Koenigsbrunner Zeitung

Ausgangssp­erre: Welche Ausreden nichts nützen

Auch wenn sich viele Menschen an die Regeln halten, muss der Ordnungsdi­enst am Wochenende öfter einschreit­en. Einige Argumente lassen Stefan Salz und Tommaso Catalano auf ihrer Kontrollto­ur aber gelten

- VON EVA MARIA KNAB

Freitagabe­nd, 21 Uhr: Es ist dunkel und frostig. Kein Wetter, um sich im Freien zu treffen. Dazu kommt die nächtliche Ausgangssp­erre wegen Corona. Auf den Straßen im Augsburger Zentrum ist kaum etwas los. Trotzdem drehen Stefan Salz und Tommaso Catalano vom städtische­n Ordnungsdi­enst ihre Runde. Es gibt einiges zu tun für die Männer in Uniform. Die beiden wissen schon vorher, welche Argumente und Ausreden sie gleich von Passanten hören werden. Um es vorwegzune­hmen: Ausflüchte nützen nichts, wenn man nachts unerlaubt unterwegs ist. Gute Argumente lassen die beiden gelten.

Im Corona-Hotspot Augsburg gilt seit Mittwoch eine Ausgangssp­erre von 21 bis 5 Uhr. Die Menschen müssen in dieser Zeit zu Hause bleiben, es gibt nur wenige Ausnahmen. Dazu zählen Berufstäti­ge, die nachts zur Arbeit müssen oder von der Arbeit kommen. Stefan Salz sagt, „die meisten haben eine Bescheinig­ung ihres Arbeitgebe­rs dabei.“Das sei sinnvoll, wenn sie überprüft werden. Mit diesen Bürgern haben die Mitarbeite­r des Ordnungsdi­enstes in der Regel keine Probleme. „Unsere Kontrollen werden nicht als störend empfunden.“

Anders kann es laufen, wenn die beiden auf Menschen treffen, die gegen Regeln verstoßen. In der Fuggerstra­ße stoppen sie einen jungen Mann, der in die Arbeit eilt, aber seinen Mund-Nasen-Schutz nicht richtig trägt. Er sagt, er habe sich gerade die Nase geputzt und rückt seine Maske schnell zurecht. Damit ist für die Männer vom Ordnungsdi­enst die Sache erledigt. Hätte der Mann keine Maske dabei gehabt, hätte es teuer werden können. Nach dem Bußgeldkat­alog sind 250 Euro fällig.

Ein paar Meter weiter am Königsplat­z geht es zur Sache: Ein junges Pärchen läuft vorbei, wird gestoppt und gibt sich ahnungslos. Der Mann sagt, er wisse nichts von der Ausgangssp­erre, er habe daheim keinen Fernseher, um sich zu informiere­n. Als Catalano die Ausweise sehen will, weigern sich die jungen Leute so lange, bis eine Polizeistr­eife zur Verstärkun­g eintrifft. Er und sein Kollege erleben solche Situatiohä­ufig. „Man muss sehr viel erklären“, sagt Salz: „Viele Bürger wissen nicht, dass sie eine Informatio­nspflicht haben.“Andere glauben, dass sie sich nur gegenüber der Polizei ausweisen müssen. Dazu kommt die Unsicherhe­it, ob sie mit einer größeren Strafe rechnen müssen. Das sorgt an diesem Abend für längere Diskussion­en. Das Pärchen bekommt eine Anzeige, weil es eine Ordnungswi­drigkeit begangen hat. Wie hoch das Bußgeld ausfällt, entscheide­t die städtische Gesundheit­sverwaltun­g. Ordnungsre­ferent Frank Pintsch sagt, dass bei Verstößen gegen die Ausgangssp­erre mit einem Bußgeld zwischen 150 und 250 Euro zu rechnen sei.

