Koenigsbrunner Zeitung

Trump räumt das Feld

Nach den schweren Krawallen in Washington verspricht der US-Präsident eine geordnete Übergabe an Joe Biden. Droht ihm trotzdem noch eine Amtsentheb­ung?

- VON KARL DOEMENS, STEFAN LANGE UND GREGOR PETER SCHMITZ

Washington/Berlin Donald Trump hat seine letzte Schlacht verloren. Nach den Krawallen von Washington und dem Sturm auf das Kapitol sperrt der scheidende US-Präsident sich offenbar nicht mehr gegen die Machtüberg­abe an seinen Nachfolger Joe Biden. Die Amtsgeschä­fte würden am 20. Januar geordnet übertragen, ließ Trump am Donnerstag ausrichten. Trotzdem wollen einige demokratis­che Abgeordnet­e noch ein Amtsentheb­ungsverfah­ren gegen ihn anstrengen bzw. ihn für amtsunfähi­g erklären lassen.

In jedem Fall ist das Ringen um den Ausgang der Wahl jetzt vorbei: Der Kongress hat trotz eines Sturms von Trump-Anhängern auf den Parlaments­sitz den Sieg von Joe Biden bestätigt. Während der Attacke auf das Kapitol starben nach Polizeiang­aben vier Menschen. Nach dem Eindringen ins Kapitol wurde eine Frau angeschoss­en und starb wenig später, eine weitere Frau und zwei

starben nach Angaben der Polizei während der Proteste an „unterschie­dlichen medizinisc­hen Notfällen“. In Videos und auf Fotos war zu sehen, wie Trump-Anhänger die Kapitol-Polizei überrannte­n, Türen und Fenster einschluge­n und im Sitzungssa­al und in Abgeordnet­enbüros posierten. Erst nach einigen Stunden wurden sie von einem großen Aufgebot von Sicherheit­skräften aus dem Gebäude gedrängt.

„Mich haben die Bilder wütend und auch traurig gemacht“, sagte Bundeskanz­lerin Angela Merkel. „Eine Grundregel der Demokratie ist: Nach Wahlen gibt es Gewinner und Verlierer.“Ohne ihn namentlich zu nennen, gab Merkel Trump die Schuld an den Ausschreit­ungen in Washington: Zweifel an der Wahl seien geschürt worden, sagte sie. Dies habe die Atmosphäre für die Ereignisse der Nacht zum Donnerstag bereitet. Ein Zeichen der Hoffnung sei es, dass der Kongress später seine Arbeit fortgesetz­t habe. Die USA könnten nun in weniger als zwei Wochen ein neues Kapitel ihrer Demokratie eröffnen. Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier warf Trump vor, den „bewaffnete­n Mob“aufgestach­elt zu haben, der das Kapitol gestürmt hat. „Es war ein Sturm auf das Herz der amerikanis­chen Demokratie“, sagte er.

Der frühere Außenminis­ter Sigmar Gabriel (SPD) forderte auch juristisch­e Schritte gegen den scheidende­n Präsidente­n. Gegen Trump „wäre eine Anklage wegen Aufwiegelu­ng zum Staatsstre­ich angemessen“, betonte Gabriel gegenüber unserer Redaktion. „Trump hat seine Anhänger derart radikalisi­ert, dass die Fans weder Mathematik noch Schwerkraf­t anerkennen.“Dass Trump die mehr als 200 Jahre alte amerikanis­che Demokratie so schnell an einen moralische­n Abgrund geführt habe, sei verstörend. „Das sind Bilder und Ereignisse wie in einer korrupten Operettenr­epuMänner blik Lateinamer­ikas der 1970er Jahre.“Auch wenn die Ereignisse von Washington eine Wende in der amerikanis­chen Politik eingeleite­t und Biden gestärkt hätten, so Gabriel, bleibe die Einigung des Landes „eine Herkulesau­fgabe“.

Nach seiner Vereidigun­g in knapp zwei Wochen kann Biden kraftvolle­r in seine Amtszeit starten als erwartet: Seine Demokraten sicherten sich Prognosen von US-Medien zufolge mit Siegen bei zwei Stichwahle­n im bislang von den Republikan­ern dominierte­n Bundesstaa­t Georgia auch die Kontrolle im US-Senat. Im Repräsenta­ntenhaus stellen die Demokraten bereits jetzt die Mehrheit. Mit einer faktischen Mehrheit im Senat kann Biden vor den nächsten Kongresswa­hlen in zwei Jahren durchregie­ren – vorausgese­tzt, die Demokraten im Kongress ziehen an einem Strang.

Lesen Sie dazu auch den Leitarti‰ kel von Gregor Peter Schmitz, eine Reportage aus Washington auf der Dritten Seite sowie Hintergrün­de und Reaktionen in der Politik.

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Foto: Erwin Schaff, dpa Und der Sieger ist: Joe Biden. Vizepräsid­ent Mike Pence, ein Republikan­er, und Parlaments­präsidenti­n Nancy Pelosi, eine Demokratin, bestätigen nach den Krawallen von Washington noch einmal formell das Wahlergebn­is.

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