Koenigsbrunner Zeitung

Selbst ist der Kunde

Die Geschäfte haben geschlosse­n. Ab Montag darf man aber auch in Bayern, was in vielen Bundesländ­ern im zweiten Lockdown längst möglich ist: Beim Händler des Vertrauens bestellen und die Ware dann persönlich abholen

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Augsburg Dass der Buchhändle­r des Vertrauens seinen treuen Kunden die Bücher per Rad vorbeibrac­hte, ist, wenn man so will, eine der Erfolgsges­chichten des ersten Lockdowns. Im zweiten läuft die Sache nun umgekehrt. Das Stichwort lautet Click & Collect und lässt Händlerher­zen wieder schlagen. Gerade weil viele bayerische Geschäfte ziemlich wiederbele­bt gehören.

Ab Montag kann man online oder telefonisc­h eine Bohrmaschi­ne, eine Schneescha­ufel, Obamas Memoiren oder ein paar Christrose­n bestellen und dann – zu bestimmten Zeiten und nur mit FFP-Maske – selbst abholen. Obwohl die Geschäfte eigentlich zuhaben. Das hat das bayerische Kabinett am Mittwoch beschlosse­n und ist damit dem Drängen des Handelsver­bandes Bayern (HBE) nachgekomm­en. In vielen anderen Bundesländ­ern ist Click & Collect längst erlaubt.

Dass die Staatsregi­erung ihre Hygienesch­utzbedenke­n nun aufgegeben hat, begrüßt HBE-Hauptgesch­äftsführer Wolfgang Puff und mit ihm die Händler, wie er sagt: „Click & Collect ist spät gekommen, aber ist gekommen. Das ist entscheide­nd. Das passt jetzt.“

Es schafft Einnahmemö­glichkeite­n, wo nicht selten nur noch sehr wenig ist. Der vorläufig bis Ende Januar verlängert­e Lockdown kostet die Branche gewaltige Summen: Der hiesige Einzelhand­el verliert laut HBE täglich 150 Millionen Euro Umsatz. Viele Unternehme­n würden das nicht überleben, die Eigensei aufgezehrt, heißt es. 60000 Einzelhänd­ler gibt es im Freistaat. Über mindestens 5000 von ihnen kreise „der Pleitegeie­r“, 20 000 Jobs seien gefährdet. Puff betont: „Wir brauchen Geld oder Entschädig­ung. Und zwar bald.“

Wäre Click & Collect bereits vorher möglich gewesen, wäre sicher der ein oder andere Euro mehr in den Kassen der Händler gelandet. Vor allem während des verkürzten Weihnachts­geschäftes. Wie viel Umsatz mehr die regionalen Händler mit Click & Collect hätten machen können, wie viel an Amazon und Co. verloren ging, lässt sich laut HBE nicht genau ermitteln. Eine Näherung liefert aber diese Zahl: Mindestens drei Milliarden Euro wurden in Bayern im November und Dezember im Onlinehand­el ausgegeben – rund ein Drittel mehr im Vergleich zum Vorjahresz­eitraum.

Corona beschleuni­gt die Digitalisi­erung. Auch im Handel. 80 Prozent der bayerische­n Geschäfte haben eine Homepage. Ein Drittel verkauft auch online. Nicht unbedingt gleich mit eigenem Webshop, aber die Tendenz ist steigend. Viele haben die Möglichkei­ten der Onlinedien­ste wie WhatsApp oder Instagram entdeckt, um Kunden zu binden. Nicht nur beim HBE hofft man, dass Click & Collect genutzt wird. Auch Bayerns Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger macht sich dafür stark: „Ich appelliere an die Menschen, dass sie den Abholservi­ce auch nutzen und die lokalen bayerische­n Händler damit unterhande­nem stützen. Die Bürger sollten gezielt beim ortsansäss­igen Händler einkaufen und nicht nur auf den großen internatio­nalen Plattforme­n.“

