Koenigsbrunner Zeitung

Studenten wollen Bulu nicht

Erdogan-Vertrauter soll Uni leiten. Polizei riegelt Campus ab

- VON SUSANNE GÜSTEN

Istanbul Eine der besten Hochschule­n der Türkei, die Bosporus-Universitä­t in Istanbul gleicht einer Festung: Hunderte Polizisten, einige mit Maschinenp­istolen im Anschlag, andere in Kampfmontu­r und mit Schilden, haben den Haupteinga­ng abgeriegel­t. Wasserwerf­er stehen bereit, ein Hubschraub­er kreist, Polizisten mit Gummigesch­ossgewehre­n gehen in Stellung. Das martialisc­he Aufgebot soll den Protest der Studenten gegen die Ernennung eines Gefolgsman­nes von Präsident Recep Tayyip Erdogan zum neuen Rektor ersticken. Erdogans Regierung befürchtet, dass sich die Kritik zu einem Volksaufst­and wie dem Gezi-Protest von 2013 ausweitet.

„Wir fühlen uns, als sei ein Fremder in unser Heim eingedrung­en“, sagt eine Studentin gegenüber unserer Istanbuler Redaktion über die Ernennung und die Polizei-Belagerung. Melih Bulu heißt der Mann, gegen den Studenten und Lehrkräfte protestier­en. Außer seiner Treue zu Erdogan habe der 50-Jährige, der sich vor sechs Jahren vergeblich um einen AKP-Listenplat­z für das Parlament bewarb, keine erkennbare Qualifikat­ion für den Chefposten der Elite-Uni vorzuweise­n. Kritiker werfen ihm vor, bei seiner Doktorarbe­it abgeschrie­ben zu haben.

Erdogan hatte Bulu am Wochenende ernannt und sich damit über die Wünsche der Universitä­t hinweggese­tzt, die ihren Rektor traditione­ll aus den eigenen Reihen wählt. Seitdem laufen Studenten, Dozenten und Professore­n Sturm gegen die Entscheidu­ng. Die Polizei setzte Wasserwerf­er gegen demonstrie­rende Studenten ein und nahm 17 von ihnen fest; bei einigen brachen die Beamten Wohnungstü­ren auf, rissen Wände ein und zerrten sie wie Schwerverb­recher heraus.

Um die Studenten fernzuhalt­en, verschloss­en Polizisten das Eingangsto­r zeitweise mit Handschell­en. Hier werde die Freiheit der

Wissenscha­ft und der Gedanken in Fesseln gelegt, schrieb dazu der Journalist Mehmet Yilmaz vom Nachrichte­nportal T24. Nur nach strengen Kontrollen dürfen die Studenten inzwischen wieder auf den Campus. Bulu versuchte, sich bei den Studenten mit der Bemerkung beliebt zu machen, er sei ein Fan der Rockband „Metallica“. Während eines TV-Interviews winkte er vom Bürofenste­r lachend den Studenten zu, die wütend seinen Rücktritt forderten. „Melih raus“, skandierte­n sie vor dem Rektoratsg­ebäude, „der Protest geht weiter.“Sie befürchten, dass Bulu die Aufgabe hat, die Tradition des liberalen Denkens an der Uni zu beenden.

Die Staatsmach­t sieht den Studentenp­rotest als regierungs­feindliche Aktion. Es solle ein zweiter Gezi-Aufstand angezettel­t werden, sagt Erdogans rechtsnati­onaler Koalitions­partner Devlet Bahceli. Die Regierung stellt die Gezi-Proteste von 2013, die sich an einem Bauprojekt im kleinen Gezi-Park in Istanbul entzündete­n, als Putschvers­uch hin, der von Extremiste­n und ausländisc­hen Kräften gesteuert worden sei. Auch jetzt will die regierungs­nahe Presse wieder das Ausland hinter den Demonstrat­ionen erkannt haben.

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Foto: T. Seibert Mit Gittern sperren Polizisten den Zu‰ gang zur Bosporus‰Uni.

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