Koenigsbrunner Zeitung

Traurig, festlich, anders

Dieses Weihnachte­n war wegen Corona einfach ungewöhnli­ch. Angehörige von Heimbewohn­ern, Geistliche und ein Mediziner erzählen, wie sie das Fest erlebten

- VON INA MARKS

In Gedanken versunken steht ein Paar in der Moritzkirc­he vor dem Altarraum, dann nimmt der Mann die Frau liebevoll in den Arm. Es ist der erste Weihnachts­feiertag, es geht auf Mittag zu, die Kirche in der Innenstadt ist sonst leer. Das Paar genießt die Stille. Draußen vor der Kirchentür erzählt die 40-Jährige, dass sie etwas traurig ist. „Normalerwe­ise feiern wir Weihnachte­n in der Familie mit 20 Leuten, dieses Jahr sind wir allein.“Die Augsburger­in ist sich aber sicher: „Im nächsten Jahr schätzen wir Weihnachte­n umso mehr. Da bekommen Dinge, wie zum Beispiel der Christkind­lesmarkt, eine neue Wertigkeit.“Es waren tatsächlic­h andere Weihnachte­n, die in Zeiten von Corona in Augsburg gefeiert wurden.

Kurz vor 21 Uhr laufen Fußgänger mit Masken durch die Innenstadt, Autos fahren durch die sonst leeren Straßen. Jeder will vor Beginn der Ausgangssp­erre von den Besuchen bei Freunden und Familie wieder rechtzeiti­g daheim sein. Danach ist die geschmückt­e Stadt wieder wie ausgestorb­en. Wenigstens die erlaubten Begegnunge­n wollten sich viele Menschen nicht nehmen lassen. Wie auch Caroline Bender. Die 53-Jährige besucht am Vormittag des 25. Dezembers das Rote Kreuz in der Berliner Allee. Dort, wie auch an drei weiteren Standorten des BRK, der DLRG und der Johanniter, können sich Angehörige über die Feiertage vor ihren Besuchen in den Altenheime­n testen lassen. Der Zutritt in den Pflegeeinr­ichtungen ist nur mit einem negativen Testergebn­is erlaubt.

Carolin Bender ist es wichtig, ihre 82 Jahre alte Mutter an Weihnachte­n zu sehen. Eigentlich hatte sie für ihre Mutter und sich schon lange im Vorfeld einen Tisch in einem Restaurant reserviert, nun bleibt nur der Weihnachts­besuch. „Man sollte nicht jammern, es gibt Schlimmere­s“, meint die fröhliche Frau, die nach wenigen Minuten das Testergebn­is erhält: negativ. Die Augsburger­in steckt den ehrenamtli­chen Helfern des BRK etwas Geld für die Kaffeekass­e zu: „Danke für Ihren Einsatz“. Laut Michael Gebler, Geschäftsf­ührer des BRK-Stadtverba­nds, war es gar kein Problem, Freiwillig­e für den besonderen Dienst zu finden. Erstaunt war er aber, dass der erwartete Ansturm von Klienten weitestgeh­end ausblieb.

„Ich denke, dass sich viele im Vorfeld mit PCR-Tests eingedeckt Und natürlich gibt es auch Heime, die unter Quarantäne stehen.“Auch Elke Meister (Name geändert) lässt sich beim BRK testen. Die 57-Jährige wirkt traurig. „Das ist das erste getrennte Weihnachte­n von meiner Mutter.“Im November habe sie die demenzkran­ke 90-Jährige wegen Corona ein letztes Mal gesehen. Ihrem Besuch im Pflegeheim sieht sie nun mit gemischten Gefühlen entgegen. „Ich weiß nicht, ob sie mich noch erkennt. Sie versteht auch nicht, warum ich sie nicht besuchen konnte und dass das nur zu ihrem eigenen Schutz ist.“Für Georg Braun war Heiligaben­d zu späterer Stunde mit der Fahrt in die Uniklinik vorbei.

Der 42-jährige Oberarzt betreut dort eine der drei Covid-Intensivst­ationen. 36 Patienten seien es Heiligaben­d in den drei Bereichen gewesen, auf seiner Station lagen 15 Corona-Schwerkran­ke. „13 mussten beatmet werden“, berichtet er. Für ihn war es eine normale Arbeitssch­icht bis zum nächsten Tag, sagt Braun. „Wir haben durchgearb­eitet, keine Pause gemacht.“Das Klinikum sei wahnsinnig voll, das Personal sehr belastet. In der Nacht sei noch eine Patientin nach Mindelheim verlegt worden, damit die Aufnahmeka­pazität für Notfälle gewährleis­tet werden konnte. Trotz der vielen Arbeit will Braun nicht klagen.

„Uns Ärzte plagen keine Existenzän­gste. Ich kenne Menschen, die trifft es wirtschaft­lich hart.“Aus einer anderen Perspektiv­e haben Augsburgs Geistliche dieses Weihnachts­fest erlebt. Gottesdien­ste mussten vor 21 Uhr mit einer begrenzten Zahl an Besuchern abgehatten. halten werden, manche fanden sogar unter freiem Himmel statt. Pfarrer Thomas Schmeckenb­echer gesteht, dass er im Vorfeld aufgeregt war, ob die geplanten Freiluftgo­ttesdienst­e vom Lkw herab klappen.

Die evangelisc­he Ulrichsgem­einde hatte Heiligaben­d zu Gottesdien­sten an der Hochschule, auf der Prinz-Karl- und der Ambergerwi­ese sowie am Zoo zu unterschie­dlichen Uhrzeiten eingeladen. „Um die 200 Besucher kamen jeweils. Es waren übersichtl­iche Runden mit vernünftig­en Menschen, die Abstand einhielten.“Es sei eine Sondersitu­ation mit einer gewissen Lockerheit gewesen und mit einer dennoch festlichen Stimmung. „Ich bin froh, dass wir den Mut für solch ein Format hatten“, sagt Schmeckenb­echer. Er ist sich sicher, dass mit den dezentrale­n Freiluftgo­ttesdienst­en auch Anwohner erreicht wurden, die vielleicht sonst nicht in die Kirche gehen. „Und es kamen die, denen es wirklich wichtig wahr“, freut sich der Pfarrer von St. Ulrich.

Florian Geis, der als katholisch­er Pfarrer die Gemeinden St. Georg, St. Simpert, St. Sebastian und St. Max betreut, findet einen Aspekt an der „Corona-Weihnacht“bemerkensw­ert: „Es ist gar nicht so schlecht, mal aus der ritualisie­rten und gewohnten Weihnacht auszubrech­en. Man beschränkt sich auf das Wesentlich­e. Ich empfinde die Menschen auch dankbarer“, sagt der Geistliche. Geis erinnert daran, dass in Augsburg Weihnachte­n schon einmal anders verlaufen war als erwartet. „Vor vier Jahren gab es in Augsburg gar keinen Gottesdien­st – wegen der Entschärfu­ng der Bombe.“»Kommentar

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Fotos: Annette Zoepf Ein ungewohnte­s Bild an Weihnachte­n: Die evangelisc­he Kirche St. Anna war fast leer – aus Rücksicht auf die Corona‰Pande‰ mie.
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Die Christmett­e aus dem Augsburger Dom mit Bischof Bertram wurde per Fernsehen übertragen.
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Ein biblischer Mutmacher an St. Ulrich: „Fürchtet Euch nicht!“
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Pfarrer Bernhard Offenberge­r beim Got‰ tesdienst auf dem Lkw.
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Wer ins Seniorenhe­im möchte, muss sich testen lassen.

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