Dem widerspric­ht Anina Hirn aus dem Team des gleichnami­gen Uhrenund Schmuckges­chäfts in Wertingen (Kreis Dillingen) nicht. Sie freut sich über den Beschluss des Kabinetts. Die fehlenden Kunden könne man dadurch zwar nicht auffangen, eine Verbesseru­ng sieht sie aber trotzdem: „Es ist ein Tropfen auf den heißen Stein, aber zumindest auch ein positives Signal, dass es besser wird.“Sie fühlt sich ungleich behandelt: Denn während Onlinehänd­ler in Zeiten des Lockdowns bessere Geschäfte denn je machen, muss der Einzelhand­el mit den Einschränk­ungen leben. Das Traditions­unternehme­n hat sich schon vor Jahren breiter aufgestell­t, heute sind individuel­le Anfertigun­gen und Reparature­n fast wichtiger als der Handel mit Uhren und Schmuck von großen Hersteller­n. Dadurch könne man sich von der Konkurrenz im Internet abheben. Click & Collect sei wichtig, um den Kontakt zu den Kunden zu halten. Die Erlaubnis dazu kommt Hirns Meinung nach jedoch zu spät. „Wenn der kontaktlos­e Einkauf gewährleis­tet werden kann, warum soll man das dann nicht machen?“Im Hof neben dem Geschäft in Wertingen hat man deshalb bereits einen Pavillon aufgestell­t, wo Kunden Auftragsze­ttel ausfüllen und die bestellte Ware abholen können.

Auch in Augsburg begrüßt eine überwiegen­de Mehrheit der Händler Click & Collect. „Das ist enorm wichtig, für alle meine Kollegen, um wieder ein wenig Umsatz generieren zu können“, sagt beispielsw­eise Manuela Ramsperger, Inhaberin von Tee Gschwendne­r. Während sie weiter geöffnet haben darf, würden viele andere Geschäftsi­nhaber unter dem Lockdown schwer leiden. Für sie tue sich nun eine neue Absatzmögl­ichkeit und ein Hoffnungss­chimmer auf.

Ulrich Mayer, Chef des Augsburger Gewerbebei­rats und Inhaber des Tabak- und Spirituose­ngeschäfts No.7, sagt: „Das ist eine ganz, ganz große Hilfe. Denn mittlerwei­le sind schon kleine Umsatzbetr­äge gut, um zumindest die Strom- oder Telefonrec­hnung bezahlen und sich so über Wasser halten zu können.“Auch der ein oder andere Mitarbeite­r könne stundenwei­se wieder arbeiten. „Das ist auch mental ganz, ganz wichtig“, gibt er zu bedenken.

Auch die Stadt Augsburg bewertet Click & Collect als positives Instrument: „Die Bereitstel­lung mehrerer Vertriebsk­anäle im Sinne eines Multi- bzw. Omnichanne­l-Ansatzes ermögliche­n eine sinnvolle Alternativ­e zum Onlinehand­el“, heißt es aus dem Wirtschaft­sreferat.

Doch nicht für jeden Händler in Augsburg ergibt das Angebot Sinn. Vor allem Filialiste­n mit bereits vorkapital­decke Onlineshop werden auf Click & Collect in der Stadt verzichten. Zu ihnen gehört auch Butlers. „Wir bieten Click & Collect jetzt im Lockdown nicht an, weil wir die Ware den Kunden über den ButlersOnl­ineshop nach Hause zum Kunden schicken können. Davon machen unsere Kunden derzeit auch sehr stark Gebrauch“, lässt eine Sprecherin wissen. Hinter der Entscheidu­ng stecken auch wirtschaft­liche Gründe: Es lohne sich nicht, die Geschäfte für die Abholung der Pakete den ganzen Tag geöffnet zu halten.

Dass der regionale Onlinehand­el viel kann, hat auch in Nördlingen die Runde gemacht. Morgens bestellt, nachmittag­s geliefert, ist im inhabergef­ührten Elektrofac­hmarkt Expert Müller durchaus gängig, wie Susanne Vierkorn erklärt. Sie leitet die Geschäftss­telle des Stadtmarke­tingverein­s in Nördlingen und nennt noch mehr Positivbei­spiele aus der Stadt. Das Büchergesc­häft Lehmann in der Altstadt beispielsw­eise ist bekannt für seinen Kundenserv­ice. Beide Geschäfte können ab Montag ihre Türen für die Kunden wieder aufsperren, wenn auch eben nur zur Warenüberg­abe. Für den Seniorchef Ralf Lehmann ist die Entscheidu­ng aus dem Wirtschaft­sministeri­um daher eine Erleichter­ung. Denn mit Blick in so manchen Supermarkt und auf Menschenan­sammlungen zu Stoßzeiten dort halte er die Lockdown-Regelungen einfach für „himmelschr­eiend ungerecht“.

Nicht nur für Umsatz, sondern auch für die Stimmung gut

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Foto: dpa, Orange County Register via Zuma Schlange stehen, um seine vorher online bestellte Ware abzuholen. Click & Collect funktionie­rt global und ist ab Montag auch für die bayerische­n Einzelhänd­ler erlaubt.

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