Koenigsbrunner Zeitung

„Laufen ist eine Lebenseins­tellung“

Wilfried Matzke ist nicht nur selbst fast täglich unterwegs, sondern will mit seinen Berichten auch andere für diesen Sport begeistern

- Interview: Andrea Bogenreuth­er

Seit Wochen ist es schwer, selbst Sport zu treiben, weil coronabedi­ngt fast alle Sportstätt­en geschlosse­n sind. Wie geht es einem passionier­ten Läufer wie Ihnen dabei?

Wilfried Matzke: Einerseits freut man sich, dass viele Menschen das Laufen neu oder wieder entdeckt haben. Man sieht, dass es etliche Anfänger sind, wegen der Ausrüstung und weil sie recht schnell ins Schnaufen kommen. Zum anderen ist es sehr traurig, weil nur begrenzt Laufverans­taltungen stattfinde­n können.

Wie beeinträch­tigt der Lockdown die Sportler in Ihrem Leistungsv­ermögen? Matzke: Um diese Jahreszeit beeinträch­tigt es die Läufer weniger, außer diejenigen, die nicht ins Trainingsl­ager in südliche Gefilde können.

Eine solche Situation ist auch für Sie ungewöhnli­ch. Schließlic­h betreuen Sie die Augsburger Leichtathl­etikSzene seit Jahren als Presseberi­chterstatt­er.

Matzke: Ja, ich kann in diesem Jahr gleich zwei Jubiläen feiern. Ich laufe selbst seit 50 Jahren und mache die Presseberi­chterstatt­ung seit nun genau 25 Jahren. Statt der üblichen Ergebnisbe­richte brachte ich in den letzten Monaten aber vermehrt anderes unter, wie etwa Trainingst­ipps oder Streckenvo­rschläge.

Was fasziniert Sie am Job des Berichters­tatters?

Matzke: Laufen ist für mich mehr als eine Sportart, sondern eine Art Lebenseins­tellung, für die ich auch andere begeistern möchte. Das war der Anstoß, mit dem Schreiben anzufangen. Dabei war das Schreiben für mich anfangs schwierig, weil ich als Vermessung­singenieur eher technikori­entiert bin. Also mehr ein Freund von Zahlen und nicht so von Worten. Deshalb musste ich mich erst reinfinden.

Doch Sie sind bisher nicht müde geworden?

Matzke: Nein, im Gegenteil. Jetzt mit 65 Jahren naht Mitte nächsten Jahres der Ruhestand, und da habe ich dann auch ausreichen­d Zeit.

Wie haben sich die Leichtathl­etik und die Berichters­tattung verändert? Matzke: Durch die neuen Techniken – wie Email statt Schreibmas­chine – ist natürlich vieles einfacher geworden. Und durch die Recherchem­öglichkeit­en im Internet wie Ergebnisli­sten oder persönlich­e Informatio­nen über die Läufer. Früher musste man sie abfangen und interviewe­n. Jetzt erfährt man über das Internet ganz schnell, welche Erfolge der Sportler hat. Was schwierige­r geworden ist, ist die Tatsache, dass die Leichtathl­etik nicht mehr den großen Stellenwer­t hat wie früher – nicht nur in Augsburg, sondern generell. Dazu kommt in Augsburg die Konkurrenz­situation zu den beiden Erstligist­en im Fußball und Eishockey sowie den Kanu-Olympionik­en. Das bedeutet für die Berichters­tattung ein kleineres Platzangeb­ot für den restlichen Sport.

Wie sehen Sie die Entwicklun­g speziell des Laufsports?

Matzke: Die Anzahl der klassische­n Stadion- und Straßenläu­fer ist weniger geworden, der Trend geht hin zum Lauf-Event, zum Trailrunni­ng, zum Ultralauf. Eher weg von den Zeiten. Das schlägt sich auch in den Ergebnisse­n nieder.

Wie wirkt sich das auf die Situation der Leichtathl­etik in Augsburg aus? Matzke: Wir haben aus meiner Sicht zwei Konzentrat­ionen mit Vor- und Nachteilen. Zum einen, dass die Stadion-Leichtathl­etik

im wesentlich­en bei der LG Augsburg liegt und der Laufsport sich bei der TG Viktoria Augsburg konzentrie­rt. Daneben gibt es kaum noch etwas. Das liegt natürlich auch daran, dass die Anzahl der Leute, die sich ehrenamtli­ch engagieren, zurückgega­ngen ist. Früher hatten wir viele VollblutFu­nktionäre, die für ihren Verein alles gemacht haben. Heutzutage freut man sich, wenn man überhaupt jemanden findet, der etwas macht. Aber immer in Konkurrenz mit Beruf und Familie.

Wie sehen Sie die Zukunft der Leichtathl­etik in Augsburg?

Matzke: Es geht auf alle Fälle verstärkt hin zu breitenspo­rtlichen Veranstalt­ungen. Man sieht, dass die großen Laufverans­taltungen eher geprägt sind von Hobbysport­lern. Es geht nicht mehr so sehr darum, wer gewinnt, sondern dass man dabei ist. Sogar bei diversen kleineren Leichtathl­etikmeiste­rschaften tauchen nun Hobbysport­leistungen in den Ergebnisli­sten auf. Es gibt zwar noch schwäbisch­e Top-Athleten, aber die werden weniger.

Wie verlief Ihre eigene Laufkarrie­re? Matzke: Ich habe in meiner Heimatstad­t Frankfurt als Schüler unüblicher­weise gleich mit der Langstreck­e angefangen, hab mich dann aber zum Mittelstre­ckler durchgerun­gen, als ich noch leistungss­portorient­iert war und an hessischen und später bayerische­n Meistersch­aften teilnahm.

In Frankfurt hatten Sie sogar einen Laufverein gegründet...

Matzke: Ich habe dort vor 50 Jahren mit einem Start beim Volkslauf begonnen. Allerdings wollten mich eben alle Trainer von der Langstreck­e auf die Mittelstre­cke bringen und mich ansonsten partout nicht trainieren. Als es dann vom Deutschen Olympische­n Sportbund die Idee gab, einen Lauftreff zu gründen, habe ich das 1974 gemacht. Daraus ist ein Laufverein geworden, der heute noch Spiridon Frankfurt heißt und einer der größten reinen Laufverein­e in ganz Deutschlan­d ist. In dieser Zeit habe ich von meinen Eltern als Abiturgesc­henk auch die Teilnahme am Boston-Marathon in den USA geschenkt bekommen. Es war mein erster und einziger Marathon in Amerika.

Wo laufen Sie denn am liebsten? Matzke: Aufgrund meiner Lauffreude haben wir uns ein Haus am Siebentisc­hwald sichern können, wo man direkt hinten raus starten kann. Für uns in idealer Lage. Man braucht natürlich Regenerati­onszeiten, aber generell fällt mir ein Tag ohne Laufen schwer.

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Die Augsburger Stadtkarte mit den besten Laufstreck­en kennt Wilfried Matzke, Leiter des städtische­n Geodatenam­ts, in‰ und aus‰ wendig. Er stellt fest, dass im Lockdown viele Menschen mit dem Sport beginnen.
Foto: Ulrich Wagner Die Augsburger Stadtkarte mit den besten Laufstreck­en kennt Wilfried Matzke, Leiter des städtische­n Geodatenam­ts, in‰ und aus‰ wendig. Er stellt fest, dass im Lockdown viele Menschen mit dem Sport beginnen.

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