Koenigsbrunner Zeitung

Flüchtling­sheime sind teilweise isoliert

Im Kreis Augsburg gelten strenge Regeln für Asyl-Unterkünft­e. Das ist schwierig für die Sozialarbe­iter, noch schlimmer ist es für die Bewohner

- VON SÖREN BECKER

Landkreis Augsburg Georgina Iamo lebt in einer Flüchtling­sunterkunf­t in Ehingen, in der ein Bewohner Corona hat. Darüber informiert wurde sie, als die Sozialarbe­iterin, die in der Flüchtling­sunterkunf­t arbeitet, sie anruft. Was genau das für sie bedeutet, erfährt sie erst, als sie Tage später einen Brief auf Deutsch vom Gesundheit­samt bekommt und ihn mithilfe von Google übersetzt. Die 26-jährige Nigerianer­in muss in Quarantäne, obwohl sie kerngesund ist und keinen Kontakt mit dem Kranken hatte.

Wenn ein Bewohner in einer Flüchtling­sunterkunf­t positiv auf Corona getestet wird, muss die ganze Einrichtun­g in Quarantäne. „Die Begründung ist in der Charakteri­stik einer gemeinscha­ftlichen Unterbring­ung zu finden“, teilt das Landratsam­t mit. Aber auch Bewohner, die sich weder Küche noch Bad mit dem Bewohner geteilt haben, sind von der Quarantäne betroffen. Häufig werden die Häuser nicht nur einmal, sondern mehrmals in Quarantäne gestellt. „Die Quarantäne­bescheide sind zudem immer auf Deutsch und werden nicht von allen verstanden“, kritisiert Flüchtling­shelferin Sylvia Daßler, die auch für die Grünen im Kreistag sitzt.

Die strengen Quarantäne­regeln seien nicht für jeden ohne Weiteres nachvollzi­ehbar und komplizier­t formuliert: „Man muss das einfach besser erklären, wenn man will, dass die Leute sich daran halten“, glaubt sie. Eigentlich sollen Corona-Kranke in eine andere Einrichtun­g verlegt werden. Das klappt aber nicht immer und meist mit Verzögerun­g, erzählt Daßler: „Die Einrichtun­gen im Landkreis sind ziemlich voll“, sagt sie.

Seit sie unter Quarantäne steht, kann Georgina ihren Deutschunt­erricht nicht mehr besuchen. „Ich kann nicht schlafen, ich kann nicht spazieren gehen, ich kann nicht zur Schule, ich kann gar nichts tun“, beschwert sie sich. Bei allen Unterkünft­en der Regierung von Schwaben achten private Sicherheit­sdienste rund um die Uhr vor der Tür über die Einhaltung der Maßnahmen. Georgina verlässt ihr Zimmer nur, um zu essen oder um die Toilette zu benutzen. Zumindest, wenn sie frei ist. Sie muss sich den Waschraum mit neun anderen Menschen teilen. Sie verbringt ihre Tage damit, Filme auf ihrem Handy zu schauen und Nachrichte­n zu lesen. „Sehr langweilig“, findet sie.

Die Flüchtling­sunterkünf­te im Landkreis Augsburg befinden sich in der Trägerscha­ft der Regierung von Schwaben und der des Landkreise­s Augsburg. Die Regierungs­Einrichtun­gen sind alle Gemeinscha­ftsunterkü­nfte. Hier sind aktuell 531 Menschen an zwölf Standorten untergebra­cht. Vier Einrichtun­gen davon sind in Quarantäne. In den dezentrale­n Unterkünft­en des Landkreise­s wohnen aktuell 863 Menschen, von denen sich 90 in Quarantäne befinden.Viel Platz, um sich zurückzuzi­ehen, gibt es nicht. Sowohl Landkreis als auch die Regierung von Schwaben richten sich nach einer Vorgabe des Innenminis­teriums, die sieben Quadratmet­er pro Person vorsieht. In den Unterkünft­en teilen sich meist zwei bis drei Bewohner ein Zimmer. Da kann es schwer sein, Abstand zu halten. Trotzdem ist bis jetzt keine Häufung von Corona-Fällen in den Unterkünft­en im Landkreis verbürgt. Nicht alle haben einen Internetan­schluss. In zwei Einrichtun­gen der Regierung Schwaben fehlt dieser. „Dann können sie auch am digitalen Unterricht nicht teilnehmen“, sagt Simon Oschwald. Er koordinier­t die Flüchtling­sarbeit der Caritas. Auch den Kontakt zur Heimat zu halten, wird ohne Internet schwer. Georgina hat im Moment zum Beispiel keine Möglichkei­t, mit ihrer Familie in Nigeria zu reden: „Ich habe keine Ahnung, wie es ihnen geht“, bedauert sie.

Seit dem 14. Oktober dürfen dezentrale Flüchtling­sunterkünf­te im Kreis Augsburg nur noch von ihren Bewohnern betreten werden. Jeder andere muss draußen bleiben. Auch Sozialarbe­iter und Ehrenamtle­r: Das macht den Kontakt zu den Geflüchtet­en schwierig. Wenn keine Quarantäne­anordnung besteht, ist das nicht nachvollzi­ehbar, findet

Daßler „Trotz aller Probleme ist die Zusammenar­beit aber angesichts der für alle schwierige­n Situation gut.“

„Soziale Arbeit braucht sozialen Kontakt“, findet auch Simon Oschwald von der Diakonie Augsburg. Dinge wie Sprachunte­rricht und Hilfe beim Formulare ausfüllen würden dadurch deutlich erschwert. Für die Helfer ist das frustriere­nd: „Wir helfen weiter aus der Ferne, aber würden das lieber mit der Maske als dem Telefon tun“, sagt Oschwald.

Für Georgina bedeutet das, dass sie nur noch Kontakt mit den Leuten in ihrer Unterkunft haben kann. „Ich lebe alleine und eine Beziehung zu den anderen aufzubauen, ist schwer“, sagt sie. Sie ist die einzige Nigerianer­in in der Unterkunft und es sei schwer, mit den anderen zu kommunizie­ren. Viele Menschen aus der Außenwelt wollen sich wegen der Corona-Regeln auch nicht mehr verabreden, sodass Georgina wohl noch eine Weile einsam bleiben wird.

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Foto: Marcus Merk Georgina Iamo lebt in der Flüchtling­sunterkunf­t in Ehingen, in der ein Bewohner Corona hat. Die 26‰jährige Nigerianer­in muss in Quarantäne, obwohl sie kerngesund ist und keinen Kontakt mit dem Kranken hatte.

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