Schon wieder Ärger mit Mebis
Das Kultusministerium befürchtet, dass die Online-Plattform zusammenbrechen könnte – und empfiehlt unter anderem das Telefon. Lehrer- und Elternvertreter sind fassungslos
München Es gab im bayerischen Kultusministerium schon entspanntere Tage. Das, was der Behörde in diesen Tagen so zu schaffen macht, ist – neben all den Unwägbarkeiten, die die Corona-Pandemie mit sich bringt – vor allem die Online-Lernplattform Mebis. Bereits im vergangenen Frühling und vor den Weihnachtsferien war das Portal dem gleichzeitigen Ansturm von Schülern im Distanzunterricht nicht gewachsen. Und nun, nachdem klar ist, dass bis mindestens Ende Januar die Klassenzimmer weiterhin leer bleiben werden, mehrt sich offenbar die Sorge, dass es wieder zu Problemen kommen könnte.
In einem Schreiben des Ministeriums wird darum gebeten, dass sich Gymnasien und Realschulen – die Hauptnutzer von Mebis – nach Schulnummern gestaffelt in das System einloggen, um Spitzenlasten zu vermeiden. Würden das alle zur selben Zeit machen, dann – so die Sorge – könnte das System überlastet werden. „Experten empfehlen, am 11. Januar 2021 die Lernplattform nur sehr zurückhaltend zu nutzen. In den nachfolgenden drei bis vier Tagen kann der Einsatz von Mebis dann sukzessive gesteigert werden“, heißt es in dem Ministeriumsschreiben weiter. Und dann kommt der Satz, der dem Ministerium und Kultusminister Michael Piazolo im Internet einigen Spott beschert hat. „Neben Videokonferenzen und E-Mails kann auch das Telefon ein gutes Medium zur persönlichen Ansprache und zum Austausch von Informationen darstellen.“Das Telefon also – es gibt nicht wenige, die das als Kapitulationserklärung verstehen.
Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV), spricht im Gespräch mit unserer Redaktion von einer „verpennten Digitalisierung“. Der Anspruch des Freistaats sei es, im bundesweiten Vergleich der Klassenprimus zu sein. „Und jetzt hat man so eine Bauchlandung erlebt. Dabei wurde das Tool immer hoch angepriesen“, sagt Fleischmann. Die Bitte des Ministeriums, es mögen sich doch nicht alle Schulen gleichzeitig einloggen, empfindet sie als „lächerliche Lösung“. Man brauche endlich eine verlässliche, rechtssichere und datenschutzkonforme Plattform, fährt die BLLV-Präsidentin fort.
Ähnlich scharfe Worte findet Martin Löwe, der Landesvorsitzende des Bayerischen Elternverbandes. Dass das Ministerium das Telefon als probates Mittel empfohlen habe, sei „regelrecht zynisch“. So eine Äußerung, findet Löwe, sei nicht vertretbar. „Das Kultusministerium hatte zehn Monate Zeit, um zumindest eine Liste mit empfohlenen Alternativ-Tools herauszugeben.“
Für die Opposition ist das ganze Mebis-Drama natürlich ein gefundenes Fressen. Der Aufruf des Kultusministers, die Plattform am kommenden Montag nicht oder nur nach Schulnummern gestaffelt zu nutzen, sei „ein Offenbarungseid“, schreibt etwa Max Deisenhofer, Landtagsabgeordneter der Grünen, auf Twitter. „Sie kriegen es nicht hin.“Im Ministerium scheine sich langsam Panik auszubreiten.
Panik merkt man Kultusminister Piazolo noch nicht an – obwohl er sich bereits seit einigen Wochen mit Kritik auseinandersetzen muss. Die schwäbische SPD-Bildungspolitikerin Simone Strohmayr etwa forderte wegen der Probleme mit der digitalen Lernplattform am Mittwoch gar den „sofortigen Rücktritt“von Piazolo. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hatte dem Kultusminister im Dezember indirekt eine Frist gesetzt: Das System müsse nach den Weihnachtsferien einwandfrei laufen, sagte er damals. In einem Fernsehinterview am Mittwochabend äußerte sich Söder allerdings etwas zurückhaltender. Distanzunterricht sei in ganz Deutschland eine große Herausforderung. „Es gibt aber verschiedene Plattformen, die genutzt werden können“, sagte Söder. „Entscheidend ist, dass der Distanzunterricht gut funktioniert, und zwar mit den unterschiedlichen Tools.“Von Kritik an Piazolo keine Spur.
Eines dieser Tools, das Söder im Fernsehen ansprach, ist Microsoft Teams, das im Gegensatz zu Mebis offenbar keine Probleme macht. „Wir arbeiten mit diesem Programm und es funktioniert bestens“, sagt ein Gymnasiallehrer aus Augsburg, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Er sei heilfroh, dass seine Schule nicht mit Mebis arbeitet. „Mebis war schon vor Corona Mist“, sagt er im Gespräch mit unserer Redaktion. Dass der bayerische Kultusminister nun sogar vor einer allzu intensiven Nutzung abrät, das sei ein Armutszeugnis, findet er.
Die Lernplattform Mebis ist derzeit nicht das einzige Bildungsthema, das für Gesprächsstoff sorgt.
Sondern auch, dass in Bayern die Faschingsferien abgesagt werden. „Ich kann schon nachvollziehen, dass man versucht, durch das Streichen von Ferientagen Stofflücken zu schließen“, sagt der Augsburger Pädagoge und fügt hinzu: „Aber es wird zu wenig gesehen, dass die Belastungsgrenze schon vor dem Lockdown überschritten war.“Denn Distanzunterricht sei zeitintensiver als Präsenzunterricht, fährt er fort.
So sieht das auch BLLV-Präsidentin Fleischmann. Die Belastung für die Lehrer sei groß, sagt sie. Denn Distanzunterricht bedeute eben nicht – so wie das vielen Lehrern oft vorgeworfen werde –, dass man bequem die Füße hochlegen könne.
Ist es ihrer Ansicht nach also falsch, die Ferien zu canceln? Fleischmann formuliert es so: „Wenn etwa klar wäre, dass es Mitte Februar Präsenzunterricht gibt, dann wäre diese Lösung durchaus sinnvoll.“Wenn aber viele Schüler in dieser Woche ebenfalls im Distanzunterricht seien – und davon müsse man ja schließlich ausgehen – dann kann Fleischmann dem Beschluss, die Ferien zu streichen, wenig abgewinnen.