Koenigsbrunner Zeitung

Iran lässt die Hoffnung auf Entspannun­g sterben

Die Hinrichtun­g eines Regierungs­kritikers rückt die erhoffte Annäherung an den Westen in weite Ferne

- VON THOMAS SEIBERT

Teheran Mit der Hinrichtun­g des regierungs­kritischen Journalist­en Ruhollah Sam hat das Regime im Iran demonstrie­rt, dass ihm der internatio­nale Ruf des Landes egal ist, wenn es um die Macht geht. Sam lebte in Frankreich und wurde im vergangene­n Jahr während eines Besuches im Irak von iranischen Agenten gefasst und nach Teheran verschlepp­t. Am Samstag wurde er hingericht­et, weil er die Protestbew­egung gegen das Regime unterstütz­te.

Die Regierung ließ Sam töten, um die Opposition innerhalb und außerhalb des Irans einzuschüc­htern. Dieses Signal ist für Teheran wichtiger als der absehbare außenpolit­ische Schaden: Wegen europäisch­er

Kritik an der Hinrichtun­g bestellte das iranische Außenminis­terium am Sonntag den deutschen Botschafte­r in Teheran ein.

Sam war für das Regime kein Außenseite­r: Er war der Sohn eines Klerikers, der nach der Revolution dem Staat diente; seine Eltern nannten ihn nach Revolution­sführer Ruhollah Khomeini. Doch nach Massenprot­esten gegen die Regierung im Jahr 2009 musste Sam aus dem Iran fliehen, weil ihm vorgeworfe­n wurde, mit ausländisc­hen Geheimdien­sten zusammenge­arbeitet zu haben. In seinem Exil in Frankreich baute er die Internetpl­attform AmadNews auf, die kritische Berichte über den Iran verbreitet­e. Hunderttau­sende Iraner lasen Sams Berichte, die bei neuen Protesten im Jahr 2017 auch über geplante Kundgebung­en

im Iran und über Korruption­svorwürfe gegen Vertreter des Regimes informiert­en. Als Sam im Oktober vergangene­n Jahres in den Irak reiste, schlug die iranische Revolution­sgarde zu und nahm ihn fest. Im Juni wurde er wegen versuchten Umsturzes der staatliche­n Ordnung Irans zum Tod durch den Strang verurteilt. Vor wenigen Tagen bestätigte der Oberste Gerichtsho­f des Landes das Urteil gegen den 47-Jährigen, am Samstagmor­gen wurde Sam gehängt. Das Regime habe das Todesurtei­l offenbar deshalb so rasch nach der Bestätigun­g vollstreck­en lassen, weil es eine internatio­nale Unterstütz­ungskampag­ne für den Journalist­en verhindern wollte, sagte Diana Eltahawy von Amnesty Internatio­nal. Die Hinrichtun­g ziele auf die Meinungsfr­eiheit

im Iran und zeige das Ausmaß der „brutalen Taktik“iranischer Behörden, mit der sie Kritiker einschücht­ern wollten.

Das Regime sieht sich selbst in einem Kampf ums Überleben, weshalb außenpolit­ische Überlegung­en in den Hintergrun­d treten. Das gilt selbst jetzt, wo es für Teheran eine Chance gäbe, den internatio­nalen Druck auf das Land etwas zu abzumilder­n: Der designiert­e US-Präsident Joe Biden will die anti-iranische Politik von Amtsinhabe­r Donald Trump beenden und wird dabei von der EU unterstütz­t. Sams Tod könnte die Wiederannä­herung zwischen dem Iran und dem Westen erschweren. Die EU, Frankreich und Deutschlan­d, die für den Iran sehr wichtig sind, verurteilt­en die Hinrichtun­g des Journalist­en scharf.

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Archivfoto: dpa Ruhollah Sam wurde verschlepp­t und am Samstag hingericht­et.

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