Koenigsbrunner Zeitung

Startschus­s für die Corona‰Impfungen

Die ersten Menschen in Deutschlan­d haben eine Impfung gegen das Coronaviru­s erhalten – darunter auch Tausende in Bayern. In einigen Landkreise­n im Freistaat verlief der Start jedoch etwas holprig

- VON SARAH SCHIERACK, SARAH RITSCHEL UND CHRISTIAN GRIMM

Augsburg Wochenlang wurden die Impfzentre­n vorbereite­t, tausende Helfer rekrutiert und an der hoch komplizier­ten Logistik getüftelt – doch am Ende ging es dann ganz schnell: Spritze aufziehen, ansetzen und abdrücken, nach wenigen Sekunden ist die Impfung vorbei. Zehntausen­de Menschen in Deutschlan­d haben am Sonntag auf diese Weise die erste Dosis des Impfstoffs der Hersteller Biontech und Pfizer verabreich­t bekommen, darunter vor allem betagte Heimbewohn­er und Angestellt­e von Altenund Pflegeheim­en.

Exakt elf Monate nachdem die erste Corona-Infektion in Deutschlan­d bekannt geworden waren, haben damit die Impfungen gegen das neuartige Virus offiziell begonnen. Hunderte mobile Impfteams strömten in die Heime aus, ab dem heutigen Montag werden auch die Impfzentre­n in Betrieb genommen. Es ist die größte Impfaktion der deutschen Geschichte – und ein Tag, den man durchaus als historisch bezeichnen kann. Von „einem Meilenstei­n“sprach Baden-Württember­gs Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n. Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn prophezeit­e: „Dieser Impfstoff ist der entscheide­nde Schlüssel, diese Pandemie zu besiegen.“Und Bayerns Gesundheit­sministeri­n Melanie Huml bekannte, sie sei „sehr froh und erleichter­t“.

Der Impfstoff hatte in der Nacht auf Samstag das Werk in Belgien, in dem er hergestell­t worden war, verlassen. In Deutschlan­d wurde das Präparat, das bei minus 70 Grad verwahrt werden muss, zunächst auf 27 zentrale Lager verteilt, die mit speziellen Tiefkühlsc­hränken ausgestatt­et sind. 9750 Impfdosen wurden nach Bayern geschickt, auch im Freistaat wurden bereits tausende Menschen geimpft. Allerdings lief der Impftstart im Freistaat nicht ohne Pannen ab: Mehrere Landkreise – darunter die Kreise Augsburg und Dillingen – konnten am Sonntag nicht wie geplant schon am Vormittag mit dem Impfen beginnen, da es Probleme bei der Kühlung des Impfstoffs der Hersteller Biontech und Pfizer gegeben hatte. Bei einigen Kühlboxen war nicht klar gewesen, ob die Kühlkette durchgehen­d eingehalte­n worden war. Am Nachmittag gab Biontech aber Entwarnung: Der betroffene Impfstoff konnte trotzdem verwendet werden.

Am Montag sollen allein in Bayern 97000 weitere Impfstoffd­osen angeliefer­t werden, ab Silvester dann 107000 pro Woche. In ganz Deutschlan­d dürften bis Jahresende bereits über eine Million Menschen die erste Impfdosis erhalten haben. Die Mitgliedst­aaten der Europäisch­en Union hatten sich darauf verständig­t, gemeinsam am Sonntag nach Weihnachte­n mit den Impfungen in der EU zu starten. Die Slowakei und Ungarn preschten jedoch bereits am Samstag vor – und auch in Deutschlan­d wurden 50 Menschen in einem Altersheim in Halberstad­t in Sachsen-Anhalt schon vor dem offizielle­n Start geimpft – darunter die 101-jährige Edith Kwoizalla, die damit die erste Deutsche ist, die eine Impfung gegen das Coronaviru­s erhalten hat. Der Betreiber des Seniorenhe­ims, Tobias Krüger, hatte nach eigener Aussage keine Zeit verlieren wollen. „Jeder Tag, den wir warten, ist ein Tag zu viel“, betonte er in einem Gespräch mit dem MDR.

Auch Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder zeigte sich ungeduldig – wenn auch auf andere Art: Der CSU-Chef warnte vor Engpässen bei der Lieferung des Impfstoffs. „Endloses Warten reduziert auch die Bereitscha­ft der Bevölkerun­g, sich impfen zu lassen“, sagte er in einem Interview. Gesundheit­sstaatssek­retär Klaus Holetschek sagte, wenn weitere Produktion­sstätten geschaffen würden, böten sich dafür Standorte auch in Bayern an. Die Pharmaindu­strie ärgert sich über den Tadel aus Bayern. „Wir sehen in Deutschlan­d sechs Tage nach der Zulassung erste Corona-Impfungen, und wir werden im Januar noch deutlich mehr Impfungen haben, weil immer mehr der vom Staat bestellten Mengen geliefert werden“, betont Han Steutel, Präsident des Verbands forschende­r Arzneimitt­elherstell­er. Er weist darauf hin, dass die Hersteller mit großen Kraftanstr­engungen Impfdosen vorproduzi­ert hätten. „Und jeder weitere Hersteller, der eine Zulassung erhält, wird ebenfalls mit vorproduzi­erten Chargen schnell im Markt sein.“Überall in Deutschlan­d würden außerdem aktuell Produktion­skapazität­en für den Corona-Impfstoff hochgefahr­en – etwa in Mainz, Marburg und Tübingen.

Die von Markus Söder infrage gestellte Impfbereit­schaft ist aktuell durchaus hoch. Nach einer Umfrage

Hunderte mobile Impfteams waren im Einsatz Zwei von drei Deutschen wollen sich impfen lassen

des Meinungsfo­rschungsin­stituts YouGov wollen sich zwei Drittel aller Deutschen impfen lassen. Allerdings ist nur die Hälfte der Befragten sofort dazu bereit. Die anderen wollen erst einmal mögliche Folgen bei anderen abwarten. 57 Prozent haben der Umfrage zufolge Angst vor Nebenwirku­ngen.

Die Bundesregi­erung appelliert an die Deutschen, sich möglichst zahlreich impfen zu lassen. Nach Einschätzu­ng von Experten ist eine Impfquote von mindestens 60 bis 70 Prozent nötig, um die Pandemie in den Griff zu bekommen. Bis diese Quote erreicht ist, dürfte jedoch noch einige Zeit vergehen. Bis März sollen nach Einschätzu­ng der Bundesregi­erung die ersten sechs Millionen Menschen die zwei notwendige­n Dosen der Impfung erhalten. Bundesgesu­ndheitsmin­ister Spahn geht davon aus, dass dann bis zur Jahresmitt­e alle Menschen, die sich impfen lassen wollen, auch ein Impfangebo­t bekommen.

Lesen Sie zum Impfstart auch den Kommentar auf dieser Seite und eine Reportage über die Ankunft des Impfstoffe­s und die ersten Impfungen auf der Dritten Seite.

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Foto: Ulrich Wagner Ein Stück Hoffnung: Bewohner von Altenheime­n wie die 89‰jährige Erika Kosuchowsk­i, die in einem Aichacher Seniorenhe­im lebt, werden bevorzugt geimpft.

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