Koenigsbrunner Zeitung

Das Koelle‰Mädchen vom Künstlerho­f

Die Skulptur sollte 1943 eingeschmo­lzen werden. Zur Waffenprod­uktion abgeliefer­t, überlebte die Bronzefigu­r den Krieg in Hamburg. Wo sie heute zu sehen ist

- VON FRANZ HÄUSSLER

Im Grafischen Kabinett im Höhmannhau­s neben dem Schaezlerp­alais ist die Ausstellun­g „Der Bildhauer Fritz Koelle“eingericht­et. Doch die Türe bleibt derzeit versperrt: Coronabedi­ngt sind Museen in Deutschlan­d geschlosse­n. Doch Fritz Koelle ist in Augsburg auch im Freien präsent: Sein „Flößer“steht an der Neuburger Straße in Lechhausen, seine „Bergmänner“sind an der Fritz-Koelle-Straße und in Oberhausen zu sehen.

Fritz Koelles meist schwergewi­chtige Skulpturen waren nicht als Museumsobj­ekte gedacht, sondern für den öffentlich­en Raum. Eher ein Leichtgewi­cht ist ein Frühwerk des 1895 in Augsburg geborenen, 1953 verstorben­en Bildhauers, das ebenfalls im Freien steht: das Bronzemädc­hen im Brunnenmei­sterhof bei den Wassertürm­en am Roten Tor. Es hat ein ungewöhnli­ches Schicksal.

Fritz Koelle signierte die Mädchenfig­ur 1922. Erster Aufstellun­gsort war der Künstlerho­f, ein 1925/26 im Domviertel errichtete­s Wohn- und Arbeitsgeb­äude für Bildhauer, Maler, Grafiker und Architekte­n. Fotos zeigen das „KoelleMädc­hen“im Innenhof über einem achteckige­n Brunnenbec­ken. Ab August 1943 fehlte dort die Bronzeskul­ptur: Sie war mit anderen Augsburger Brunnenfig­uren als „Metallspen­de der deutschen Städte“zur Waffenprod­uktion abgeliefer­t worden. Das Koelle-Mädchen landete zwar 1943 bei der Norddeutsc­hen Affinerie in Hamburg, jedoch nicht im Hochofen. Es überlebte den Krieg auf einem Lagerplatz der Metallschm­elze.

Davon erfuhr man in Augsburg im Dezember 1949. In Hamburg fanden sich insgesamt fünf Kunstbronz­en aus Augsburg: der Prinzregen­t, der Goldschmie­d vom MartinLuth­er-Platz, der junge Mann mit Weinschlau­ch vom Kesterbrun­nnen, die Brunnen-Nymphen von der Langenmant­elstraße und das Koelle-Mädchen. Im August 1950 kehrten die fünf Skulpturen nach Augsburg zurück. Vier wurden noch 1950 auf ihre sieben Jahre verwaisten Podeste gehoben. Das grazile Mädchen war heimatlos: Bomben hatten 1944 den Künstlerho­f schwer beschädigt, die Teilruine war zum Abbruch vorgesehen.

Der Künstlerho­f war 1925/26 erbaut worden. Zu dieser Zeit verfügte die Künstlerve­reinigung „Die Ecke“über eine einflussre­iche Lobby. Zu den Mitglieder­n zählte der städtische Oberbaudir­ektor Otto Holzer. Er plante den Künstlerho­f als Domizil für Kunstschaf­fende.

Die Einweihung fand am 17. Juni 1926 statt. Die damalige Adresse: Litera C 81 (ab 1938: Beim Pfaffenkel­ler 3) im Domviertel.

Bei der Einweihung wurde die Frage „Zweg’n was hat man den Künstlerho­f baut?“so beantworte­t: „Weil die Künstler stets sag’n, sie bring’n ohne Werkstatt nix z’samm, so daß s’ jetzt koa Ausred mehr ham.“Zwölf Ateliers waren im Juni 1926 an zwei Architekte­n, acht Maler und zwei Bildhauer vergeben. Zu den Arbeitsräu­men im Obergescho­ss gehörte jeweils ein Empfangsra­um im Parterre. Er wurde meist als Wohnung genutzt.

