„Laufen ist eine Lebenseinstellung“
Wilfried Matzke ist nicht nur selbst fast täglich unterwegs, sondern will mit seinen Berichten auch andere für diesen Sport begeistern
Seit Wochen ist es schwer, selbst Sport zu treiben, weil coronabedingt fast alle Sportstätten geschlossen sind. Wie geht es einem passionierten Läufer wie Ihnen dabei?
Wilfried Matzke: Einerseits freut man sich, dass viele Menschen das Laufen neu oder wieder entdeckt haben. Man sieht, dass es etliche Anfänger sind, wegen der Ausrüstung und weil sie recht schnell ins Schnaufen kommen. Zum anderen ist es sehr traurig, weil nur begrenzt Laufveranstaltungen stattfinden können.
Wie beeinträchtigt der Lockdown die Sportler in Ihrem Leistungsvermögen? Matzke: Um diese Jahreszeit beeinträchtigt es die Läufer weniger, außer diejenigen, die nicht ins Trainingslager in südliche Gefilde können.
Eine solche Situation ist auch für Sie ungewöhnlich. Schließlich betreuen Sie die Augsburger LeichtathletikSzene seit Jahren als Presseberichterstatter.
Matzke: Ja, ich kann in diesem Jahr gleich zwei Jubiläen feiern. Ich laufe selbst seit 50 Jahren und mache die Presseberichterstattung seit nun genau 25 Jahren. Statt der üblichen Ergebnisberichte brachte ich in den letzten Monaten aber vermehrt anderes unter, wie etwa Trainingstipps oder Streckenvorschläge.
Was fasziniert Sie am Job des Berichterstatters?
Matzke: Laufen ist für mich mehr als eine Sportart, sondern eine Art Lebenseinstellung, für die ich auch andere begeistern möchte. Das war der Anstoß, mit dem Schreiben anzufangen. Dabei war das Schreiben für mich anfangs schwierig, weil ich als Vermessungsingenieur eher technikorientiert bin. Also mehr ein Freund von Zahlen und nicht so von Worten. Deshalb musste ich mich erst reinfinden.
Doch Sie sind bisher nicht müde geworden?
Matzke: Nein, im Gegenteil. Jetzt mit 65 Jahren naht Mitte nächsten Jahres der Ruhestand, und da habe ich dann auch ausreichend Zeit.
Wie haben sich die Leichtathletik und die Berichterstattung verändert? Matzke: Durch die neuen Techniken – wie Email statt Schreibmaschine – ist natürlich vieles einfacher geworden. Und durch die Recherchemöglichkeiten im Internet wie Ergebnislisten oder persönliche Informationen über die Läufer. Früher musste man sie abfangen und interviewen. Jetzt erfährt man über das Internet ganz schnell, welche Erfolge der Sportler hat. Was schwieriger geworden ist, ist die Tatsache, dass die Leichtathletik nicht mehr den großen Stellenwert hat wie früher – nicht nur in Augsburg, sondern generell. Dazu kommt in Augsburg die Konkurrenzsituation zu den beiden Erstligisten im Fußball und Eishockey sowie den Kanu-Olympioniken. Das bedeutet für die Berichterstattung ein kleineres Platzangebot für den restlichen Sport.
Wie sehen Sie die Entwicklung speziell des Laufsports?
Matzke: Die Anzahl der klassischen Stadion- und Straßenläufer ist weniger geworden, der Trend geht hin zum Lauf-Event, zum Trailrunning, zum Ultralauf. Eher weg von den Zeiten. Das schlägt sich auch in den Ergebnissen nieder.
Wie wirkt sich das auf die Situation der Leichtathletik in Augsburg aus? Matzke: Wir haben aus meiner Sicht zwei Konzentrationen mit Vor- und Nachteilen. Zum einen, dass die Stadion-Leichtathletik
im wesentlichen bei der LG Augsburg liegt und der Laufsport sich bei der TG Viktoria Augsburg konzentriert. Daneben gibt es kaum noch etwas. Das liegt natürlich auch daran, dass die Anzahl der Leute, die sich ehrenamtlich engagieren, zurückgegangen ist. Früher hatten wir viele VollblutFunktionäre, die für ihren Verein alles gemacht haben. Heutzutage freut man sich, wenn man überhaupt jemanden findet, der etwas macht. Aber immer in Konkurrenz mit Beruf und Familie.
Wie sehen Sie die Zukunft der Leichtathletik in Augsburg?
Matzke: Es geht auf alle Fälle verstärkt hin zu breitensportlichen Veranstaltungen. Man sieht, dass die großen Laufveranstaltungen eher geprägt sind von Hobbysportlern. Es geht nicht mehr so sehr darum, wer gewinnt, sondern dass man dabei ist. Sogar bei diversen kleineren Leichtathletikmeisterschaften tauchen nun Hobbysportleistungen in den Ergebnislisten auf. Es gibt zwar noch schwäbische Top-Athleten, aber die werden weniger.
Wie verlief Ihre eigene Laufkarriere? Matzke: Ich habe in meiner Heimatstadt Frankfurt als Schüler unüblicherweise gleich mit der Langstrecke angefangen, hab mich dann aber zum Mittelstreckler durchgerungen, als ich noch leistungssportorientiert war und an hessischen und später bayerischen Meisterschaften teilnahm.
In Frankfurt hatten Sie sogar einen Laufverein gegründet...
Matzke: Ich habe dort vor 50 Jahren mit einem Start beim Volkslauf begonnen. Allerdings wollten mich eben alle Trainer von der Langstrecke auf die Mittelstrecke bringen und mich ansonsten partout nicht trainieren. Als es dann vom Deutschen Olympischen Sportbund die Idee gab, einen Lauftreff zu gründen, habe ich das 1974 gemacht. Daraus ist ein Laufverein geworden, der heute noch Spiridon Frankfurt heißt und einer der größten reinen Laufvereine in ganz Deutschland ist. In dieser Zeit habe ich von meinen Eltern als Abiturgeschenk auch die Teilnahme am Boston-Marathon in den USA geschenkt bekommen. Es war mein erster und einziger Marathon in Amerika.
Wo laufen Sie denn am liebsten? Matzke: Aufgrund meiner Lauffreude haben wir uns ein Haus am Siebentischwald sichern können, wo man direkt hinten raus starten kann. Für uns in idealer Lage. Man braucht natürlich Regenerationszeiten, aber generell fällt mir ein Tag ohne Laufen schwer.