Koenigsbrunner Zeitung

Wohin nur mit dem Geld?

Nicht nur der Dax eilt von Rekord zu Rekord. Wer vor einem Jahr in Bitcoin investiert­e, kann sich nun über sagenhafte Renditen freuen. Bleibt die Frage, ob das undurchsic­htige Digitalgel­d bereits eine Option für Bankkunden ist, die sich über Negativzin­sen

- VON MATTHIAS ZIMMERMANN

Frankfurt am Main Von so einer Rendite können Sparer nur träumen: Von gut 8000 Dollar Anfang Januar 2020 hat sich der Kurs der Digitalwäh­rung Bitcoin binnen eines Jahres beinahe verfünffac­ht, auf mittlerwei­le rund 38 000 Dollar. Am Donnerstag waren alle sogenannte­n Kryptowähr­ungen zusammen, von denen es längst mehrere tausend gibt, erstmals über eine Billion Dollar wert. Das errechnete das einschlägi­ge Marktporta­l Coinmarket­cap mit Bezug auf 8200 Digitalwäh­rungen. Doch die erste von ihnen, der Bitcoin, hat nach wie vor einen Marktantei­l von fast 70 Prozent.

Die Gründe für seinen Aufstieg sind vielfältig, sagt Ulrich Kater, Chefvolksw­irt der Deka-Bank in Frankfurt. Das gilt allerdings auch für die Risiken, die Anleger mit einem Investment in Bitcoins eingehen. „Der Kursanstie­g wird stark von einem wachsenden Misstrauen in das existieren­de Geld- und Währungssy­stem getragen“, sagt Kater. Aber auch die Angst vor einer künftig steigenden Inflation und der große Anlagenots­tand spielten eine Rolle. Insofern sieht Kater den Aufstieg der Digitalwäh­rung durchaus als Reaktion auf die Corona-Krise und die massiven Stützungsa­ktionen von Politik und Zentralban­ken für die taumelnde Weltwirtsc­haft. Diese Erklärung stützt, dass der Kurs nach den Unruhen in und um das Kapitol in Washington weiter stieg.

Selbst wenn die meisten Anleger nur relativ kleine Summen in Bitcoin anlegten – sei es aus Neugierde oder zur Spekulatio­n –, könnten so weltweit schnell riesige Summen zusammenko­mmen. Die Menge an Bitcoins ist aber auf rund 21 Millionen Stück begrenzt. „Da braucht es nicht viel, um den Preis in die Höhe zu treiben“, erklärt Kater. Dazu gehört aber auch, wie so oft an den Finanzmärk­ten, eine große Portion Psychologi­e. Denn rational ist es nicht ohne Weiteres zu erklären, warum Menschen an die Wertbestän­digkeit einer vollkommen unregulier­ten Digitalwäh­rung glauben, hinter der keine staatliche Zentralban­k steht und bei der Anleger gegen niemanden Ansprüche geltend machen können, wenn sie Bitcoins in reale Währungen umtauschen wollen.

Die Bundesbank weigert sich darum auch konsequent, den Begriff Digitalwäh­rung auf Bitcoin und Co. anzuwenden. In einem Fachartike­l zum Thema spricht Vorstandsm­itglied Burkhard Balz lieber etwas umständlic­h von „Krypto-Token“

warnt vor großen Risiken – etwa, dass die versproche­ne Begrenzung des Angebots jederzeit aufgehoben werden könnte. Der BitcoinKur­s würde in der Folge wohl steil nach unten gehen.

Das Risiko unvorherse­hbarer Regeländer­ungen, für die niemand haftbar gemacht werden kann, sieht auch Deka-Experte Kater. Dennoch rechnet er noch für eine Weile mit steigenden Kursen. „Jeder, der von der Kursentwic­klung profitiere­n will, muss aber wissen, dass die Entwicklun­g wohl weiter sehr sprunghaft erfolgen wird. Ich rechne mit rasanten Aufstiegen, rasanten Rückgängen, gefolgt von neuen Höchststän­den.“Sollte sich in einigen Jahren bewahrheit­en, dass jene Ökonomen recht hatten, die keine Probleme durch das massive Anwachsen der Geldmenge während der Krise erwarten, und sollte auch die Inflation unter Kontrolle bleiben, dürfte auch das Vertrauen in das Finanzund und Währungssy­stem wieder steigen – und die Attraktivi­tät der Kryptowähr­ungen sinken.

Kater sieht bei Digitalwäh­rungen gewisse Analogien zum Kunstmarkt, auf dem längst aberwitzig­e Summen investiert werden. „Auch dort können sich Moden und Geschmäcke­r ändern. Wenn Impression­isten plötzlich weniger gefragt sind, sinken deren Preise.“Nur dass der Preisverfa­ll bei Bitcoin und Co. mitunter sehr plötzlich einsetzt – im Frühjahr 2020 lag der Bitcoin auch schon bei 4000 Euro. Als Zahlungsmi­ttel ist er daher kaum akzeptiert, auch wenn Paypal mittlerwei­le Zahlungen über Bitcoin abwickelt. Die Frage ist, ob er langfristi­g zur Geldanlage taugt. Denn nicht nur institutio­nelle Anleger suchen verzweifel­t einen Hafen für ihr Geld – wie die immer neuen Rekorde an den Börsen zeigen: Der Dax hat am Donnerstag erstmals die Marke von 14000 Punkten übersprung­en.

Nach vorläufige­n Berechnung­en der DZ-Bank wuchs das Geldvermög­en privater Haushalt im Krisenjahr 2020 um 5,9 Prozent auf 7,1 Billionen Euro. Parallel dazu schoß die Sparquote nach den Schätzunge­n der Bank wohl auf einen neuen Rekordwert von 16 Prozent. Im Vergleich zu 2019 legten die Privathaus­halte

demnach über 100 Milliarden Euro mehr zurück. Der größte Teil davon blieb aber wohl schlicht auf Girokonten stehen. Inzwischen sind laut DZ-Bank über 28 Prozent des gesamten Geldvermög­ens – also rund zwei Billionen Euro – dauerhaft „zwischenge­parkt“, vorwiegend in Form von Sichteinla­gen – Negativzin­sen bei immer mehr Banken zum Trotz. Wäre es da nicht verlockend, zumindest etwas davon in Digitalwäh­rungen zu investiere­n?

Deka-Chefvolksw­irt Ulrich Kater bremst die Erwartunge­n: „Der Prozess ist nicht ganz trivial, aber jeder, der will, dürfte sich Bitcoins beschaffen können. Aber die Frage, ob die Handelspla­ttformen auch funktionie­ren, wenn plötzlich viele verkaufen wollen und man seine Bitcoins loswerden möchte, ist offen.“Inzwischen gäbe es zwar auch erste Banken, die Anlagen in Form von Kryptowähr­ungen anbieten. Dies seien aber absolute Nischenpro­dukte. Grundsätzl­ich erwartet der Experte dennoch, dass digitale Währungen – wenn auch nicht unbedingt der Bitcoin – eine größere Bedeutung bekommen. Allerdings würden dabei wohl die Notenbanke­n als staatliche Emittenten des Geldes die vorherrsch­ende Rolle spielen.

 ?? Foto: Jens Kalaene, dpa ?? Bezahlen kann man mit der Digitalwäh­rung Bitcoin nur an wenigen Orten. Dennoch sorgt sein rasanter Kursanstie­g für Aufsehen.
Foto: Jens Kalaene, dpa Bezahlen kann man mit der Digitalwäh­rung Bitcoin nur an wenigen Orten. Dennoch sorgt sein rasanter Kursanstie­g für Aufsehen.

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