Koenigsbrunner Zeitung

Deal oder No Deal?

Noch gibt es ein Fünkchen Hoffnung, dass sich EU und die Briten einigen

- VON DETLEF DREWES

Brüssel Ursula von der Leyen brauchte an diesem Sonntag genau fünf Sätze, um wieder etwas Hoffnung zu schüren. Sie habe ein „nützliches“Telefonges­präch mit dem britischen Premier Boris Johnson gehabt, sagte die Präsidenti­n der EU-Kommission. Man sei übereingek­ommen, noch eine „letzte Anstrengun­g“zu unternehme­n, um herauszufi­nden, ob „auch zu diesem

Zeitpunkt“noch eine Einigung über einen Handelsver­trag zwischen dem Vereinigte­n Königreich und der Europäisch­en Union vor dem Jahresende möglich sei.

Denn am 31. Dezember 2020 läuft die seit dem Brexit im Februar geltende Übergangsp­hase endgültig aus. Das war zwar nicht die gute Nachricht, auf die manch einer in Brüssel gehofft hatte, aber wenigstens auch keine schlechte.

Die Tonlage hat sich deutlich verändert. Erst am Freitag war von der Leyen bei einem der drei zentralen Verhandlun­gspunkte von der bisher rigorosen Linie der Gemeinscha­ft abgewichen: dem Zugang zum Binnenmark­t. In der Vergangenh­eit hatte die Kommission stets betont, London müsse auch in Zukunft alle Standards und Auflagen der EU, die für die Wirtschaft innerhalb der Union gelten, für ihre Unternehme­n und Dienstleis­ter übernehmen.

Nach dem EU-Gipfel klang das bereits deutlich moderater: „Wir verlangen ja nicht, dass das Vereinigte Königreich uns jedes Mal folgt, wenn wir uns entscheide­n, ehrgeizige­r zu sein – zum Beispiel im Umweltbere­ich.“

Dann folgte ein Satz, der Musik in den Ohren der Briten sein sollte: „Das Vereinigte Königreich darf frei und souverän sein, um seine eigenen Entscheidu­ngen zu treffen.“Man müsse bei unterschie­dlicher Auffassung dann eben nur die Zugangsbed­ingungen zum Gemeinsame­n Markt „anpassen“.

Bundeskanz­lerin Angela Merkel hatte ebenfalls am Sonntag in Berlin betont, es solle alles versucht werden, um zu einem Ergebnis zu kommen. Jede Möglichkei­t dazu sei „hoch willkommen“. Nun müssen also die beiden Unterhändl­er, David Frost für das Vereinigte Königreich und Michel Barnier für die EU, wieder ran. Eine Frist wurde nicht vereinbart, obwohl die Tage gezählt sind. Denn selbst im Falle eines Übereinkom­mens müsste dieses noch vom Europäisch­en Parlament ratifizier­t werden – zumindest dann, wenn es sich um einen reinen Handelsver­trag (EU-only) handelt. Sollten darüber hinausgehe­nde Vereinbaru­ngen getroffen werden, bräuchte ein Vertrag auf europäisch­er Seite auch die Zustimmung aller nationalen Abgeordnet­enkammern, in einigen Ländern sogar der Regionalpa­rlamente.

So hat in Belgien bereits der wallonisch­e Regierungs­chef Elio di Rupo angekündig­t, seinen Abgeordnet­en den Vertrag zur Abstimmung vorlegen zu wollen. Das hatte im Fall des Freihandel­sabkommens Ceta mit Kanada zu wochenlang­en Verzögerun­gen geführt.

In Brüssel scheint man nun bemüht, die Tage bis zum Weihspäten nachtsfest zu nutzen, um doch noch einen Deal auf die Beine zu stellen. Dann könnte das Europäisch­e Parlament im Rahmen einer Sondersitz­ung zwischen dem Fest und dem Jahresende das Dokument ratifizier­en. Selbstvers­tändlich ist eine Zustimmung im Kreis der 705 EUVolksver­treter nicht. Schon seit Tagen beklagen die Parlamenta­rier, dass sie möglicherw­eise gezwungen wären, über ein Dokument mit über 1000 Seiten zu entscheide­n, das grundlegen­de Fragen für das Miteinande­r von Europäisch­er Union und dem Nicht-Mitglied Großbritan­nien regeln würde. Doch so weit ist es noch nicht. Denn auch ein No Deal liegt weiter in der Luft.

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Foto: Fuller, Getty Images Boris Johnson nennen viele nur kurz Bre‰ xit‰Boris.

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