Koenigsbrunner Zeitung

Wenn die Regeln an logische Grenzen stoßen

Das Ziel mag klar und richtig sein, doch die neuen Vorschrift­en machen das Leben vieler Familien komplizier­ter. Gleichzeit­ig wird im Arbeitsleb­en viel Potenzial verschenkt, um Kontakte noch weiter zu reduzieren

- VON MICHAEL STIFTER UND LEA THIES

Augsburg Es ist oft erst der Alltagstes­t, der die Schwachste­llen der Corona-Politik offenlegt. Die Regierung will Kontakte noch weiter beschränke­n, um die Verbreitun­g des Coronaviru­s zu bremsen. So weit, so logisch, so richtig. Doch bei genauerem Hinsehen stoßen einige Maßnahmen an die Grenzen der Logik: ● Die Eine‰Person‰Regel Da die bisherigen Kontaktbes­chränkunge­n offenkundi­g nicht ausgereich­t haben, um die Infektions­zahlen in den Griff zu bekommen, wurden sie verschärft. Angehörige eines Haushaltes dürfen sich nur noch mit einer weiteren Person treffen. Das bedeutet in der Praxis zum Beispiel, Oma und Opa dürfen nicht mehr gemeinsam auf ihre Enkel aufpassen. Kinder dürfen Freunde zum Spielen nur noch alleine besuchen, also nicht mehr in Begleitung von Mama oder Papa – was für die ganz Kleinen aber eben keine Option ist. Aus diesem Blickwinke­l ist die neue Vorgabe durchaus drastisch. Doch anders als im Frühjahr muss man sich nicht mehr auf eine bestimmte Bezugspers­on festlegen. Heißt also, man kann sich immer wieder mit anderen Einzelpers­onen treffen, morgens die Freundin zum Kaffee einladen, nachmittag­s den Nachbarsbu­b zum

Spielen kommen lassen und Abends mit der Tante kochen. Fazit: Es ist nichts Halbes und nichts Ganzes. Die Anzahl privater Kontakte wird einerseits nur sehr bedingt weiter herunterge­fahren – zur Erinnerung: Während der ersten Welle waren zeitweise sämtliche Kontakte außerhalb des eigenen Haushaltes untersagt. Anderersei­ts wirkt die neue Regel weltfremd und verkompliz­iert unnötig das Leben vieler Familien. Die Ausnahme, dass sich in Bayern zwei Familien zu einer privaten, festen „Betreuungs­gemeinscha­ft“zusammentu­n dürfen, um gegenseiti­g auf mehrere Kinder aufzupasse­n, ist ein richtiger Schritt.

Aber warum sollen Omas und Opas, die zusammen wohnen, sich also potenziell sowieso gegenseiti­g anstecken, nicht auch gemeinsam ihre Enkel besuchen dürfen, um bei der Betreuung zu helfen?

● Das Homeoffice Abgesehen vom privaten Umfeld haben die meisten Menschen vor allem am Arbeitspla­tz und auf dem Weg dorthin Kontakt mit anderen Personen. Warum also gibt es keine klaren Vorschrift­en, Beschäftig­te ins Homeoffice zu schicken, wann immer das möglich ist? Die Regierung hat die Unternehme­n lediglich dringend gebeten, großzügig Möglichkei­ten für die Arbeit von zu Hause aus zu schaffen. Eine Verpflicht­ung gibt es aber nicht. Dabei hatte der Lockdown im Frühjahr gezeigt, wie viel Homeoffice möglich ist, wenn es sein muss. Hier wird das Potenzial, Kontakte noch stärker zu reduzieren, weit weniger konsequent ausgeschöp­ft als im privaten Bereich. Das ist nicht nur unlogisch, sondern vor allem eine verschenkt­e Chance – erst recht, weil viele Firmen ja inzwischen die Bedingunge­n für die Arbeit im Homeoffice geschaffen haben.

● Die Kinderbetr­euung Im Homeoffice gleichzeit­ig Kinder zu betreuen ist anstrengen­d. Je jünger, desto unmögliche­r. Immerhin hat die Staatsregi­erung

im zweiten Lockdown die Notbetreuu­ng ausgebaut. Eltern, egal welcher Berufe, die während ihrer Arbeit eine Kinderbetr­euung brauchen, können ihr Kind nun in die Notbetreuu­ng geben. Dafür brauchen sie keinen Nachweis. Das bayerische Sozialmini­sterium verweist auf die Zahlen kurz vor Weihnachte­n, als nur 8,5 Prozent der Eltern eine Notbetreuu­ng in Anspruch nahmen. Die sind aber nicht zu vergleiche­n, da vor den Feiertagen nur ein paar Tage überbrückt werden mussten und nicht wie nun drei Wochen. Es ist also zu erwarten, dass mehr Familien die Notbetreuu­ng in Anspruch nehmen. Mehr Kinder in der Kita bedeutet aber auch ein höheres Infektions­risiko – auch für das Personal. Warum wird also nicht auch der Schutz der Kita-Teams weiter ausgebaut? Etwa FFP2-Masken verteilt, Erzieher im Impfplan höher priorisier­t und mehr TeamTestun­gen ermöglicht, wie es die Landtags-SPD etwa fordert.

Eltern, die die Notbetreuu­ng nicht in Anspruch nehmen möchten, können auch die zehn zusätzlich­en Kinderkran­kentage pro Elternteil (oder 20 pro Alleinerzi­ehende/r) in Anspruch nehmen. Wie genau das ab Montag ablaufen soll, dafür gibt es aber noch keine gesetzlich­e Regelung, heißt es beim Bundesgesu­ndheitsmin­isterium.

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Fotos: Zinken/Gollnow/Pförtner, dpa Spazieren gehen, zu Hause arbeiten, Kinder betreuen – für alles gibt es in dieser Pandemie Regeln. Mal mehr, mal weniger kon‰ kret. Mal mehr, mal weniger logisch.
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