Koenigsbrunner Zeitung

„Dieser Dezember war der Wahnsinn“

Alois Lesti ist als flinker und freundlich­er Paketzuste­ller in der Altstadt bekannt. Doch die Weihnachts­zeit und der Lockdown bringen auch ihn an seine Grenzen

- VON INA MARKS

Was Alois Lesti über die Weihnachts­feiertage getan hat? Nichts. Außer man betrachtet „ExtremeCou­ching“, wie der DHL-Mitarbeite­r mit zwinkernde­m Auge sagt, als eine exotische Sportart. Lesti hat sich in den vergangene­n Wochen mehr als genug bewegt. Die Paketboten haben einen Marathon-Dezember hinter sich. Corona und dann auch noch der Lockdown brachten die Zustelleri­nnen und Zusteller an ihre Grenzen. Der 48-jährige Lesti, der seit einigen Jahren in der Augsburger Altstadt ausliefert, sagt: „So etwas habe ich noch nie erlebt“. Vor den Feiertagen sah er noch müde aus, geschafft, seine wachen Augen waren kleiner als sonst. Leute sprachen ihn darauf an. Dabei ist der DHL-Bote ein drahtiger, sportliche­r Mensch, der mit seiner guten Konstituti­on viel wegsteckt. Wenn er seine frühe Schicht in der Augsburger Innenstadt beendet hat, joggt er normalerwe­ise nachmittag­s bei sich auf dem Land in Aindling noch eine Runde durch den Wald. Im Dezember aber dachte er gar nicht daran. „Joggen? Nein. Ich hatte die Schnauze voll. Nach der Arbeit war ich nur noch mit dem Hund Gassi, habe mir später was gekocht und lag um 21.30 Uhr schon im Bett“, sagt Alois Lesti, der von vielen Altstadtbe­wohnern „der Loiserl“genannt wird.

In der Vorweihnac­htszeit in den vergangene­n Jahren lieferte er üblicherwe­ise an einem Tag um die 150 Pakete aus, zu Spitzenzei­ten konnten es auch mal 200 sein. Dieses Jahr waren es bis zu 260 – und zwar ausnahmslo­s jeden Tag. So richtig anstrengen­d sei es vor allem nach dem Lockdown geworden. „An dem Samstag hätte ich allein in meiner Schicht 300 Pakete zustellen sollen. Aber das war nicht machbar. 250 bis 260 ist das Äußerste, das ich schaffe.“Damit liege er im Vergleich zu anderen Kollegen ganz gut. Er kenne nur einen, der tatsächlic­h 300 Pakete in einer Schicht meistere, ein Kollege, der in der Hammerschm­iede zustellt. Lesti lacht. „Der ist verrückt und auch noch zehn Jahre älter als ich. Er ist echt topfit.“

Es ist körperlich­e Arbeit, die die Zusteller leisten müssen. Vor allem in Zeiten von Corona, wo Kontakte reduziert sind, Geschäfte geschlosse­n haben und Gedanken- und Warenausta­usch hauptsächl­ich per Post funktionie­rt. Wie Lesti erzählt, sei unlängst ein älterer Kollege, der kurz vor der Rente stehe, mehr oder weniger zusammenge­brochen. Er habe nur noch vor sich hergemur„Aber ich muss doch noch Pakete zustellen“. Lesti und seine Kollegen erhielten in dieser besonderen Vorweihnac­htszeit Unterstütz­ung. Zusätzlich­e Mitarbeite­r seien eingestell­t worden, auch die Post habe Fahrten übernommen. Das habe super geklappt. Froh sei er über die Hilfe gewesen. „Es war das erste Mal, dass wir in drei Schichten gefahren sind – die letzte bis acht Uhr abends.“Wie viele Kollegen auch, verzichtet­e Lesti auf seine freien Tage. „Jeder von uns gab sein Bestes.“Über eines haben sich die Boten in den vergangene­n Wochen gefreut. „Wo früher ganze Häuserblöc­ke tagsüber leer waren, sind viele Menschen wegen des Homeoffice jetzt daheim. Das erspart uns Zeit.“Was denn alles so in der Vorweihnac­htszeit verschickt wurde?

„Wieder viel Wein. Und das sind mit die schwersten Pakete“, berichtet Lesti. Natürlich sei auch Kleidung dabei gewesen, vor allem aber viele kleine Geschenkse­ndungen. Lesti freut sich selbst, wenn manche aufwendig verpackt sind. Er hat noch ein Nikolauspä­ckchen vor Augen. „Da waren nette Fotos vom Absender drauf mit lustigen Sprüchen.“Er lacht wieder. „Da habe ich gleich selber hingeschau­t.“Einige Kunden habe er bislang gehabt, die sich in Quarantäne befinden. Lesti, immer mit Maske unterwegs, bleibt auf Abstand, das ist ihm wichmelt: tig. „Manchmal sagen mir die Leute auch, ich soll das Paket einfach unten im Eingang ablegen. Das macht es natürlich auch leichter.“Er wasche sich ständig die Hände, verwende Desinfekti­onsmittel, bewege Türklinken mit dem Ellenbogen. „Ich will Corona nicht bekommen.“

Der 48-Jährige sagt, er sei noch nie so oft auf seinen Beruf angesproch­en worden, wie in den vergangene­n Tagen. „Es wird jetzt viel mehr wertgeschä­tzt, was wir machen“, ist sein Eindruck. Darüber freut sich der immer gut gelaunte DHL-Bote. „Dieser Dezember war auch einfach nur der Wahnsinn. Zum ersten Mal habe ich meinen Rücken gespürt.“

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Foto: Silvio Wyszengrad DHL‰Bote Alois Lesti und seine Kolleginne­n und Kollegen haben einen harten Monat hinter sich.

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