Koenigsbrunner Zeitung

Deutschlan­d kann sich die Corona-Schulden leisten

Der Staat muss derzeit Kredite aufnehmen wie sonst nur in Kriegszeit­en. Die jüngere Geschichte zeigt, dass sie selten getilgt werden und keine Sparpoliti­k nötig ist

- VON CHRISTIAN GRIMM ghc@augsburger‰allgemeine.de

Es regnet Milliarden. Milliarden für Gasthäuser und den Handel, Milliarden für das Gesundheit­ssystem, Milliarden für die Kurzarbeit. Es kann einem schwindeli­g werden. Die Milliarde ist eine Zahl mit neun Nullen. Sie ist die neue Maßeinheit, wenn es darum geht, die wirtschaft­lichen Folgen der Corona-Pandemie zu bemessen. Der Bundesfina­nzminister bietet viele Milliarden auf, damit die Konjunktur nicht ungebremst abstürzt und Millionen Arbeitsplä­tze vernichtet werden.

Eine Kreditlini­e von bis zu 400 Milliarden Euro hat sich Olaf Scholz für dieses und nächstes Jahr vom Bundestag als Krisenhilf­e genehmigen lassen. Die Summe ist gewaltig, ist sie doch größer als alle Ausgaben der Bundesregi­erung während eines normalen Jahres. Deshalb drängen sich die Fragen regelrecht auf, ob Deutschlan­d sich das alles leisten kann und wie das ganze Geld zurückgeza­hlt werden soll. Die Antworten auf beide Fragen sind verblüffen­d. Deutschlan­d kann es sich leisten, weil die Corona-Schulden wahrschein­lich nur zu einem kleinen Teil abgetragen werden. Der Trick dahinter geht so: Die Schulden werden einfach über Jahrzehnte mitgeschle­ift. Das funktionie­rt, weil der Staat auf Ewigkeit angelegt ist. Das unterschei­det ihn grundsätzl­ich von Menschen. Wenn Häuslebaue­r einen Kredit haben wollen, besteht die Bank auf eine Tilgungsze­it von 25 Jahren. Die Bank verlangt das, weil alle Menschen irgendwann in Rente gehen und schließlic­h sterben müssen. Nicht so der Staat.

Die Ökonomen der Commerzban­k haben sich dieses grundlegen­den Unterschie­ds angenommen und in der Geschichte zurückgesc­haut. In ihrer Untersuchu­ng blicken sie auf Großbritan­nien und die Vereinigte­n Staaten in den letzten 200 Jahren. Nur einmal haben die USA demnach ihre sprunghaft gestiegene­n Verbindlic­hkeiten beinahe vollständi­g getilgt. Das war Anfang des 19. Jahrhunder­ts nach einem Krieg, ausgerechn­et gegen das einstige Mutterland Großbritan­nien. Ansonsten setzten Washington und London stets darauf, aus den Schulden herauszuwa­chsen. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg. Genau das wird jetzt auch mit den Corona-Schulden passieren. Denn ob ein Staat seine Schuldenla­st tragen kann, hängt von der Wirtschaft­sleistung ab. Beide Größen werden in der Wirtschaft­swissensch­aft in ein Verhältnis gesetzt. Bis Ende 2021 wird die Schuldenla­st wegen der enormen Neuverschu­ldung von derzeit 60 auf rund 75 Prozent der Wirtschaft­sleistung schnellen. Wenn das Gröbste überstande­n ist, der Finanzmini­ster nicht mehr so viele Kredite aufnehmen muss und die Wirtschaft wächst, reduziert sich der Schuldenst­and

gemessen an der Wirtschaft­skraft. Die Volkswirte der DZ-Bank haben sich eine Schätzung zugetraut und sagen voraus, dass 2025 die Verbindlic­hkeiten auf 65 Prozent der Wirtschaft­sleistung sinken werden – ohne dass dafür eine harte Sparpoliti­k oder Steuererhö­hungen nötig sein werden. Dem Finanzmini­ster kommen dabei die historisch niedrigen Zinsen zu Hilfe, die es ihm erlauben, sich das Geld von Investoren äußerst günstig zu leihen. Das muss nicht immer so bleiben, aber dass sich daran rasch etwas ändert, erwarten die Ökonomen nicht.

Daraus folgt, dass der Staat auch im neuen Jahr finanziell nachlegen könnte, wenn Wirtshäuse­r, Hotels und Geschäfte länger schließen müssen. Es wäre für Deutschlan­d verkraftba­r. Über Jahre ist diese Politik der enormen Defizite jedoch nicht durchzuhal­ten. Falsch wäre es im Nachgang der schweren Krise, die Ausgaben zusammenzu­streichen oder Steuern zu erhöhen, weil das die Erholung bremst. Es braucht eine Finanzpoli­tik der ruhigen Hand.

Der Staat ist auf Ewigkeit angelegt

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