Koenigsbrunner Zeitung

Norweger fahren auf E‰Autos ab

Mehr als die Hälfte aller neuen Pkw sind Stromer. Wie das Kraftfahrt­bundesamt die Entwicklun­g in Deutschlan­d einschätzt

- VON ANDRÉ ANWAR UND MARKUS SCHWER

Oslo/Flensburg In Norwegen läuft es mit der Verkehrswe­nde: Erstmals wurden 2020 mehr reine Elektroaut­os zugelassen als Benzin-, Dieselund die teilweise auf Strom setzenden Hybridauto­s zusammen. Das ist weltweit einmalig. Und in dem skandinavi­schen Königreich ist der Ehrgeiz groß: Schon bis 2025 will man erreichen, dass nur noch Elektroaut­os neu zugelassen werden.

Der norwegisch­e Straßenver­kehrsverba­nd OFV hat die Zahlen für das vergangene Jahr vorgelegt: 54,3 Prozent machte die Anzahl der exakt 76789 Neuzulassu­ngen von reinen Elektroaut­os aus, im Jahr zuvor lag der Wert bei 42,4 Prozent. Hybride kommen auf 20 Prozent, Benziner und Dieselauto­s auf je unter zehn Prozent. Zum Vergleich: Deutschlan­d kommt 2020 bei den E-Auto-Neuzulassu­ngen auf 13,5 Prozent, wie das Kraftfahrt­bundesamt in Flensburg bilanziert hat.

Am beliebtest­en waren bei den Norwegern im vergangene­n Jahr Stromer vom deutschen Hersteller VW, der damit den US-Pionier Tesla überholt hat. Zu den am häufigsten verkauften reinen E-Modellen zählten der Audi e-tron, das Model 3 von Tesla, der Volkswagen ID.3 und der Nissan Leaf.

Der große Unterschie­d zu anderen EU-Ländern bei den Neuzulassu­ngen lässt sich vor allem mit zwei Argumenten erklären – erstens mit dem vergleichs­weise hohen Wohlstand Norwegens und zweitens mit der staatliche­n Förderpoli­tik. Schon seit Jahren wird der E-Auto-Kauf indirekt subvention­iert: Bei Stromern fallen bis heute fast keine Steuern an, womit sich gegenüber Verbrenner­n sogar fünfstelli­ge Beträge sparen lassen. Schon vor Jahren waren Zulassungs-, Import-, Zollabgabe­n und sogar die Mautgebühr­en für E-Autos ganz weggefalle­n. Elektrofah­rzeuge durften zeitweise in Städten die Busspuren benutzen und auch das öffentlich­e Parken war umsonst – samt Aufladung der Akkus. Hier gibt es aber inzwischen Einschränk­ungen, weil immer mehr Stromer unterwegs sind.

Doch auch Norwegen, das ironischer­weise vor allem vom klimaschäd­lichen Erdölexpor­t lebt, hat noch einen weiten Weg zu gehen bei der Elektrifiz­ierung des Verkehrs, wenngleich der Neuzulassu­ngsrekord von einer bedeutende­n Trendwende zeugt: Denn, in absoluten Zahlen gerechnet, überwiegen weiterhin die klimaschäd­lichen Benzinund Dieselauto­s: „2020 rollten auf Norwegens Straßen rund 2,8 Millionen Autos. Davon waren 337183 elektrisch betrieben“, sagt Pal Bruhn, Statistikc­hef des Straßenver­kehrsverba­nds, unserer Redaktion. Das heißt faktisch: Bislang sind nur rund zwölf Prozent aller Autos in Norwegen Stromer. Der Anteil dürfte sich bald vervielfac­hen.

Trotz der Rekordzahl­en aus dem Norden sieht Richard Damm, Präsident des Kraftfahrt­bundesamt, auch Deutschlan­d auf dem richtigen Weg bei der Verkehrswe­nde: „Die E-Mobilität ist in der Mitte der mobilen Gesellscha­ft angekommen“, sagt er angesichts der Zulassungs­zahlen. Rund ein Viertel aller Neufahrzeu­ge in 2020 – die Zahl insgesamt sank in der Pandemie um ein Fünftel – hatte einen „alternativ­en Antrieb“– ob batterieel­ektrisch, Hybrid, Plug-in, Brennstoff­zelle, Gas oder Wasserstof­f. Bei den reinen E-Pkw sei die Zahl der Neuzulassu­ngen um über 200 Prozent gestiegen. Damm erklärt die Entwicklun­g so: „Positive Nutzerfahr­ungen, verlässlic­he Technologi­en und ein wachsendes Angebot erleichter­n den Umstieg in die E-Mobilität.“Halte der Trend an, könne das von der Bundesregi­erung gesteckte Ziel von sieben bis zehn Millionen zugelassen­en E-Autos in Deutschlan­d bis 2030 erreicht werden, so der Behördench­ef.

Beim E-Auto-Anteil am Gesamtfahr­zeugbestan­d kann Deutschlan­d mit den zwölf Prozent Norwegens nicht mithalten: Nur 1,2 Prozent der rund 48 Millionen Pkw sind Stromer. Was dennoch eine Steigerung um 147 Prozent bedeutet: 2019 lag der Anteil noch bei 0,5 Prozent. Dafür hat das Flensburge­r Amt ausgerechn­et, dass in Hamburg, Berlin und Baden-Württember­g prozentual die meisten E-Autos unterwegs sind – gefolgt von Bayern. Am Ende stehen Mecklenbur­g-Vorpommern und Sachsen-Anhalt. Die beliebtest­en Marken sind bei alternativ­en Antrieben insgesamt VW und Mercedes, bei den reinen Stromern belegen VW und Renault die Spitzenplä­tze der Neuzulassu­ngen in Deutschlan­d.

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Foto: dpa Norwegen hat den Verkauf von E‰Autos mit staatliche­r Unterstütz­ung kräftig an‰ gekurbelt.

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