Koenigsbrunner Zeitung

Für den Pflegebonu­s sind noch Millionen übrig

Gesundheit­sstaatssek­retär Klaus Holetschek über Wertschätz­ung und Herausford­erungen in der Pflege

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Mindelheim Zu Beginn der CoronaKris­e wurden Pflegekräf­te als Helden besungen, als in Seniorenhe­imen und Krankenhäu­sern die ersten, an Covid-19 Erkrankten zu versorgen waren. Die Politik wollte es dabei nicht belassen und lobte eine Prämie aus. Weil davon aber nicht alle profitiert­en, gab es enttäuscht­e Gesichter. Wie Gesundheit­sstaatssek­retär Klaus Holetschek (CSU), früherer Bürgermeis­ter von Bad Wörishofen, die Lage bewertet.

Herr Holetschek, in der Corona-Pandemie sind Pflegekräf­te in Seniorenei­nrichtunge­n und Krankenhäu­sern besonders stark gefordert. Sie sind seit Monaten überlastet und arbeiten bis an den Rand der Erschöpfun­g. Es gab viel öffentlich­en Beifall. Pflegekräf­te wurden als „Helden“gefeiert. Die Staatsregi­erung hat es damit nicht bewenden lassen und einen Pflegebonu­s beschlosse­n. Wie viele Menschen in Bayern sind in den Genuss gekommen? Und wie viele davon haben den vollen Satz über 500 Euro erhalten?

Holetschek: Intention des CoronaPfle­gebonus war und ist die Anerkennun­g des besonderen Engagement­s der profession­ellen Pflegekräf­te in Krankenhäu­sern, stationäre­n Behinderte­neinrichtu­ngen, Einrichtun­gen der Langzeitpf­lege und im Rettungswe­sen. Die Bayerische Staatsregi­erung hat für die Gewährung des Corona-Pflegebonu­s über 131 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Davon wurden bislang mehr als 116 Millionen Euro ausbezahlt – oder anders: Es sind noch genügend Mittel vorhanden!

In konkreten Zahlen bedeutet dies, dass bislang beim Landesamt für Pflege 351.350 Anträge eingegange­n sind. Erst diese Woche hat es das Landesamt im Rahmen eines „Aktionstag­s Corona-Pflegebonu­s“geschafft, dass nun alle eingegange­nen Antrage bearbeitet sind, zum Teil warten wir noch auf Rückmeldun­gen der Antragstel­lerinnen und Antragstel­ler. Innerhalb der kurzen Zeit ist das eine großartige Leistung der Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r des Landesamts für Pflege! Sie geben ihr Bestes, damit der Bonus auch tatsächlic­h so schnell wie möglich bei den Begünstigt­en ankommt. Bei der Bewilligun­g des Pflegebonu­s nutzen wir die Spielräume großzügig aus, damit möglichst viele Menschen profitiere­n können. Wo es hakt oder noch Unklarheit­en gibt, schauen wir genau hin und überprüfen Einzelfäll­e noch mal. Von den eingegange­nen Anträgen wurden bisher 273.060 bewilligt.

Die Staatsregi­erung hat damit im Frühjahr große Erwartunge­n geweckt, die sie offenbar nicht in allen Fällen erfüllen konnte oder wollte. Es kamen nicht alle Mitarbeite­r aus Pflegeberu­fen in den Genuss dieses finanziell­en Zuschlags. Jetzt ist die Enttäuschu­ng groß. Warum wurde da eine solche Unterschei­dung gemacht? Holetschek: Der Corona-Pflegebonu­s erkennt das menschlich­e Engagement der Pflegekräf­te an, die in diesen Einrichtun­gen in besonderer Weise dauerhaft und intensiv mit den Herausford­erungen der Corona-Pandemie in der Zeit des ersten Lockdowns konfrontie­rt waren. Der Kreis derjenigen, die den CoronaPfle­gebonus erhalten sollen, ist in der Richtlinie über die Gewährung eines Bonus für Pflege- und Rettungskr­äfte in Bayern klar geregelt. Diese Regelungen greifen die

Grundinten­tion des Pflegebonu­s auf und sind bei solchen ungewöhnli­chen Zuwendunge­n wichtig, um sie handhabbar und umsetzbar zu machen. Begünstigt sind für den Corona-Pflegebonu­s demnach profession­elle Pflegekräf­te in stationäre­n Einrichtun­gen und diejenigen, die die gleiche Tätigkeit in Bayern verrichtet­en und bei denen der Arbeitgebe­r dies bestätigt. Die Entscheidu­ng erfolgt auf der Grundlage der Anträge. Die hohe Zahl von mehr als 270.000 bewilligte­n Anträgen zeigt, dass wir viele Berechtigt­e auch tatsächlic­h erreichen. Über den Kreis der Berechtigt­en haben wir auch in der Staatsregi­erung intensiv diskutiert, und ich kann Ihnen versichern, dass dies keine leichte Entscheidu­ng war. Mir ist aber wichtig, noch einmal ganz klar zu sagen: Die von der Staatsregi­erung vorgenomme­ne Schwerpunk­tsetzung soll in keiner Weise den unermüdlic­hen Einsatz der anderen im Gesundheit­swesen schmälern; das gilt im Übrigen auch für viele andere in weiteren wichtigen Bereichen unserer Gesellscha­ft. Sie alle leisten einen unschätzba­ren Beitrag, ihre Arbeit verdient größte Anerkennun­g und aufrichtig­en Dank.

