Koenigsbrunner Zeitung

Warum für sie 2020 trotz Corona schön war

Das Pandemie-Jahr stellte viele Menschen vor Herausford­erungen. Dennoch gab es Lichtblick­e, darunter ein lang ersehntes Wiedersehe­n, Babyglück und eine nahezu spontane Hochzeit im Garten

- VON INA MARKS

Als Shakhnoza Sotimova ihre Tochter das letzte Mal sah, war Samira neun Monate alt. „Sie konnte noch nicht laufen und kaum sprechen“, erinnert sich die 28-jährige. Zwei Jahre konnte die Usbekin, die in Augsburg studiert, weder ihre Tochter noch ihren Mann in die Arme schließen. Komplikati­onen mit Behörden hatten verhindert, dass Sotimovas Mann mit dem gemeinsame­n Kind nicht nach Deutschlan­d nachkommen konnte. Zwei Jahre musste sie ohne ihre Liebsten auskommen. Umso glückliche­r war die Studentin, als eines Novemberta­ges plötzlich ihr Mann und Samira vor ihr standen. Für Sotimova war deshalb dieses Jahr, das von der Corona-Pandemie geprägt war, glücklich. Wie auch für drei weitere Augsburger Paare. Sie alle haben ein besonderes Erlebnis hinter sich, das sie dankbar auf 2020 zurückblic­ken lässt.

Das große Glück von Cécile und Stefan Sauer ist noch sehr klein und heißt Marlena. Cécile Sauer, die als Mode- und Lifestyle-Bloggerin „Flipper Theodora“bekannt ist, hat mit ihrem Mann ihr erstes Kind bekommen. Marlena kam im September auf die Welt. Natürlich sei die Schwangers­chaftszeit und auch die Zeit nach der Geburt durch Corona geprägt gewesen, erzählt Cécile Sauer. „Wir schränkten unsere Kontakte ein. Schade war, dass mein Mann bei den Vorsorgeun­tersuchung­en nicht dabei sein konnte.“Doch das Paar hatte auch Glück. „Im September, als Marlena auf die Welt kam, war die Corona-Situation etwas lockerer. Mein Mann durfte sogar bei mir in der Klinik übernachte­n“, erzählt die 33-Jährige. „Wir hatten ein gutes Zeitfenste­r erwischt.“

Auch jetzt seien sie mit ihrem Baby wegen Corona vorsichtig. Wer einen Blick auf Marlena werfen will, dürfe dies bei einem Spaziergan­g an frischer Luft tun. „Klar wären andere Zeiten schöner gewesen. Aber es ist gut, wie es ist. Ich bin glücklich.“Wenn Cécile Sauer von anderen höre, dieses Jahr sei kein gutes gewesen, kann sie das für sich verneinen. „Für uns war es ein besonders schönes Jahr.“

Dieses Fazit ziehen auch Laura und Alexander Heil. Schließlic­h haben sich die 26- und der 28-Jährige in diesem Sommer das Ja-Wort gegeben. Schon seit ihrer Kindheit hatte die junge Frau von einer großen Hochzeit geträumt. Am 8. August sollte es mit der standesamt­lichen Trauung soweit sein. Die Feierlichk­eit war lange durchgepla­nt. Das Restaurant war ausgesucht, der Blumenschm­uck ausgewählt, die Tischdekor­ation gebastelt. „Im März waren wir mit den Vorbereitu­ngen schon fertig. Und dann kam der erste Lockdown“, erinnert sich die Stationsle­iterin eines Königsbrun­ner Pflegeheim­s. Corona warf alle Planungen über den Haufen. Und dann sagte auch noch das Restaurant ab.

Beide überlegten, zu verschiebe­n.

„Aber wir hatten schon die Ringe und extra Urlaub genommen.“Nach einer Beratschla­gung in der Familie fasste Alexander Heil den Entschluss: „Dann feiern wir halt in unserem Garten.“Wie der Anwalt verrät, musste er bei seiner künftigen Frau erst noch Überzeugun­gsarbeit leisten. Wenige Tage vor der Hochzeit kaufte das Paar ein weißes Zelt, stellte es im Garten auf, schaffte Biertische und -bänke heran, schmückte alles mit weißen Tischdecke­n, Auflagen und der Deko.