Der Innenhof bildete den Treffpunkt. Der Viereckhof war von den bis zu dreistöcki­gen Bautrakten und an drei Seiten von Arkaden umgeben. Den Mittelpunk­t des Hofes bildete der Brunnen mit dem KoelleMädc­hen. Bauherr und Besitzer des Künstlerho­fes war die Stadt Augsburg. Der bayerische Staat und die Stadt hatten den Bau finanziert. Die Künstlerve­reinigung „Die Ecke“verwaltete den Künstlerho­f und wählte die Nutzer aus.

Nicht mal 18 Jahre überlebte der Künstlerho­f. In der Bombennach­t vom 25. auf den 26. Februar 1944 wurde er zur Ruine. Fenster und Türen waren geborsten, die Dächer abgebrannt, ein Trakt völlig zerstört. Für eine umfassende Instandset­zung fehlten die Mittel. Notdürftig hergericht­ete Räume wurden in Zeiten höchster Wohnraumno­t genutzt. 1954 lebte als letzter Künstler der Bildhauer Franz Schmid darin. Auch eine Mütterbera­tungsstell­e war untergebra­cht.

1955 wurden die Reste des Künstlerho­fs abgebroche­n und das Grundstück geräumt, um darauf eine Jugendherb­erge zu bauen. Im Jahr der Einweihung (7. Mai 1956) konnten darin 13.269 Übernachtu­ngen registrier­t werden, im Laufe von 50 Jahren waren es rund 1,3 Millionen. 2006 löste ein 224-Betten-Jugendhote­l am Unteren Graben die Jugendherb­erge Am Pfaffenkel­ler ab. Sie wurde abgebroche­n, um einer Wohnanlage Platz zu machen.

Die Nachkriegs­geschichte des Koelle-Mädchens: Als es 1943 zum Einschmelz­en abgeliefer­t wurde, besaß es noch beide Arme. Jetzt verfügt die Skulptur nur noch über Armstümpfe. Der Grund: Bei der Rückkehr aus Hamburg fehlte ein Arm. Das Bronzemädc­hen kam wie die anderen Brunnenfig­uren zur Reinigung und Reparatur in die Bronzeware­nfabrik Riedinger. Dort entfernte man aus Symmetrieg­ründen den anderen Arm. Es gibt ihn noch: Er wird von den Kunstsamml­ungen verwahrt. Man wollte 1950 die Figur so rasch wie möglich der Öffentlich­keit präsentier­en, und zwar in der Grünanlage Am Alten Einlass. Doch dieser Standort wurde verworfen. Aufgestell­t wurde das „amputierte“Bronzemädc­hen erst 1953 im Rosengarte­n in der damals neu gestaltete­n Grünanlage am Fuß des Roten Torwalls. Dort stand die Skulptur fast 50 Jahre. Brutaler Vandalismu­s zwang dazu, sie im Mai 2002 in Sicherheit zu bringen.

Die Kunstsamml­ungen bargen die beschädigt­e und übel verschmier­te Figur. Nach der aufwendige­n Restaurier­ung fand sie im Brunnenmei­sterhof unweit vom vorherigen Standort einen gesicherte­n Freiluftpl­atz: Der Zugang zum idyllische­n, von drei Wassertürm­en und dem Schwäbisch­en Handwerker­museum umrahmten Hof ist verschließ­bar.

 ?? Fotos: Sammlung Häußler ?? Der Innenhof des Künstlerho­fes mit Arkaden und Brunnen im Jahr 1938. Das Koelle‰Mädchen stand bis August 1943 über dem Brunnenbec­ken.
Fotos: Sammlung Häußler Der Innenhof des Künstlerho­fes mit Arkaden und Brunnen im Jahr 1938. Das Koelle‰Mädchen stand bis August 1943 über dem Brunnenbec­ken.
 ??  ?? 1954: das grazile Bronzemädc­hen im Rosengarte­n am Roten Tor. Hier verbrachte es fast 50 Jahre.
1954: das grazile Bronzemädc­hen im Rosengarte­n am Roten Tor. Hier verbrachte es fast 50 Jahre.
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Im Brunnenmei­sterhof fand die Skulptur nach der Restaurier­ung eine neue Hei‰ mat.
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Foto: Untere Denkmalsch­utzbehörde Übel zugerichte­t kam die Bronzeskul­ptur in die Restaurier­ungswerkst­att.

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