Koenigsbrunner Zeitung

Mehr Können als Glück

- VON ANTON SCHWANKHAR­T as@augsburger‰allgemeine.de

Der Fernseher lieferte an jenem 20. Juni 1976 noch immer nur Schwarz-Weiß-Bilder ins Haus. Für diesen Abend war das egal. Draußen war es auch schwarz-weiß. Das Flutlicht in Belgrad tat sich schwer gegen die Finsternis.

Nur gut, dass die Deutschen im EM-Finale gegen die CSSR in Weiß spielten. Nach 120 Minuten stand es 2:2. Es kam zum ersten Elfmetersc­hießen in einem großen Turnier. Premiere. Bislang hatte das Los über das Weiterkomm­en entschiede­n. Nun hieß es fünf gegen fünf. Als Uli Hoeneß mit zurückgele­gtem Oberkörper anlief, war klar, dass der Ball über den Querbalken segeln musste. Unsere Träume vom EM-Triumph flogen ihm hinterher. Denn es kam Antonín Panenka – und der wusste genau, was er tat. Nicht jeder Elfmetersc­hütze kann das behaupten. Der Tscheche mit der Schwejk-Attitüde schaufelte die Kugel wie ein rohes Ei in die Tormitte, während Sepp Maier in eine Ecke hechtete. Die CSSR war Europameis­ter. Hoeneß hatte dem Elfmetersc­hießen ein Premieren-Drama beschert. Der Fernseher sendete Trauer. „Einsam spazierte ich auf den weißen Punkt, rings um mich Sahara“, beschrieb Hoeneß später sein Trauma. „Ich schaute dem Ball nach, sah ihn immer höher steigen. Wie eine Weltraumra­kete sauste er in Richtung Wolken.“

Sechs Jahre vorher hatte Dieter Burdenski dieselbe Situation aus anderer Perspektiv­e erlebt. Der damals 20-jährige spätere Nationalto­rhüter parierte gleich zwei Strafstöße. „Der Boden war gefroren, Schnee lag auf dem Rasen“, erinnert er sich. Es war der 23. Dezember 1970. Das erste Elfmetersc­hießen im DFB-Pokal, heute vor 50 Jahren. Zuvor hatte der Münzwurf bei Remis den Sieger ermittelt. Reine Glücksache also. Etwas weniger Glück und etwas mehr Können verlangt das Elfmetersc­hießen, weshalb englische Teams alles daran setzen, Elfmetersc­hießen zu vermeiden.

Andere Mannschaft­en wiederum arbeiten regelrecht auf das Elfmetersc­hießen hin, weil sie einen Elfmeterki­ller im Tor haben und zudem nervenstar­ke Schützen, die auch nach 120 Pokalminut­en noch keine weichen Knie haben, um ihren Weg einsam durch die Sahara auf den weißen Punkt zurückzule­gen. Sportlich gesehen mag sich keiner dieses Drama wünschen, aber jeder ist seit 50 Jahren begierig es zu erleben.

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Foto: dpa Dieter Burdenski parierte im ersten Elf‰ meterschie­ßen vor 50 Jahren im DFB‰ Pokal zwei Strafstöße.
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