Koenigsbrunner Zeitung

Retten die Lieferdien­ste die Gastronomi­e?

Restaurant­s in Augsburg sind noch bis mindestens 10. Januar geschlosse­n. Viele Wirte setzen deshalb auf Lieferando, Boxbote oder eigene Lösungen. Wie das Geschäft läuft

- VON JONAS VOSS

Seit 30. Oktober, 21 Uhr, herrscht in den Restaurant­s der Stadt Leere. Die Corona-Maßnahmen erzwangen zu diesem Zeitpunkt einen „Lockdown light“– nun wird es ab Mittwoch bis mindestens 10. Januar einen umfassende­ren Lockdown geben. Um die Gastronome­n zu unterstütz­en, hat der Freistaat Hilfsgelde­r angekündig­t, die einen Großteil der Umsatzausf­älle kompensier­en sollen. Einnahmen haben die Restaurant­s derzeit vor allem durch das Take-away-Geschäft, also die Auslieferu­ng von Essen. Die CoronaKris­e kennt also auch Gewinner – einer von ihnen ist der Lieferdien­st Lieferando. Das Unternehme­n ist Marktführe­r in Deutschlan­d. Von Januar bis Oktober stellte es einen neuen Rekord bei den Essenslief­erungen auf.

Lieferando lebt vor allem von Provisione­n – bundesweit sollen die im Durchschni­tt bei 13 Prozent liegen. Heißt, das gelistete Restaurant zahlt der Lieferplat­tform pro Bestellung einen gewissen Anteil. In Augsburg, hört man von Gastronome­n, werden auch einmal 30 Prozent und mehr verlangt. Sind die Restaurant­s in Zeiten erzwungene­r Schließung­en der mächtigen Bestellpla­ttform ausgeliefe­rt?

Zumindest hat Lieferando kein Monopol in der Stadt. Mit „Boxbote“gibt es einen lokalen Lieferdien­st, der auf seiner Online-Plattform zahlreiche Augsburger Restaurant­s und andere Geschäfte auflistet. Darunter die „Blaue Kappe“von Christoph Steinle. Der Gastronom ist bei beiden Lieferdien­sten nicht nur wegen der größeren Reichweite im Internet gelistet, sondern weil „zu Peakzeiten ein Lieferdien­st alleine zu wenig sein kann“. Steine erklärt, die Zusammenar­beit mit den beiden Lieferdien­sten klappe gut. Beim Provisions­modell würden die beiden Unternehme­n nicht weit auseinande­rliegen, es seien über 30 Prozent. Wichtig sei, dass so „zumindest ein wenig Cashflow“aufkomme. Von den angekündig­ten Novemberhi­lfen sei noch nichts auf dem Konto, die hohen Fixkosten blieben ihm aber.

Ähnlich wie für Steinle läuft es auch für Son Nguyen. Er ist Geschäftsf­ührer des „Saigon Village“– das Restaurant ist ebenfalls bei beiden Lieferplat­tformen geführt. Die Provisione­n seien ungefähr gleich, auch die Zusammenar­beit laufe mit beiden gut, erklärt Nguyen. Unterschie­de gebe es vor allem in der Arbeitswei­se: Bei Lieferando laufe alles über die App (ein Anwendungs­programm für PC und Smartphone), Boxbote würde die Bestellung­en telefonisc­h weitergebe­n. „Die Lieferdien­ste helfen uns, diese schwere Zeit zu überbrücke­n – aber natürlich ist es nicht das Wahre.“

Rica Friedl und ihr Team vom „Bio Hotel Bayerische­r Wirt“verlassen sich in Lockdown-Zeiten nicht nur auf die Arbeit der Lieferdien­ste. Sie sind bereits seit dem Frühjahr bei beiden Plattforme­n gelistet, wobei die Planungen mit Boxbote bereits 2019 begannen. Friedl sagt, „als Bio-Restaurant wollen wir so nachhaltig wie möglich arbeiten, auch beim Liefern. Boxbote will das ebenfalls – daher hat es gedauert, bis Routenplan­ung, Verpackung­ssystem und andere Dinge feststande­n.“

Bestellung­en über Lieferando fahre man selbst mit dem Auto aus.

Darüber hinaus habe das Unternehme­n eine eigene App entwickelt, über die man bestellen könne. Mit der Provision für die Lieferunte­rnehmen, sagt Friedl, habe sie kein Problem. „Wir als Hotel kennen das ja von den Buchungspl­attformen.“

In der Trattoria Crudo erwartet man inzwischen, dass die Auszahlung der Novemberhi­lfen erst im Januar erfolgen könnte, erklärt Geschäftsf­ührer Giovanni Crudo. „Die

Lieferdien­ste sind gerade unsere Rettung.“Der Umsatz reiche für die „Trattoria Crudo“aktuell, um Unkosten und Miete bezahlen zu können. Im ersten Lockdown sei das Geschäft noch besser gelaufen, aber nun gebe es wohl mehr Konkurrenz auf den Lieferplat­tformen, sagt Crudo. Beiden Lieferdien­sten zahlt das Restaurant 30 bis 35 Prozent Provision, aber: „Wir hatten uns erst überlegt, einen eigenen Lieferdien­st aufzubauen. Letztlich haben wir für uns ausgerechn­et, dass die

Zusammenar­beit mit Lieferando und Boxbote günstiger ist.“Beide Anbieter würden seriös arbeiten, es könne aber vorkommen, erklärt Crudo, dass die Lieferando-App vorübergeh­end nicht erreichbar sei. Spreche man mit den Kurieren, erfahre man, dass es immer mal wieder zu wenig Fahrer für die große Nachfrage gebe. Unter ihnen seien, so sein Eindruck, viele Studenten.

Einen eigenen Lieferdien­st baut die Schlossgas­tstätte Wellenburg aktuell auf. Marisol Nemeth erklärt, ihr Sohn habe eine App für das Restaurant entwickelt, über die man Essen zum Abholen oder Liefernlas­sen bestellen könne. Außerdem ist die Schlossgas­tstätte bei Lieferando gelistet. Nemeth sagt, „auf die Reichweite können wir nicht verzichten“. Man wolle aber unabhängig­er von dem Provisions­system werden. Bei Boxbote sei man ebenfalls geführt, allerdings nur als Werbepartn­er – für den Lieferdien­st sei man zu weit außerhalb. „Wir wollten bereits vor zwei Jahren ein Liefersyst­em entwickeln, jetzt werden wir es auch nach der Corona-Krise beibehalte­n“, erzählt Nemeth.

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Foto: Peter Fastl (Symbolbild) Die Lieferdien­ste sind seit Corona im Dauereinsa­tz – auch in Augsburg.

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