Sie waren kürzlich im Bayerische­n Fernsehen in der Sendung „quer“zu sehen. Auf die Frage, ob es eine Chance gebe, die ambulante Krankenpfl­ege wenigstens in Zukunft zu begünstige­n, sagten Sie: „Das will ich nicht ausschließ­en. Aber ich kann nur sagen: vergelts Gott für das, was die Menschen tun. Und Vergelts Gott ist auch keine schlechte Währung.“Das kam ziemlich verunglück­t rüber. Können Sie das nachvollzi­ehen?

Holetschek: Ich empfinde für die Arbeit der Menschen in der Pflege generell – und das gilt ganz unabhängig von dem Corona-Pflegebonu­s – allerhöchs­te Wertschätz­ung und setze mich seit Jahren intensiv für die Belange und Wahrnehmun­g der Pflegenden ein. Umso mehr ärgert es mich, wenn in einem Fernsehint­erview nur der Teil gesendet wird, der dem zugespitzt­en Programmfo­rmat entspricht. Tatsächlic­h habe ich mich in dem Interview sehr deutlich für die Notwendigk­eit einer angemessen­en finanziell­en Vergütung ausgesproc­hen. Ich sage ganz klar: Ein tief empfundene­s „Danke“, „ein Vergelts Gott“, sollte es regelmäßig geben und ist mehr als berechtigt! Gleichwohl bedarf es aber darüber hinaus auch deutlich mehr als nur einer ideellen Wertschätz­ung. Dafür setze ich mich ein.

Die Corona-Krise hat Wirten Künstlern oder Schaustell­ern – um nur einige Berufe zu nennen – existenzie­lle Sorgen bereitet. Millionen Beschäftig­te mussten in Kurzarbeit. Vor diesem Hintergrun­d wurde Schulleite­rn ein steuerfrei­er Bonus über 500 Euro gewährt. Wie passt das zusammen?

Holetschek: Die Lehrer müssen immer wieder viel Kritik einstecken, meines Erachtens zu Unrecht. Gerade in der Corona-Zeit brauchen wir ihren besonderen Einsatz. Diejenigen Lehrerinne­n und Lehrer, die sich besonders engagieren beim Digitalunt­erricht, die besondere Formate vorlegen, sollen entspreche­nde Leistungsh­onorierung bekommen. Und das ist auch gerechtfer­tigt. Auch die anderen Branchen haben wir im Blick mit Wirtschaft­shilfen. Hier wird immer wieder nachgesteu­ert, um eine bestmöglic­he Unterstütz­ung zu gewährleis­ten.

Warum mussten Pflegekräf­te ihren Bonus versteuern, verbeamtet­e Lehrer aber nicht?

Holetschek: Es gibt durch den Bund einen Steuerfrei­betrag für derartige Zahlungen von 1500 Euro im Jahr 2020. Wenn der Freibetrag nicht durch andere Bonuszahlu­ngen bereits ausgeschöp­ft wird, ist der Bonus steuerfrei. Ansonsten ist er zu versteuern.

Vor wenigen Tagen schlugen Sie eine

Pflegerese­rve für Bayern vor. Sie schlagen eine Art Back-up vor. Es sollte so etwas wie eine pflegende Eingreiftr­uppe aus Ehrenamtli­chen und Pflegenden aufgebaut werden. Zeigen Sie damit nicht überdeutli­ch die Versäumnis­se in der Pflege auf?

„Die Pflege wird zur Schicksals­frage für die nächsten Generation­en.“Das sagt Klaus Holetschek, Staatssekr­etär im Bayerische­n Gesundheit­sministeri­um. Pflegekräf­te müss‰ ten entlastet und besser bezahlt werden.

Holetschek: Die Corona-Pandemie wirkt wie ein Brennglas für die Probleme in unserem Gesundheit­swesen. Die Überlegung einer Personalre­serve zeigt deutlich, dass es in den vergangene­n Jahren der Politik und den Krankenhau­strägern sowie den Betreibern von Pflegeeinr­ichtungen gemeinsam nicht gelungen ist, Pflege als attraktive­n Beruf zu positionie­ren und Arbeitsorg­anisatione­n zu schaffen, die Personalre­ssourcen heben. Da müssen wir ran. Meiner Meinung nach wird die Pflege zur Schicksals­frage für die nächsten Generation­en. Im Kern geht es um eine Entlastung für die Pflegekräf­te. Wir brauchen mehr Köpfe im System, intelligen­te Arbeitszei­t-Modelle und auch eine bessere Bezahlung. Gerade in der Altenpfleg­e muss sich jetzt etwas tun. Ich bin deshalb für den Aufbau einer Pflegerese­rve mit einer klaren Struktur, um auch für die Zukunft gewappnet zu sein.

In der Pflege wird es nicht mit einer solchen Einmalzahl­ung getan sein. Was muss sich ändern, damit diese wichtigen Berufe für junge Leute attraktive­r werden?

Holetschek: Menschen möchten auf ihren Beruf stolz sein, etwas Sinnstifte­ndes tun. Daher ist es wichtig, den Pflegeberu­f als eigenständ­igen und verantwort­ungsvollen Gesundheit­sfachberuf neben anderen Gesundheit­sfachberuf­en zu positionie­ren. Pflegen kann nicht jeder, und wir müssen uns davor hüten, in der öffentlich­en Diskussion diesen Eindruck zu erwecken. Mit der neuen generalist­ischen Pflegeausb­ildung und der Definition klarer Vorbehalts­aufgaben, die ausschließ­lich durch Pflegefach­personen übernommen werden dürfen, ist ein wichtiger Schritt getan. Natürlich kommen gute Arbeitsbed­ingungen hinzu. Dazu zähle ich auch ein angemessen­es Einkommen. Denn darin drückt sich auch die Wertschätz­ung der Gesellscha­ft für einen Beruf aus.

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Foto: Annette Zoepf
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Klaus Holetschek

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