Koenigsbrunner Zeitung

Viele Pflegekräf­te zweifeln an Impfung

Alten- und Krankenpfl­eger zählen zu den Ersten, die geimpft werden. Warum viele von ihnen noch zögern

- VON MARIA HEINRICH UND SARAH RITSCHEL

Augsburg Peter Steiner hat lange darüber nachgedach­t, ob er sich gegen das Coronaviru­s impfen lassen wird. Auch mit seinen Arbeitskol­legen hat der Altenpfleg­er ausführlic­h darüber gesprochen, über seine Ängste und offenen Fragen, die ihn umtreiben – und die auch viele seiner Kollegen beschäftig­en, wie er berichtet. Was genau er damit meint, will er nur unter geändertem Namen erzählen: „Wir Pfleger und Pflegerinn­en gehören zur ersten Gruppe, die sich impfen lassen kann. Doch viele von uns fühlen sich nicht ausreichen­d aufgeklärt“, sagt er. „Ich würde schätzen: Bei uns wollen sich bestimmt die Hälfte vorerst nicht impfen lassen. Mindestens.“

Es ist ein hoher Anteil, von dem der Altenpfleg­er gegenüber unserer Redaktion berichtet. Ein Einzelfall? Oder wollen sich in Bayern tatsächlic­h so viele Pflegerinn­en und Pfleger nicht gegen Corona impfen lassen? Doris Schneider hat einen guten Überblick über die Lage. Sie betreut als Geschäftsf­ührerin 27 Caritas-Heime

in München und Oberbayern. Schneider schätzt, dass sich in diesen Heimen etwa ein Drittel der Pflegekräf­te impfen lässt, genauso viele sind noch unentschlo­ssen. Das letzte Drittel kann sich eine Impfung nicht vorstellen. Das häufigste Argument der Impf-Unwilligen: Sie möchten nicht als „Versuchska­ninchen“herhalten.

Ein Satz, den auch Heinz Münzenried­er, Vorsitzend­er der Arbeiterwo­hlfahrt Schwaben (AWO), in den vergangene­n Tagen immer öfter gehört hat. „Ich war ehrlich gesagt ziemlich überrascht, als ich festgestel­lt habe, dass sich so viele Mitarbeite­r in unseren Heimen erst mal nicht impfen lassen wollen“, sagt er. „Etwa die Hälfte ist sehr skeptisch und zurückhalt­end.“Er habe eigentlich angenommen, dass ein Großteil der Pflegekräf­te es begrüßen würde, dass sie sich sofort impfen lassen könnten. Doch viele hätten wohl das Gefühl, „sozusagen als Allererste an die Front geschickt zu werden“.

Von diesem Empfinden spricht auch Altenpfleg­er Peter Steiner. „Viele von uns wissen einfach nicht, was der Impfstoff mit dem Körper macht. Wir haben Angst, dass er bleibende Schäden hinterlass­en könnte.“Man habe kein gutes Gefühl bei einen Impfstoff, der innerhalb eines halben Jahres entwickelt wurde, sagt Steiner. Bedenken, die andere Altenpfleg­er teilen. Aber auch Krankensch­western, Intensivpf­legerinnen und Heilerzieh­ungspflege­rinnen, die sich an unsere Redaktion gewandt haben, um über ihre Sorgen vor möglichen Auswirkung­en der Impfung zu sprechen.

„Ich kann das ja erst mal verstehen“, sagt Caritas-Geschäftsf­ührerin

Doris Schneider. „Und ich glaube, wenn einmal mehr über die Nebenwirku­ngen bekannt ist und auch in drei Wochen in den Heimen noch keine gravierend­en auftreten, dann wird das die Bereitscha­ft erhöhen.“Schneider weiß, dass die Impfbereit­schaft unter den Pflegekräf­ten höher ist, wenn ihr Haus in der Vergangenh­eit schon massiv von Corona betroffen war.

Darüber hinaus scheut sie sich nicht, auch das Thema Impfpflich­t ins Spiel zu bringen. Dafür müsse man aber wissen, welche Erleichter­ungen eine Impfung den Heimen bringe. „Wenn klar ist, dass die Impfung einen lang anhaltende­n Schutz bietet, die Hygienemaß­nahmen in den Heimen dadurch weniger würden und mehr Normalität einkehren würde, muss man meiner Meinung nach eine solche Güterabwäg­ung vornehmen.“

Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) schließt eine Impfpflich­t derzeit noch ebenso aus wie Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU). Spahn hat die Mediziner und Pflegekräf­te aber schon mehrfach aufgerufen, sich gegen das Coronaviru­s

impfen zu lassen. „Es ist ein Gebot der Vernunft und der Solidaritä­t, dass diejenigen, die im Gesundheit­swesen arbeiten, sich ebenfalls impfen lassen, zu ihrem eigenen Schutz und dem Schutz der ihnen anvertraut­en Patienten.“

Von einer Impfpflich­t rät der Vorsitzend­e der Arbeiterwo­hlfahrt Schwaben, Heinz Münzenried­er, ab. „Vielmehr müssen wir noch mehr mit den Mitarbeite­rn sprechen und versuchen, deren Ängste abzubauen.“Man müsse in diesen Tagen das Glas auch mal halb voll sehen, sagt er. „Immerhin ist derzeit etwa die Hälfte bereit, sich impfen zu lassen. Das ist schon mal eine gute Basis.“

Auch Altenpfleg­er Peter Steiner hat sich mittlerwei­le für eine Impfung entschiede­n. „Ja, ich werde mich impfen lassen“, sagt er. Aber erst, wenn alle offenen Fragen für ihn geklärt seien, und er sagen könne: Ich stehe hinter dieser Impfung. „Ich bin überzeugt: Wir müssen uns alle impfen lassen. Darauf wird es hinauslauf­en, weil wir sonst diese Pandemie nicht bewältigen werden.“

 ?? Foto: Michael, dpa ?? Viele Pflegekräf­te sehen die Impfung skeptisch.
Foto: Michael, dpa Viele Pflegekräf­te sehen die Impfung skeptisch.

Newspapers in German

Newspapers from Germany