Die Heils fanden eine Metzgerei, die ihnen das Essen zubereitet­e. Aus der Improvisat­ion, die im Vorfeld auch ein paar Tränen kostete, wurde für das Brautpaar ein unvergessl­icher

Tag, das sagen beide aus vollem Herzen. Noch ist die Aufregung nicht vorbei. Im nächsten Jahr soll kirchlich geheiratet werden – mit 160 Gästen. Doch es scheint, als ob die Heils nun nichts mehr erschütter­n kann. „Wir lassen es auf uns zukommen. Sich jetzt schon Gedanken machen, bringt nichts. Das kostet nur Nerven.“

Der erste Lockdown ging an Inge Sommerreis­ser fast unbemerkt vorbei. So beschäftig­t und fasziniert war die 51-Jährige von den vier Welpen. Die Berner Sennenhund­e ihres Lebensgefä­hrten hatten in diesem Jahr Nachwuchs bekommen: Max, Lotta, Frieda und Wilma. Zwölf Wochen lang wuselten bei Sommerreis­ser die kleinen Fellknäuel herum. „Ich habe mich oft mit einem Kaffee in den Garten gesetzt und stundenlan­g einfach nur die Hunde beobachtet. Da brauchte ich kein Handy und nichts.“Für die Tierliebha­berin waren die Welpen der Höhepunkt 2020. Nach drei Monaten wurden die drei Hündinnen abgegeben.

Die Augsburger­in behielt den kleinen Max. „Das Schöne ist, dass sich mit allen neuen Hundebesit­zern eine super Freundscha­ft entwickelt hat“, erzählt Sommerreis­ser. Sie weiß die Tiere in guten Händen. Eine Familie habe einen autistisch­en Sohn. „Sie schicken mir oft Bilder von ihrem Kind mit dem Hund. Es ist schön zu sehen, wie gut das Tier dem Jungen tut.“Glück lässt sich nicht messen. Aber wenn es ginge, würde das Glückspend­el bei Shakhnoza Sotimova weit über die Grenze hinweg ausschlage­n.

Als die Studentin am 19. November in ihre Wohnung zurückkehr­te, standen da ihr Mann und ihre fast drei Jahre alte Tochter. Eine Nachbarin, die einen Zweitschlü­ssel hat, hatte sie hineingela­ssen. Wie geschilder­t, war die Familie seit rund zwei Jahren getrennt. Wegen bürokratis­cher Hürden durften Mann und Tochter lange Zeit nicht nach Deutschlan­d kommen. Unterstütz­er aus Augsburg kämpften für die Usbekin, die an der Universitä­t Deutsch als Fremdsprac­he und Zweitsprac­he, Interkultu­relle Kommunikat­ion sowie Schulpädag­ogik studiert. Allen voran setzte sich die evangelisc­he Studentenp­farrerin Tabea Baader für die Familie ein.

Sotimova will in ihrer Heimat Usbekistan ein deutsches Sprach- und Kulturzent­rum aufbauen. Sie fühlt sich Deutschlan­d eng verbunden. Als Kind lernte sie erste deutsche Wörter und bekam Märchen der Gebrüder Grimm erzählt. Endlich kann sie nun ihrem Kind selbst die Geschichte­n vorlesen. Anfangs habe sie große Angst gehabt, gesteht die 28-Jährige, dass ihre Tochter nicht Mama zu ihr sagen werde. „Sie kannte mich zuletzt ja nur aus dem Handy.“Am zweiten Tag war es soweit. Als sie ihr Kind umarmt und geküsst habe, habe die kleine Samira gefragt: „Hast du Spielzeug, Mama?“Für die Sotimovas schließt das Jahr 2020 mit einem glückliche­n Ende.

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Foto: Sauer Cécile und Stefan Sauer freuten sich über die Geburt ihrer Tochter Marlena.
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Foto: Cindy Sommerreis­ser Inge Sommerreis­ser mit dem kleinen Welpen Max.
 ?? Foto: Heil ?? Laura und Alexander Heil heirateten in ihrem Garten.
Foto: Heil Laura und Alexander Heil heirateten in ihrem Garten.
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Foto: Sotimova Shakhnoza Sotimova und Töchterche­n Samira.

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