Wenn die Regeln an logische Grenzen stoßen
Das Ziel mag klar und richtig sein, doch die neuen Vorschriften machen das Leben vieler Familien komplizierter. Gleichzeitig wird im Arbeitsleben viel Potenzial verschenkt, um Kontakte noch weiter zu reduzieren
Augsburg Es ist oft erst der Alltagstest, der die Schwachstellen der Corona-Politik offenlegt. Die Regierung will Kontakte noch weiter beschränken, um die Verbreitung des Coronavirus zu bremsen. So weit, so logisch, so richtig. Doch bei genauerem Hinsehen stoßen einige Maßnahmen an die Grenzen der Logik: ● Die EinePersonRegel Da die bisherigen Kontaktbeschränkungen offenkundig nicht ausgereicht haben, um die Infektionszahlen in den Griff zu bekommen, wurden sie verschärft. Angehörige eines Haushaltes dürfen sich nur noch mit einer weiteren Person treffen. Das bedeutet in der Praxis zum Beispiel, Oma und Opa dürfen nicht mehr gemeinsam auf ihre Enkel aufpassen. Kinder dürfen Freunde zum Spielen nur noch alleine besuchen, also nicht mehr in Begleitung von Mama oder Papa – was für die ganz Kleinen aber eben keine Option ist. Aus diesem Blickwinkel ist die neue Vorgabe durchaus drastisch. Doch anders als im Frühjahr muss man sich nicht mehr auf eine bestimmte Bezugsperson festlegen. Heißt also, man kann sich immer wieder mit anderen Einzelpersonen treffen, morgens die Freundin zum Kaffee einladen, nachmittags den Nachbarsbub zum
Spielen kommen lassen und Abends mit der Tante kochen. Fazit: Es ist nichts Halbes und nichts Ganzes. Die Anzahl privater Kontakte wird einerseits nur sehr bedingt weiter heruntergefahren – zur Erinnerung: Während der ersten Welle waren zeitweise sämtliche Kontakte außerhalb des eigenen Haushaltes untersagt. Andererseits wirkt die neue Regel weltfremd und verkompliziert unnötig das Leben vieler Familien. Die Ausnahme, dass sich in Bayern zwei Familien zu einer privaten, festen „Betreuungsgemeinschaft“zusammentun dürfen, um gegenseitig auf mehrere Kinder aufzupassen, ist ein richtiger Schritt.
Aber warum sollen Omas und Opas, die zusammen wohnen, sich also potenziell sowieso gegenseitig anstecken, nicht auch gemeinsam ihre Enkel besuchen dürfen, um bei der Betreuung zu helfen?
● Das Homeoffice Abgesehen vom privaten Umfeld haben die meisten Menschen vor allem am Arbeitsplatz und auf dem Weg dorthin Kontakt mit anderen Personen. Warum also gibt es keine klaren Vorschriften, Beschäftigte ins Homeoffice zu schicken, wann immer das möglich ist? Die Regierung hat die Unternehmen lediglich dringend gebeten, großzügig Möglichkeiten für die Arbeit von zu Hause aus zu schaffen. Eine Verpflichtung gibt es aber nicht. Dabei hatte der Lockdown im Frühjahr gezeigt, wie viel Homeoffice möglich ist, wenn es sein muss. Hier wird das Potenzial, Kontakte noch stärker zu reduzieren, weit weniger konsequent ausgeschöpft als im privaten Bereich. Das ist nicht nur unlogisch, sondern vor allem eine verschenkte Chance – erst recht, weil viele Firmen ja inzwischen die Bedingungen für die Arbeit im Homeoffice geschaffen haben.
● Die Kinderbetreuung Im Homeoffice gleichzeitig Kinder zu betreuen ist anstrengend. Je jünger, desto unmöglicher. Immerhin hat die Staatsregierung
im zweiten Lockdown die Notbetreuung ausgebaut. Eltern, egal welcher Berufe, die während ihrer Arbeit eine Kinderbetreuung brauchen, können ihr Kind nun in die Notbetreuung geben. Dafür brauchen sie keinen Nachweis. Das bayerische Sozialministerium verweist auf die Zahlen kurz vor Weihnachten, als nur 8,5 Prozent der Eltern eine Notbetreuung in Anspruch nahmen. Die sind aber nicht zu vergleichen, da vor den Feiertagen nur ein paar Tage überbrückt werden mussten und nicht wie nun drei Wochen. Es ist also zu erwarten, dass mehr Familien die Notbetreuung in Anspruch nehmen. Mehr Kinder in der Kita bedeutet aber auch ein höheres Infektionsrisiko – auch für das Personal. Warum wird also nicht auch der Schutz der Kita-Teams weiter ausgebaut? Etwa FFP2-Masken verteilt, Erzieher im Impfplan höher priorisiert und mehr TeamTestungen ermöglicht, wie es die Landtags-SPD etwa fordert.
Eltern, die die Notbetreuung nicht in Anspruch nehmen möchten, können auch die zehn zusätzlichen Kinderkrankentage pro Elternteil (oder 20 pro Alleinerziehende/r) in Anspruch nehmen. Wie genau das ab Montag ablaufen soll, dafür gibt es aber noch keine gesetzliche Regelung, heißt es beim Bundesgesundheitsministerium.