Das Wetteifern der adligen Zoobesitzer
„Geli, der Jagdgepard“wurde von Stefan, Katharina und Opa Otto erfunden
Fortsetzung von Teil 1:
Als Zar Alexander Alexandrowitsch in seinem Tierpark in Sankt Petersburg die mit sieben Meter achtzig höchste Giraffe der Welt präsentierte, dauerte es kein halbes Jahr, bis Lord Hattrick Snowbridge von Edingburgh in seinem Tierpark einen vierhundertneunzig Kilo schweren Gorilla vorstellte, den größten und schwersten Affen, der weltweit je entdeckt wurde. Und als Fürst Weichselbauer in Schönbrunn das berühmte Reblaus-Ballett aufbaute, ließ Zar Alexandrowitsch in Sankt Petersburg nicht lange warten und hob seinen Floh-Zirkus aus der Taufe.
So war es auch kein Wunder, dass am zwölften Mai viele, viele tausende Menschen die Straßen rund um den Tiergarten Schönbrunn säumten, nachdem die Wiener Zeitungen angekündigt hatten, dass an diesem Tag in der Mittagszeit die neueste Sensation von Fürst Kurtin von Weichselbauer in seinem Tierpark in Schönbrunn eintreffen werde: ein afrikanischer Jagdgepard von bisher noch nie gesehener Größe, von bisher noch nie erblicktem Körpergestell, von bisher noch nie erschautem Muskulatur- und Sehnenbau. Kurz, eine unglaubliche Sensation: das schnellste und wendigste und beweglichste Tier der Welt!
Die Menschen staunten nicht schlecht. „Unglaublich!“, riefen sie. Und: „Sensationell!“. Und: „Gewaltig!“. Alles war begeistert vom neuen Prunkstück, das Fürst von Weichselbauer in seinen Tierpark hat bringen lassen. In sicherem Abstand zogen die Menschen an dem Käfig vorbei und lobten den Herren ob seiner Güte, ihnen, den einfachen Menschen, den Menschen von der Straße, dieses wunderbare Tier auszustellen, zu zeigen, zu präsentieren. Selbst Zar Alexander Alexandrowitsch von Sankt Petersburg und Lord Hattrick Snowbridge von Edinburgh schauten in Wien vorbei und zeigten sich von der Neuanschaffung des Fürsten Kurtin von Weichselbauer durchaus angetan.
So schön der Anblick dieses geschmeidigen Tieres für den einen oder anderen aus dem Lande des Fürsten Weichselbauer vielleicht auch war. Für Geli selbst, den Geparden, war das alles andere als schön. Im Gegenteil: für ihn war das ganz, ganz schlimm. Nicht nur, dass er fern seiner Heimat war, dass da nichts war, was er kannte, was ihm vertraut war. Da war er auch, ein Tier, ein Jäger, der gewöhnlich über unendliche Weiten streifte, in einen engen Käfig eingesperrt, konnte sich kaum noch rühren. Ein paar Meter hin, ein paar Meter her – das war die ganze Freiheit. Und sein
Fressen, das er gewöhnlich in hartem Wettstreit erjagte, das er sich im wahrsten Sinne des Wortes in der freien Wildbahn erkämpfte, wurde ihm fertig hingeworfen: tote, oft schon stinkende Hühner, Wasservögel, Ziegen, Schafe oder anderes Aas aus dem Weichselbauerschen Tiergarten. Verendetes, verwestes Getier. Fortsetzung folgt nächsten Montag.
Diese Geschichte „Geli, der Jagdgepard“steht auch in dem Buch „Märchen aus CoronaTa gen“. Das ist im Beren kampVerlag erschienen, hat 212 Seiten und kostet 18,50 Euro. Geschrieben wurde es von Stefan und Katharina Meier und ihrem Opa Otto Köhlmeier.