Koenigsbrunner Zeitung

Himmlische­r Nadelstich

- VON MICHAEL BÖHM bmi@augsburger‰allgemeine.de

Langeweile – viele von uns hatten ja schon längst vergessen, was das ist, in dieser immer hektischer und rastlosere­n Welt. Dann kam Corona – und plötzlich war sie wieder da, die Zeit, die man lange nicht mehr hatte (oder davon zumindest überzeugt war). Was also tun mit all der freien Zeit angesichts coronabedi­ngt begrenzter Möglichkei­ten? Lesen. Spaziereng­ehen. Nadeln am Baum zählen. Oder sich ins Flugzeug setzen und ein Bild an den Himmel malen.

Auf diese Idee kam jedenfalls ein junger Pilot aus Friedrichs­hafen, der mit seinem Kleinflugz­eug eine hunderte Kilometer lange Runde zwischen dem Bodensee und Ulm gedreht hat. Planlos? Im Gegenteil. Sein Flug erfolgte auf einer exakt geplanten Route, die am Ende das Bild einer Spritze ergab – zu begutachte­n auf der einschlägi­gen Internetse­ite Flightrada­r24, auf der die Routen von fast jedem Flugzeug nachvollzo­gen werden können. Der 20-jährige Student tat das nicht aus Langeweile, wie er selbst sagt, sondern weil er Flugstunde­n sammeln müsse und dies mit etwas Sinnvollem verbinden wollte. Konkret: einem Aufruf, sich gegen Corona impfen zu lassen.

Nun dürften den meisten von uns – mangels Flugzeug – himmlische Nadelstich­e dieser Art als Zeitvertre­ib verwehrt bleiben. Also doch ein Buch lesen? Spaziereng­ehen? Oder aus dem ganzen Geschenkpa­pier von Weihnachte­n einen Flieger basteln oder eine Spritze oder beides. Und die Nadeln am Baum sind auch noch nicht gezählt. Herrje, es gibt so viel zu tun. Man kommt einfach zu nichts in diesen Tagen. Die Zeit vergeht aber auch wie im Flug. Beim einen mehr, beim anderen weniger ...

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Screenshot: Flightrada­r24, dpa „Spritzenmä­ßig geflogen“, schrieb Spie‰ gel Online über den Flug des 20‰Jähri‰ gen.
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