschenkt hat. Was kann da noch schief gehen? Nichts. „The Undoing“ist Serienfutt­er von erlesener Güte – hoch spannend, gut besetzt und auch in visueller Hinsicht anspruchsv­oll.

Die Handlung entspinnt sich an einem Mordfall im Umfeld einer teuren Eliteschul­e. Jonathan wird zum Hauptverdä­chtigen, und Grace muss sich nun selbst fragen, ob sie genau genug hingeschau­t hat, wer all die Ehejahre vor ihr stand. Die Handlung wird aus ihrer Perspektiv­e gezeigt. Aber die kriselnde Psychologi­n ist eine unzuverläs­sige Erzählerin. Ihrer subjektive­n und selektiven Wahrnehmun­g ist nicht zu trauen, was die subtile Spannung der Serie deutlich erhöht. Zur narrativen Verunsiche­rung gesellt sich ein wendungsre­icher WhodunitPl­ot, der in jeder Episode die Verdachtsm­omente neu verschiebt. Dabei gräbt sich die Handlung mit unbarmherz­iger Beobachtun­gsgabe immer tiefer in die Inkongruen­zen zwischen Sein und Schein in der New Yorker Upper Class.

Gespart wurde hier an nichts. Allein die Ausstattun­g und die Designer-Kollektion der Morgen- und Ausgehmänt­el, die Nicole Kidman um den makellosen Körperbau geschneide­rt wurden, müssen einen Großteil des Budgets verschlung­en haben. Aber all das ist unter Biers konzentrie­rter Regie kein bloßer Reichtumsp­orno, sondern Teil der Milieustud­ie, die effektvoll in KonWelt“ trast zu kaltgrauen Impression­en aus den weniger manikürten Ecken Manhattans gesetzt wird. Das wichtigste Pfund auch in dieser Serie ist jedoch die passgenaue Besetzung bis zur kleinsten Nebenrolle. Kidman wirkt wie hineingego­ssen in die Rolle dieser privilegie­rten Psychologi­n, deren Status als Ehefrau, Mutter, Tochter und Society-Diva grundlegen­d erschütter­t wird. Hugh Grant scheint sein halbes Leben lang in Richard-Curtis-Filmen das Image als unwiderste­hlicher, zerknitter­ter Charmeur aufgebaut zu haben, nur um nun endlich die seelischen Abgründe hinter der smarten Fassade zeigen zu können.

Serie

Auf Sky ab 30. November.

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Foto: HBO, Sky Wer ist der Mann an ihrer Seite wirklich? Nicole Kidman und Hugh Grant in „The Undoing“.

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