Ein Bilderbuch der schwäbischen Geschichte
Werner Malcher aus Altenmünster hat jahrelang die Burgauer Landtafel studiert – und ein Buch über das 400 Jahre alte und fast neun Quadratmeter große Ölgemälde verfasst. Es gibt so manches Geheimnis preis
Altenmünster/Landkreis Augsburg Es war so etwas wie Liebe auf den ersten Blick: Als Werner Malcher vor fünf Jahren die Burgauer Landtafel in Wangen im Allgäu in einer Ausstellung sah, war er fasziniert. Er dachte sich: „Die Karte muss man doch auch den Menschen im Augsburger Land zeigen.“Der pensionierte Bankkaufmann besorgte sich im Bayerischen Nationalmuseum eine Reproduktion und begann, das knapp drei auf drei Meter große Ölgemälde aus dem Jahr 1613 zu studieren. Was er alles entdeckt hat und noch mehr, hat der Hobbyhistoriker jetzt in einem Buch zusammengefasst – Heimatgeschichte vom Feinsten.
Malcher analysiert auf über 250 Seiten die Landtafel mit den abgebildeten Städten und Märkten, den Grundherren und gibt einen umfassenden geschichtlichen Abriss über die Markgrafschaft von Burgau. Er geht auch auf Johann Andreas Rauch ein, der die Landtafel und etliche andere Gemälde gemalt hat. Elf Monate zog Rauch durch die Region, um sich ein maßstabsgetreues Bild machen zu können. Aus der Vogelperspektive hielt Rauch über 300 Orte der ehemaligen Markgrafschaft Burgau fest. Viele existieren heute nicht mehr, auch viele Ortsherren sind von der Bildfläche verschwunden.
Auftraggeber der Karte war Karl von Burgau, der Sohn von Erzherzog Ferdinand von Österreich und Bruder von Kaiser Maximilian II. Rauch sollte auf der Karte jede Siedlung und die zugehörige Herrschaft festhalten. Feuerstätten und die Anzahl der vorhandenen Häuser musste er ebenfalls vermerken. Malcher weiß: „Die Karte sollte für künftige Rechtsstreitigkeiten um die Landeshoheit herangezogen werden.“Entlohnt wurde der Stadtmaler von Wangen übrigens mit einem Honorar von 1000 Gulden und einer Aufwandsentschädigung von 55 Gulden. Malcher, der pensionierte Bankkaufmann, hat ausgerechnet: Der Betrag würde heute dem Wert eines Einfamilienhauses entsprechen. Reich geworden ist der Maler Rauch nicht. Er starb wohl mittellos an einem unbekannten Ort auf einer Rückreise von Wien. Der Künstler hatte nach den Recherchen von Malcher seine erste Frau Rosina Wieser bei der Geburt des siebten Kindes verloren. Um 1628 starben auch seine zweite Frau und mehrere Kinder an den Folgen der Pest. Ein Rechtsstreit mit der Stadt Lindau um ein ausstehendes Honorar und Alkohol trieben Rauch in den Ruin.
Auf der Burgauer Landtafel hatte er sich selbst verewigt: Bei Gablingen – damals ein Ort mit Schloss und 80 Häusern – ist er mit zwei Gehilfen zu sehen. Einer hält die Messergebnisse auf Papier fest, der andere hält zwei Stangen. Rauch legt mit einem Kompass die Richtung fest. Alle Kartografen haben einen Degen dabei. Malcher: „Die Zeiten waren gefährlich.“Reisende wurden oft überfallen und ausgeraubt.
Wie in einem Wimmelbuch hat Rauch verschiedene Szenen aus dem Alltag festgehalten. Eine schwangere Magd ist zu entdecken oder auch ein Gänsedieb und Flößer auf dem Lech. Zwischen Augsburg und Gersthofen sind Wanderer unterwegs und eine Kutsche mit Herrschaften auf dem Handelsweg von Donauwörth nach Augsburg. Oft gibt es Untertitel. Eine Frau wird zum Beispiel ihrem Mann untreu und bittet: „ach mein herr, sagst nur nit von mir.“Er antwortet: „Ich sags nicht, mein holdselige seit sicher.“
Malcher, der drei Jahre für das Buch recherchierte, bezeichnet die Landtafel auch als „Lebensdokument“. Es ist ein Bindeglied zwischen Orts- und Landesgeschichte, das auch den in Vergessenheit geratenen Duria-Gau würdigt. Malcher lässt die Bilder sprechen und macht so ein für den Laien entrücktes Kapitel Geschichte lebendig.
ODas Buch „Burgauer Landtafel“ist im WißnerVerlag Augsburg (ISBN 9783957862051) erschienen und unter anderem dort erhältlich. Der Preis beträgt 38,50 Euro.