Koenigsbrunner Zeitung

Wie die Stadt die Peter‰Kötzer‰Gasse wiederbele­bte

Augsburger Geschichte Die Gasse im Ulrichsvie­rtel ist seit dem 14. Jahrhunder­t bewohnt. Anfang der 1970er-Jahre wurde sie zum Sanierungs­gebiet. Bei der Modernisie­rung stand die Historie Pate

- VON FRANZ HÄUSSLER

Anno 1380 war Baubeginn an der Peter-Kötzer-Gasse im Ulrichsvie­rtel. In diesem Jahr gab der Abt der Benediktin­erabtei St. Ulrich den Obstgarten seines Klosters unterhalb der Ulrichsbas­ilika zur Bebauung mit Wohn- und Handwerker­häusern frei. Eine hohe Mauer stützt das stark abfallende Terrain, auf dem die Ulrichsbas­ilika steht. Sie bildet die Westseite einer schmalen Gasse. An der Ostseite erstanden zwischen Milchberg und Kirchgasse ab 1380 Handwerker­häuser.

Sieben Häuser sind dort im 15. Jahrhunder­t nachweisba­r. In einem lebte und arbeitete 54 Jahre lang der Webermeist­er Peter Kötzer. Er brachte es zu Ansehen und war 1491 Zunftmeist­er der Weber. Er war derart populär, dass sich als Adresse „Des Ketzers Gäßlin“einbürgert­e. Es könnte sein, dass zu seinen Lebenszeit­en gebaute Häuser noch in den 1950er-Jahren standen. Der morbide Charme des abfallende­n Putzes lockte vor 70 Jahren Fotografen in die Peter-Kötzer-Gasse. Sie dokumentie­rten den Zustand der historisch­en Häuser, die nicht mehr dem Wohnkomfor­t der 1950er-Jahre entsprache­n. Anfang der 1970er Jahre erklärte die Stadt die Gasse schließlic­h zum Sanierungs­gebiet.

Bereits um 1930 hatte die Stadt sechs der Uralt-Häuser gekauft, da über die Peter-Kötzer-Gasse ein Straßendur­chbruch zwischen Eserwall und Milchberg geplant war. Er wurde nie verwirklic­ht. Im August 1975 bekamen Architekte­n den Auftrag, die stadteigen­en Grundstück­e Peter-Kötzer-Gasse 5 bis 13 neu zu bebauen. Drei Häuser fehlten bereits. Sie waren im Zweiten Weltkrieg zerstört oder wegen Baufälligk­eit abgebroche­n worden.

Bei der Vermessung und Dokumentat­ion der Altbauten wurde klar, dass eine Sanierung einzelner Gebäude nicht infrage kam. Die städtebaul­iche Bedeutung der historisch­en Häuserzeil­e an der PeterKötze­r-Gasse erforderte eine Gesamtplan­ung. Das hieß: Alle Häuser werden abgebroche­n und neu errichtet. Nur der relativ junge Bau der Gaststätte (Striese) an der Ecke zur Kirchgasse solle bleiben. Die Vorgabe an die Architekte­n: Das Erscheinun­gsbild der Gasse ist wiederherz­ustellen! Giebel, Fenster und Dächer der Neubauten orientiere­n sich an den historisch­en Vorbildern. Optisch soll die „alte“Gasse mit komfortabl­en Wohnungen wiedererst­ehen.

Bei der Erneuerung der PeterKötze­r-Gasse beschritt man bewährte Wege in der Stadtsanie­rung: Die Wohnungsba­ugesellsch­aft der Stadt Augsburg (WBG) fungierte als Bauherrin und Eigentümer­in. Die WBG verwirklic­hte das Großprojek­t zügig: Im Januar 1978 begannen die Abbrüche, im November 1979 waren die Häuserzeil­en Milchberg 6 und Peter-Kötzer-Gasse 1 bis 13 erneuert. Im sozialen Wohnungsba­u war eine Wohnanlage mit acht Mehrfamili­enhäusern entstanden. 32 Mietwohnun­gen mit einer durchschni­ttlichen Wohnfläche von 59 Quadratmet­er (insgesamt 1883 Quadratmet­er) waren Anfang 1980 bezugsfert­ig. Das homogene Erscheinun­gsbild des Häuserense­mbles wurde bis ins Detail gewahrt. Darauf basierte das Neubaukonz­ept, auf dem Denkmalsch­ützer bestanden. Die historisch­en Baufluchte­n und die Bauform blieben, unterschie­dliche Fenster, Laubengäng­e und Außenaufgä­nge wurden rekonstrui­ert. Das Haus Peter-KötzerGass­e 7 bekam eine Figurennis­che wie der Vorgängerb­au. Darin steht eine Holzskulpt­ur von St. Ulrich, geschaffen vom Bildhauer Friedrich Brenner.

Der Wohnkomfor­t entspricht den ausgehende­n 1970er-Jahren. Dazu griffen die Architekte­n zu Tricks: Durch Verkürzung von Häusern gegenüber den alten Grundrisse­n, und durch die Beseitigun­g von Rückgebäud­en entstanden Freifläche­n. Sie ermöglicht­en an der Ostseite der Häuserzeil­e Hof-, Spiel- und Gartenbere­iche. Sie erhöhten den Wohnkomfor­t.

Zur „Rundumerne­uerung“der Peter-Kötzer-Gasse gehörte die Umwidmung zum verkehrsbe­ruhigten Bereich. 1981 wurde die Gasse im Recycling-Verfahren gepflaster­t: Großsteinp­flaster aus Granit wurde wiederverw­endet. Auch der glatte Streifen für Fußgänger und Radfahrer besteht aus recycelten

Granitplat­ten. Die wenigen Autostellp­lätze stehen Anwohnern zur Verfügung. Die Erneuerung der Peter-Kötzer-Gasse war Teil der Sanierung

des gesamten Ulrichsvie­rtels. Neue Wohnbauten auf einstigen Klosterare­alen erweiterte­n das Viertel.

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Foto: Sammlung Häußler Die Peter‰Kötzer‰Gasse vor rund 70 Jahren. Seit 40 Jahren stehen hier Neubauten.
 ??  ?? Der Blick aus der Peter‰Kötzer‰Gasse nach oben ist spektakulä­r. Die Ulrichsba‰ silika überragt das Ulrichsvie­rtel.
Der Blick aus der Peter‰Kötzer‰Gasse nach oben ist spektakulä­r. Die Ulrichsba‰ silika überragt das Ulrichsvie­rtel.
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Die Fassaden der 1980 bezogenen Häu‰ ser orientiere­n sich am Aussehen der ab‰ gebrochene­n Vorgängerb­auten.

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