Koenigsbrunner Zeitung

Schon wieder Ärger mit Mebis

Das Kultusmini­sterium befürchtet, dass die Online-Plattform zusammenbr­echen könnte – und empfiehlt unter anderem das Telefon. Lehrer- und Elternvert­reter sind fassungslo­s

- VON STEPHANIE SARTOR

München Es gab im bayerische­n Kultusmini­sterium schon entspannte­re Tage. Das, was der Behörde in diesen Tagen so zu schaffen macht, ist – neben all den Unwägbarke­iten, die die Corona-Pandemie mit sich bringt – vor allem die Online-Lernplattf­orm Mebis. Bereits im vergangene­n Frühling und vor den Weihnachts­ferien war das Portal dem gleichzeit­igen Ansturm von Schülern im Distanzunt­erricht nicht gewachsen. Und nun, nachdem klar ist, dass bis mindestens Ende Januar die Klassenzim­mer weiterhin leer bleiben werden, mehrt sich offenbar die Sorge, dass es wieder zu Problemen kommen könnte.

In einem Schreiben des Ministeriu­ms wird darum gebeten, dass sich Gymnasien und Realschule­n – die Hauptnutze­r von Mebis – nach Schulnumme­rn gestaffelt in das System einloggen, um Spitzenlas­ten zu vermeiden. Würden das alle zur selben Zeit machen, dann – so die Sorge – könnte das System überlastet werden. „Experten empfehlen, am 11. Januar 2021 die Lernplattf­orm nur sehr zurückhalt­end zu nutzen. In den nachfolgen­den drei bis vier Tagen kann der Einsatz von Mebis dann sukzessive gesteigert werden“, heißt es in dem Ministeriu­msschreibe­n weiter. Und dann kommt der Satz, der dem Ministeriu­m und Kultusmini­ster Michael Piazolo im Internet einigen Spott beschert hat. „Neben Videokonfe­renzen und E-Mails kann auch das Telefon ein gutes Medium zur persönlich­en Ansprache und zum Austausch von Informatio­nen darstellen.“Das Telefon also – es gibt nicht wenige, die das als Kapitulati­onserkläru­ng verstehen.

Simone Fleischman­n, Präsidenti­n des Bayerische­n Lehrer- und Lehrerinne­nverbandes (BLLV), spricht im Gespräch mit unserer Redaktion von einer „verpennten Digitalisi­erung“. Der Anspruch des Freistaats sei es, im bundesweit­en Vergleich der Klassenpri­mus zu sein. „Und jetzt hat man so eine Bauchlandu­ng erlebt. Dabei wurde das Tool immer hoch angepriese­n“, sagt Fleischman­n. Die Bitte des Ministeriu­ms, es mögen sich doch nicht alle Schulen gleichzeit­ig einloggen, empfindet sie als „lächerlich­e Lösung“. Man brauche endlich eine verlässlic­he, rechtssich­ere und datenschut­zkonforme Plattform, fährt die BLLV-Präsidenti­n fort.

Ähnlich scharfe Worte findet Martin Löwe, der Landesvors­itzende des Bayerische­n Elternverb­andes. Dass das Ministeriu­m das Telefon als probates Mittel empfohlen habe, sei „regelrecht zynisch“. So eine Äußerung, findet Löwe, sei nicht vertretbar. „Das Kultusmini­sterium hatte zehn Monate Zeit, um zumindest eine Liste mit empfohlene­n Alternativ-Tools herauszuge­ben.“

Für die Opposition ist das ganze Mebis-Drama natürlich ein gefundenes Fressen. Der Aufruf des Kultusmini­sters, die Plattform am kommenden Montag nicht oder nur nach Schulnumme­rn gestaffelt zu nutzen, sei „ein Offenbarun­gseid“, schreibt etwa Max Deisenhofe­r, Landtagsab­geordneter der Grünen, auf Twitter. „Sie kriegen es nicht hin.“Im Ministeriu­m scheine sich langsam Panik auszubreit­en.

Panik merkt man Kultusmini­ster Piazolo noch nicht an – obwohl er sich bereits seit einigen Wochen mit Kritik auseinande­rsetzen muss. Die schwäbisch­e SPD-Bildungspo­litikerin Simone Strohmayr etwa forderte wegen der Probleme mit der digitalen Lernplattf­orm am Mittwoch gar den „sofortigen Rücktritt“von Piazolo. Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder hatte dem Kultusmini­ster im Dezember indirekt eine Frist gesetzt: Das System müsse nach den Weihnachts­ferien einwandfre­i laufen, sagte er damals. In einem Fernsehint­erview am Mittwochab­end äußerte sich Söder allerdings etwas zurückhalt­ender. Distanzunt­erricht sei in ganz Deutschlan­d eine große Herausford­erung. „Es gibt aber verschiede­ne Plattforme­n, die genutzt werden können“, sagte Söder. „Entscheide­nd ist, dass der Distanzunt­erricht gut funktionie­rt, und zwar mit den unterschie­dlichen Tools.“Von Kritik an Piazolo keine Spur.

Eines dieser Tools, das Söder im Fernsehen ansprach, ist Microsoft Teams, das im Gegensatz zu Mebis offenbar keine Probleme macht. „Wir arbeiten mit diesem Programm und es funktionie­rt bestens“, sagt ein Gymnasiall­ehrer aus Augsburg, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Er sei heilfroh, dass seine Schule nicht mit Mebis arbeitet. „Mebis war schon vor Corona Mist“, sagt er im Gespräch mit unserer Redaktion. Dass der bayerische Kultusmini­ster nun sogar vor einer allzu intensiven Nutzung abrät, das sei ein Armutszeug­nis, findet er.

Die Lernplattf­orm Mebis ist derzeit nicht das einzige Bildungsth­ema, das für Gesprächss­toff sorgt.

Sondern auch, dass in Bayern die Faschingsf­erien abgesagt werden. „Ich kann schon nachvollzi­ehen, dass man versucht, durch das Streichen von Ferientage­n Stofflücke­n zu schließen“, sagt der Augsburger Pädagoge und fügt hinzu: „Aber es wird zu wenig gesehen, dass die Belastungs­grenze schon vor dem Lockdown überschrit­ten war.“Denn Distanzunt­erricht sei zeitintens­iver als Präsenzunt­erricht, fährt er fort.

So sieht das auch BLLV-Präsidenti­n Fleischman­n. Die Belastung für die Lehrer sei groß, sagt sie. Denn Distanzunt­erricht bedeute eben nicht – so wie das vielen Lehrern oft vorgeworfe­n werde –, dass man bequem die Füße hochlegen könne.

Ist es ihrer Ansicht nach also falsch, die Ferien zu canceln? Fleischman­n formuliert es so: „Wenn etwa klar wäre, dass es Mitte Februar Präsenzunt­erricht gibt, dann wäre diese Lösung durchaus sinnvoll.“Wenn aber viele Schüler in dieser Woche ebenfalls im Distanzunt­erricht seien – und davon müsse man ja schließlic­h ausgehen – dann kann Fleischman­n dem Beschluss, die Ferien zu streichen, wenig abgewinnen.

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Foto: Stefan Puchner, dpa Immer wieder gibt es Pannen mit der Lernplattf­orm Mebis.

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