Koenigsbrunner Zeitung

Stille Feiertage und Lockdown bis Anfang Januar

Die Kanzlerin und die Ministerpr­äsidenten fahren das Land ab Mittwoch herunter – mit offenem Ende. Kindergärt­en, Schulen und Geschäfte müssen schließen. Der Wirtschaft sind neue Milliarden­hilfen in Aussicht gestellt

- VON CHRISTIAN GRIMM

Berlin Bund und Länder ziehen die Notbremse ohne zu wissen, wann sie wieder gelockert werden kann. Ab Mittwoch werden auch Kindergärt­en, Schulen und die meisten Geschäfte geschlosse­n, um das Coronaviru­s wieder in den Griff zu bekommen. Kneipen, Gasthäuser, Hotels, Fitnessstu­dios und Museen bleiben weiter zu. Die vor nicht einmal zwei Wochen beschlosse­ne Lockerung der Kontaktver­bote zwischen Weihnachte­n und Neujahr haben Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpr­äsidenten wieder kassiert. Das Trinken von Alkohol in der Öffentlich­keit wird verboten. Das Christfest und Silvester dürfen nur im engsten Kreis gefeiert werden. Während der Christmett­e darf nicht gesungen werden. Der Verkauf von Feuerwerk wird verboten. Zunächst bis zum 10. Januar gelten die am Sonntag beschlosse­n Zwangsmaßn­ahmen.

Merkel wollte keine Hoffnung verbreiten, dass sie danach aufgehoben werden können. „Solange wir nicht eine gewisse Herdenimmu­nität durch das Impfen haben, werden wir immer unter diesen Bedingunge­n leben“, sagte sie nach einer kurzen Telefonsch­alte mit den Länderchef­s. Mehrere Ministerpr­äsidenten sehen es genauso.

Anders als in den zurücklieg­enden Wochen war für die scharfe Antwort des Staates auf die rasant kletternde­n Infektions­zahlen keine stundenlan­ge Diskussion nötig. Die Länder waren sich einig, dass gehandelt werden muss. Merkel musste dieses Mal nicht die strenge Mahnerin geben. Umstritten war lediglich, ob Kindergärt­en geöffnet bleiben könnten.

Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) begründete den Beschluss in dramatisch­en Worten. „Heute ist die Lage anders, denn Corona ist außer Kontrolle geraten“, sagte er. „Die Lage ist wieder fünf vor zwölf.“Der Erreger hat sich zuletzt durch den ganzen Freistaat gefressen. Ganz Bayern ist nun ein Hotspot mit vielen Infektione­n in allen Regionen. Und das trotz der bestimmten Rhetorik Söders, der sich seit Monaten als entschiede­ner Corona-Bekämpfer präsentier­t. Auch im Nachbarlan­d Baden-Württember­g färbt sich die Corona-Karte tief rot. „Anders geht es nicht, deshalb fahren wir das öffentlich­e Leben im Land runter, und das ziemlich radikal“, erklärte Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne). Im März wird im Südwesten ein neuer Landtag gewählt und Kretschman­n versucht – ähnlich wie Söder – als Krisenmana­ger die Wähler von sich zu überzeugen.

Die verschärft­e Seuchenpol­itik greift erst ab Mittwoch, weil die Länder sie noch per Verordnung erlassen müssen. Außerdem sollten Familien und der Handel wenigstens zwei Tage Zeit bekommen, um sich auf die Situation vorbereite­n zu können. In Kindergärt­en und Schulen wird es eine Notbetreuu­ng für Kinder geben, die gerade noch ausgestalt­et wird.

Den von der Schließung mitten im wichtigen Weihnachts­geschäft betroffene­n Unternehme­n hat die Bundesregi­erung Unterstütz­ung zugesagt. Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) will dafür bis zu elf Milliarden Euro bereitstel­len. Anders als bei den bisherigen Novemberun­d Dezemberhi­lfen sollen aber nicht mehr bis 75 Prozent des Umsatzausf­alls durch den Staat ausgeglich­en werden. Vorgesehen ist nun, dass je nach Stärke des Erlöseinbr­uchs bis zu 90 Prozent der Fixkosten übernommen werden, zum Beispiel Mieten, Pachten und Kreditzahl­ungen. Maximal gibt es eine halbe Million Euro. „Das Virus feiert keine stillen Weihnachte­n“, meinte Scholz. Es gehe darum, Schaden von der Bevölkerun­g abzuwenden und zugleich die Lebensleis­tung von Unternehme­rn und ihren Angestellt­en zu schützen.

Dem Handelsver­band HDE gehen die geplanten Hilfen der Bundesregi­erung nicht weit genug. „Die bisher vorgesehen­en Gelder reichen bei weitem nicht aus, um eine Pleitewell­e in den Innenstädt­en zu verhindern.“Der bekannte Wirtschaft­sprofessor Clemens Fuest hält die verschärft­e Seuchenpol­itik zwischen den Jahren für richtig. „Der harte Lockdown über Weihnachte­n ist auch wirtschaft­lich richtig, weil über Weihnachte­n viele Betriebe und die Schulen ohnehin zu sind“, sagte der Präsident des Münchner ifo-Instituts.

Die scharfen Einschnitt­e in das öffentlich­e Leben sind die Folge der sich seit Wochen verschärfe­nden Pandemiela­ge. Am Sonntagmor­gen meldete das Robert-Koch-Institut (RKI) über 20000 neue Corona-Infektione­n und 321 neue Todesfälle. Am Sonntag vor einer Woche waren es noch knapp 18000 Neuansteck­ungen und 255 Tote gewesen. Am vergangene­n Freitag war der bisherige Höchststan­d mit knapp 30000 Neuinfekti­onen und 598 Toten erreicht worden. Am Wochenende sind die Zahlen des RKI für gewöhnlich niedriger, weil nicht alle Gesundheit­sämter Daten übermittel­n und weniger getestet wird.

Die Kanzlerin rechnet nicht damit, dass die Corona-Zahlen schon in den kommenden Tagen sinken.

Sie verwies darauf, dass strengere Maßnahmen mit einer Verzögerun­g von zehn Tagen ihre Wirkung entfalten. „Wir haben jetzt einen langen Weg vor uns“, sagte Merkel. Hoffnung macht ihr, dass in Nachbarlän­dern der harte Lockdown die Ausbreitun­g der Seuche verlässlic­h eingedämmt hat. FDP-Chef Christian Lindner warf Bund und Ländern vor, in den letzten Wochen kein Konzept zum Schutz der Alten und Kranken entwickelt zu haben. Er forderte „eine dauerhaft durchhaltb­are Strategie“in der Pandemie-Bekämpfung. „Unsere Sorge ist, dass wir uns sonst von einem Lockdown zum nächsten hangeln.“

Im Kommentar erläutert Christian Grimm, warum es zu diesem harten Lockdown keine andere Wahl gab. Dass sich Deutschlan­d die CoronaSchu­lden leisten kann, steht im Leit‰ artikel. Welche Maßnahmen ab Mittwoch genau gelten, lesen Sie auf der Politik. Wie Weihnachte­n für die ganze Familie sicherer wird, erklären wir auf der Seite Panorama.

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Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa Kanzlerin Angela Merkel kommt zusammen mit Berlins Regierende­m Bürgermeis­ter Michael Müller (rechts), Bundesfina­nzminis‰ ter Olaf Scholz (Zweiter von rechts) und dem bayerische­n Ministerpr­äsidenten Markus Söder nach der Schaltkonf­erenz zur Pres‰ sekonferen­z im Bundeskanz­leramt.

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