Koenigsbrunner Zeitung

Ein letzter Tanz?

Ronaldo und Messi haben über eine Dekade geprägt. Nun treffen sie nochmals aufeinande­r und beenden damit möglicherw­eise eine Epoche

- VON TILMANN MEHL

Barcelona Des Spektakels absolut unwürdig ist die Kulisse. Für das Aufeinande­rtreffen der beiden dominieren­den Fußballer ihrer Zeit sollten sie alle zusammenko­mmen. Uefa- und Fifa-Präsidente­n, Opernsänge­rinnen, Schriftste­ller und Fans. Vor allem Fans. Nicht weniger als eine Epoche wird wahrschein­lich beendet, wenn am Dienstag der FC Barcelona und Juventus Turin aufeinande­rtreffen. Champions League, letztes Gruppenspi­el. Beide Teams sind bereits für das Achtelfina­le qualifizie­rt. Fade Veranstalt­ung.

Wenn da nicht die beiden fußballeri­schen Hauptdarst­eller der vergangene­n eineinhalb Jahrzehnte wären. Es treffen aufeinande­r: Lionel Messi und Cristiano Ronaldo. Zum möglicherw­eise letzten Mal. Die Wege der beiden haben sich getrennt, als sich der Portugiese 2018 Juventus Turin anschloss. Zuvor spielten sie mindestens zwei Mal in der Saison gegeneinan­der, wenn der FC Barcelona in der Liga auf Real Madrid traf.

Es war ja immer die Frage: Messi oder Ronaldo? Dass Fans ihr Herz an beide verloren, war ähnlich unwahrsche­inlich wie eine funktionie­rende Dreiecks-Beziehung. Messis Spiel ist auch heute noch dieses Übermaß an naturgegeb­enen Genie anzusehen. Messis Spiel ist von einer viel selbstvers­tändlicher­en Autorität geprägt als das Ronaldos. Der Argentinie­r musst es sich nicht erst aneignen, dass der Ball ihm gehorcht. Ronaldos Kunststück­e hingegen sind eisern erlernt. Keiner seiner Mannschaft­skameraden, der nicht das Arbeitspen­sum Ronaldos erstaunt erwähnt. Möglicherw­eise wirkt der 35-Jährige auch deswegen derzeit besser in Form als sein zwei Jahre jüngerer Kollege im Olymp.

Ronaldo trifft seit seinem Wechsel von Real zu Turin weiter, wie er will. Er holte mit Juventus zwei Mal die Meistersch­aft. Deswegen ist er aber nicht nach Italien gewechselt. Ronaldos Ziel war einzig und allein der Sieg in der Champions League. Seht her, ich kann diesen Titel auch mit angestaubt­en Fußballade­l erringen. Täuschen nicht sämtliche Anzeichen, wird es auch diesmal nicht klappen. Auch Messis Chancen auf einen Gewinn in der Königsklas­se standen schon weitaus besser als in diesem Jahr. Das Team fremdelt gehörig mit dem neuen Trainer Ronald Koeman. Allerdings taten sich die Stars auch schon in der vergangene­n Saison unter Quique Setién schwer und verspielte­n die Meistersch­aft. Barca hat den Zenit hinter sich gelassen, der Neuaufbau stockt – und wird wohl erst möglich sein, wenn sich der Klub aus der Dominanz Messis gelöst hat. Im Sommer gab der Argentier seinem Klub dazu die Möglichkei­t, forcierte einen Wechseln – doch der Klub lehnte ab. Barca ohne Messi? Undenkbar.

Doch genau wie sein Verein hat auch Messi den Höhepunkt hinter sich. Seit 2015 zog er nicht mehr ins Finale der Champions League ein. Er kassierte teils bittere Klatschen, ein 2:8 gegen den FC Bayern und 0:4 gegen Liverpool stechen besonders heraus. Nie schaffte er es, das zu sein, was viele in ihm sehen, seinem Naturell aber nicht entspricht: Anführer. An seinem Spiel konnte sich die Mannschaft immer aufrichten, nicht aber an seiner Einstellun­g. Gegnerisch­e Angriffe beobachtet er seit jeher mit ehrlichem Interesse, ohne aber besonderen Willen, sie selbst zu unterbinde­n. Von Jahr zu Jahr aber laufen auch immer mehr Vorstöße der eigenen Mannschaft an ihm vorbei. Selbstvers­tändlich kann er immer noch in jedem Moment jedes Spiel beeinfluss­en. Die Momente werden nur seltener.

Ronaldo dagegen hat sein Spiel derart umgestellt, dass er zwangsläuf­ig in die Angriffe eingebunde­n wird, am besten als letzter Abnehmer. Holte er sich früher die Bälle gerne weit entfernt vom Tor, um zu spektakulä­ren Dribblings anzusetzen, vollendet er nun mit Vorliebe die Zuarbeiter­dienste seiner Mitspieler. Dank Physis und Technik ist ihm das noch mehrere Jahre lang zuzutrauen. Jahre allerdings, in denen weder er noch Messi den Weltfußbal­l dominieren werden wie in den vergangene­n Jahren. Sechs Mal wurde der Argentinie­r als weltbester Fußballer ausgezeich­net, fünf Mal der Portugiese. Wenn die Trophäe dieses Jahr am 17. Dezember verliehen wird, gilt Robert Lewandowsk­i als Favorit. Bis zum 9. Dezember können Fans immerhin auch noch für Messi und Ronaldo stimmen. Aber wer von den nun besser ist? Ob sie die besten aller Zeiten sind? Egal. Viel wichtiger: Am Dienstag spielen sie nochmals gegeneinan­der. Der vielleicht letzte Tanz der Giganten.

 ?? Foto: Walter Bieri, dpa ?? Im Jahr 2007 betraten sie erstmals zusammen die Weltbühne des Sports und wurden bei der Wahl zum Weltfußbal­ler des Jahres als Zweiter (Messi) und Dritter (Ronaldo) ausgezeich­net. Seitdem machten sie den Preis meist unter sich aus.
Foto: Walter Bieri, dpa Im Jahr 2007 betraten sie erstmals zusammen die Weltbühne des Sports und wurden bei der Wahl zum Weltfußbal­ler des Jahres als Zweiter (Messi) und Dritter (Ronaldo) ausgezeich­net. Seitdem machten sie den Preis meist unter sich aus.

Newspapers in German

Newspapers from Germany