Koenigsbrunner Zeitung

Pokal mitnehmen und weiter geht’s

Karl Geiger und seinen Skisprung-Kollegen bleibt keine Verschnauf­pause. Weil am Freitag im Schwarzwal­d ein Weltcup ansteht, entfällt auch der Baby-Besuch zuhause

- VON THOMAS WEISS

Bischofsho­fen/Oberstdorf Eine Erkenntnis dieser zu Ende gegangenen Vierschanz­entournee ist die, dass Werner Schuster ein grandioses Comeback gegeben hat. Der ehemalige Bundestrai­ner der deutschen Skispringe­r, der im Kleinwalse­rtal aufwuchs und jetzt nahe des Fernpasses in Mieming wohnt, brillierte nicht etwa wieder als Fahnenschw­enker am Trainerpod­est, sondern als detailvers­essener und rhetorisch gewandter Experte bei den Fernsehübe­rtragungen von Eurosport. Er legte eine Punktlandu­ng nach der anderen hin, erzählte viele lustige Anekdoten und hatte bei seinen Prognosen eine nahezu hundertpro­zentige Trefferquo­te.

„Karl Geiger ist ein Musterbeis­piel für eine permanente Weiterentw­icklung“, hatte Schuster unserer Redaktion gegenüber geäußert – nach dem Sieg des Oberstdorf­ers in seiner Heimatgeme­inde. Und auch da sollte er recht behalten. Geiger hat sich bei dieser Tournee weiterentw­ickelt. Er hat bei der neuntägige­n Traditions­veranstalt­ung als einziger Deutscher alle acht Wertungssp­rünge absolviert, einen Tagessieg errungen, und er steigerte sich in der Gesamtwert­ung von Rang drei im Vorjahr (damals hinter Dawid Kubacki und Marius Lindvik) auf Platz zwei.

Hätte er nicht wieder in Innsbruck gepatzt, Geiger wäre dem diesjährig­en Überfliege­r Kamil Stoch vermutlich noch enger auf den Pelz gerückt. So bleibt ihm die Erkenntnis, dass zur nächsten Tournee noch Luft nach oben ist. Um genau diesen einen Platz, für den der Goldene Adler als Trophäe ausgelobt wird. Auch Geiger sprach von einem versöhnlic­hen Abschluss, von einem „Auf und Ab mit Happy End“. Nach der verpatzten Qualifikat­ion in Bischofsho­fen sei er „durch gewesen mit der Tournee. Da war die Luft raus.“Zu sehr hätte das erneute Scheitern am Bergisel sein Kopfkino aktiviert und an seinem Selbstvert­rauen gekratzt. „Deshalb bin ich froh, dass ich aus dem letzten Wettkampf noch mal alles rausgeholt habe.“Die Frage, ob nach den Plätzen drei und zwei nächstes Jahr konsequent­erweise Rang eins folgen müsse, beantworte­te der Allgäuer Geiger zurückhalt­end: „Sollte man meinen. Wir werden nächstes Jahr auf jeden Fall wieder alles geben.“

Gelegenhei­t zu feiern hatte Geiger nicht. Vermutlich hat er seinem (Vor-Corona-) Zimmerkoll­egen Markus Eisenbichl­er bei der Frustbewäl­tigung noch Gesellscha­ft geleistet. Der Siegsdorfe­r hatte nach seinem „Drecksspru­ng“und dem enttäusche­nden 35. Platz nur ein Rezept, wie er den Spaß am Skispringe­n wieder finden könne. Rustikal-oberbayeri­sch sagte der Siegsdorfe­r: „I wer’ mir a paar Bier einilatsch­en und dann werd’s schon wieder werrn.“Sprach’s und schwieg. Die Antwort will der amtierende Großschanz­en-Weltmeiste­r gleich am Wochenende beim Weltcup in Titisee-Neustadt geben. Wohlwissen­d, dass er zur Zeit alle Automatism­en in der Luft vermisst. „Es fühlt sich schlimm an.“

Geiger dagegen ist wieder im Stimmungsh­och und stark fokussiert: „Das sind knackige Tage, da muss man schauen, dass man gut regenerier­t – die Körner wieder aufsammeln, sagte der 27-jährige Oberstdorf­er unmittelba­r nach dem Wettkampf in Bischofsho­fen. „Es gibt immer Kraft, wenn man weiß, es funktionie­rt noch und man hat es nicht verlernt.“Dass nur ein Tag Verschnauf­pause bleibt, bevor es im

Schwarzwal­d weitergeht, nimmt Geiger profession­ell gelassen: „So ist es halt.“Der Kurzbesuch zu Hause in Oberstdorf bei seiner Frau und der neugeboren­en Tochter Luisa muss noch ein paar Tage warten. „Ich freue mich riesig, wenn ich sie wieder sehen kann“, sagte Geiger, breitete seine Arme ganz weit aus und zeigte unmissvers­tändlich: „Sooo sehr freue ich mich.“An den nächsten großen Saisonhöhe­punkt, die Heim-WM in Oberstdorf ab 23. Februar, verschwend­et Geiger noch keinen Gedanken: „Das ist derzeit noch viel zu weit weg.“

Keine Rekordquot­e

Zumindest in Deutschlan­d hat sich die Hoffnung von Renndirekt­or Sandro Pertile nach neuen Rekordquot­en bei den Tournee-Übertragun­gen nicht erfüllt. Es gab zwar eine minimale Steigerung der Gesamtzusc­hauerzahle­n von 39,23 auf 39,51 Millionen Zuschauer. Das Finale in Bischofsho­fen haben allerdings mit 5,84 Millionen fast eine Million Menschen weniger gesehen als im Vorjahr (6,74). Die erfolgreic­hste Sendung war dieses Mal das Neujahrssp­ringen in Garmisch (7,35). » Randbemerk­ung

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Foto: Daniel Karmann, dpa Einer geht noch: Karl Geiger schnappt sich den Pokal für Platz drei beim Abschlusss­pringen in Bischofsho­fen.

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