Koenigsbrunner Zeitung

So kommen die Augsburger durch den Lockdown

Die Einschränk­ungen werden verlängert und verschärft, dennoch nehmen viele Bürger dies mit Geduld hin. Eine Umfrage

- VON DIANA ZAPF‰DENIZ

Nun ist es also offiziell: Der Lockdown wird verlängert und gleichzeit­ig verschärft. Viele Augsburger kommen dennoch gut mit der Situation zurecht. Edda Stonawski (76) zum Beispiel. Sie geht täglich an die frische Luft – mit Musik im Ohr, FFP2-Maske, Handschuhe­n und reichlich Abstand zu ihren Mitmensche­n. Für ein Gespräch mit der AZ-Reporterin ist sie dennoch zu haben. „Kleine Dialoge geben jedem Freude“, ist sie überzeugt. Auch andere Augsburger sind ähnlich entspannt.

Bei ihren regelmäßig­en NordicWalk­ing-Runden grüßt Edda Stonawski oft auch Unbekannte. „Ein kurzes Hallo und schon sehen mich die Leute an und freuen sich. Das tut nicht nur mir gut, sondern auch meinem Gegenüber.“Es ist ihre Art, am sozialen Geschehen trotz aller Einschränk­ungen teilzuhabe­n. „Ich nutze jeden Tag für mich, meinen Sinn und mein Herz zu öffnen. Ein Kinderlach­en, Vogelgezwi­tscher und sympathisc­he Menschen bereichern mein Leben jeden Tag.“Die gelernte Krankensch­wester und Logopädin hofft auf eine gut funktionie­rende Impfung. Ihr Rezept für den Lockdown ist ganz klar: „Viel rausgehen, nicht nur das Negative sehen und im Leben strahlen.“

Raffaele Migliaccio ist OP-Pfleger und Familienva­ter von drei Töchtern im Grundschul- und Kindergart­enalter. „Ich erlebe nicht wirklich eine Veränderun­g, denn ich lebe für meine Familie und gehe in die Arbeit.“Auf die Einschränk­ungen angesproch­en sagt er trocken: „Da müssen wir durch.“Für ihn ist es wichtig, das zu schätzen, was man hat. „Die Menschen haben verlernt, auf etwas zu verzichten. Wir haben seit 80 Jahren keine Kriege mehr hier. Alles, was wir brauchen, ist da.“Seine Verwandten leben in Italien. Dass er sie seit bald einem Jahr nicht besuchen kann, findet er nicht schlimm, denn er freut sich, dass seine Frau und die

Kinder bei ihm sind. Den Lockdown light fand er nicht gut: „Ich hätte lieber die großen Möbelhäuse­r geschlosse­n gesehen als die kleinen Restaurant­s.“Mit der Familie essen zu gehen vermisst er. Alles andere nimmt er hin.

Ayse Er ist mit ihren beiden Söhnen Ensar (14) und Ömer-Halis (3) unterwegs. „Wir gehen jeden Tag raus“, erzählt Er. „Meine Mama ist Risikopati­entin und lebt alleine. Deshalb besuchen wir sie täglich in Bobingen.“Allerdings lässt die Mutter von Ayse Er niemanden in ihre Wohnung. Die Corona-Regeln hält die Familie strikt ein. „Deshalb nehmen wir seit März 2020 täglich eine Thermoskan­ne und Kuchen mit und machen Picknick am Spielplatz.“Zu Hause wird bei Familie Er wie gewohnt gefrühstüc­kt und der Kleinste hat genügend Platz, in Haus und Garten zu spielen.

„Weihnachte­n hatten wir seit vielen Jahren endlich mal richtig Zeit, schöne Filme zu gucken. Sonst war die Weihnachts­zeit meist stressig. Diesmal nicht. Das haben wir genossen.“Ensar spielt im Hof gerne Basketball und kümmert sich um sein Brüderchen. Die Freunde aber fehlen ihm. „Die Kinder sind derzeit halt leider wie in einem Goldkäfig“, stellt Ayse Er fest. „Aber man muss es sich so schön wie möglich machen.“Lediglich um ihren Vater sorgt sie sich, denn er lebt nach wie vor in der Türkei und ist schwer lungenkran­k und weder sie noch ihre Mutter können ihn besuchen. „Da schmerzt mein Herz sehr.“

Naim Sijarena sieht den verlängert­en Lockdown mit Sorge. „Wir haben drei Kinder und sind beide berufstäti­g.“Seine Frau ist Arzthelfer­in, er ist im Garten- und Landschaft­sbau tätig. „Ich hoffe sehr auf die Notbetreuu­ng, denn sonst muss immer einer von uns zu Hause bleiben.“Allerdings ging die Notbetreuu­ng beim letzten Mal von 8 bis 16 Uhr. Seine Frau muss um 8 Uhr in der Praxis sein und er beginnt um 7.30 Uhr. „Da müssen wir jonglieren und mit unseren Arbeitgebe­rn sprechen. Ansonsten gehen wir viel mit den Kindern raus, machen Spiele und es kommt auch mal ein Freund nach Hause. Nur Fernsehen geht gar nicht. Da nehme ich eines meiner Kinder lieber mit bei Erledigung­en.“Es sei schon eine anstrengen­de und belastende Zeit, da Geplantes oftmals wieder über den Haufen geworfen werden müsse.

Samantha Holloway ist an Optimismus wohl kaum zu überbieten. „Ich bin notorische­r Optimist aus Leidenscha­ft“, sagt sie. Die 41-Jährige ist seit ihrem 13. Lebensjahr an Multipler Sklerose erkrankt und in Rente. Bis zur fünften Klasse lebte sie in Amerika. „Die Maske lässt nicht nur auseinande­rdriften, sondern verbindet uns auch“, stellt sie

„Die Menschen sind kommunikat­iver geworden“

fest. „Ich habe noch nie so viele Menschen kennengele­rnt wie im letzten Jahr.“Die Augsburger sind ihrer Ansicht nach kommunikat­iver geworden, obwohl man aufgrund der Maske nur die Augen sieht. „Die Augen haben eine unglaublic­he Dominanz. Bin ja schon immer ein aufgeschlo­ssener Mensch, aber jetzt machen die Leute mehr mit.“

Holloway ist dankbar, dass sie in Deutschlan­d und hier in Augsburg lebt. „Wir sind hier im Gegensatz zu Amerika krankenver­sichert. Uns geht es hier gut.“Inzwischen geht sie für einen Nachbarn, mit dem sie zuvor nie in Kontakt kam, einkaufen. Mit ihrer 89-jährigen Oma hat sie ein Powerprogr­amm auf die Beine gestellt: „Wir boosten unser Immunsyste­m mit Fasten, Fröhlichke­it, Bewegung und Natur.“Holloway macht Yoga, geht viel raus, lebt vegan und schockt ihren Körper mit kalten Duschen. „Wir dürfen die Fröhlichke­it und die Hoffnung nie verlieren, müssen Selbstvera­ntwortung zeigen und schauen, dass es uns gut geht. Für meine Oma und mich war das Corona-Jahr gesundheit­lich eines unserer besten Jahre.“

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Naim Sijarena ist mit Sohn Elias unterwegs.
 ?? Fotos: Diana. Zapf‰Deniz ?? Samantha Holloway bleibt Optimistin.
Fotos: Diana. Zapf‰Deniz Samantha Holloway bleibt Optimistin.
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Edda Stonawski geht täglich an die frische Luft.
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Raffaele Migliaccio arbeitet als OP‰Pfleger.

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