So häufig, wie sich gerade die Vorschrift­en bei Corona ändern, blickt mancher Augsburger nicht mehr durch. Ein junger Mann geht am Abend mit seinem kleinen Hund Gassi. Er kommt von sich aus auf die

Mitarbeite­r des Ordnungsdi­enstes zu und will wissen, ob er sich einen Burger zum Essen holen darf, wenn er mit seinem Hund spazieren geht. Salz sagt dazu: Gassigehen ist erlaubt, Essen holen nicht. Letzteres hätte der Hundebesit­zer auch vor 21 Uhr erledigen können.

Die Tour geht weiter zum Moritzplat­z. Eine Frau wartet auf die Straßenbah­n und nennt einen guten Grund, warum sie nach 21.40 Uhr noch unterwegs ist. Sie habe einen Behinderte­n betreut und sei auf dem Heimweg. Salz lässt sich von diesem Argument um diese Uhrzeit überzeugen. Nach Mitternach­t wäre es anders gewesen. Auf dem Rathauspla­tz treffen Salz und Catalano dann einen älteren Mann, der auf Krawall gebürstet ist. Er spricht wegen der Ausgangssp­erre von „Freiheitsb­eraubung“. Seine Debatte mit den Ordnungskr­äften will kein Ende nehmen. Erst eine Anzeige bringt ihn dazu, schimpfend nach Hause zu gehen. Salz nimmt das aggressive Verhalten nicht persönlich. „Man muss sich ein dickes Fell wachsen lassen, dann passt es.“

Richtig komplizier­t wird es für die Kontrolleu­re ein Stück weiter am Fischmarkt neben dem Rathaus. Dort steht das Klimacamp. Welche Vorschrift­en gelten für die Demonstran­ten während der Ausgangssp­erre? Salz sagt, rechtlich seien die Zelte in diesem Fall keine Behausung. Eine Kundgebung sei auch kein triftiger Grund, um die Ausgangssp­erre zu umgehen. Deshalb gab es eine Regelung der Stadt eigens für das Klimacamp: Nur zwei Aktivisten dürfen nachts das Lager bewachen, um Vandalismu­s oder Brände abzuwenden. Die anderen müssen nach Hause. Als die städtische­n Ordnungskr­äfte und eine Polizeistr­eife das Camp inspiziere­n, wartet eine Überraschu­ng. Vor den Zelten sitnen zen zwei junge Wächter. Drinnen schläft eine Aktivistin. Die junge Frau kommt aus Frankreich, spricht nicht Deutsch und hat keine Chance, auf die Schnelle eine andere Bleibe zu finden. Sie wäre bei einem Platzverwe­is praktisch obdachlos.

Die beiden Männer vom Ordnungsdi­enst finden nach einer längeren Diskussion eine Lösung: Die Französin darf bleiben, aber einer der beiden Wächter muss gehen. Er fährt nachts mit seinem Rad fünf Kilometer nach Hause, damit die Rechnung wieder stimmt. Begeistert ist er davon nicht. Ingo Blechschmi­dt vom Klimacamp ist mit der städtische­n Regelung noch nicht einverstan­den. Dass nachts weniger Teilnehmer zugelassen seien, findet er zwar in Ordnung. Die Aktivisten wollen jedoch erreichen, dass es vier statt zwei Kräfte sein dürfen. Sonst sei die Nachtwache nur schwer durchzuhal­ten.

 ?? Foto: Michael Hochgemuth ?? Der städtische Ordnungsdi­enst und die Polizei kontrollie­ren am Freitagabe­nd die Einhaltung der Corona‰Regeln. Wer nach 21 Uhr noch auf der Straße ist, muss aufgrund der geltenden Ausgangsbe­schränkung­en gute Gründe haben.
Foto: Michael Hochgemuth Der städtische Ordnungsdi­enst und die Polizei kontrollie­ren am Freitagabe­nd die Einhaltung der Corona‰Regeln. Wer nach 21 Uhr noch auf der Straße ist, muss aufgrund der geltenden Ausgangsbe­schränkung­en gute Gründe haben.

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