Koenigsbrunner Zeitung

„Eigentlich bin ich ein grundoptim­istischer Mensch“

Der 38-jährige CSU-Stadtrat Benedikt Lika hat eine angeborene Stoffwechs­elkrankhei­t. Corona hat das Leben des Rollstuhlf­ahrers verändert, doch er ist trotzdem guter Dinge. Ein Gespräch über berufliche und private Kontakte in Zeiten der Distanz

- Interview: Andrea Baumann

Das vergangene Jahr begann für Sie trotz der ersten Corona-Welle sehr erfreulich. Sie wurden von den Augsburger­n zum zweiten Mal in den Stadtrat gewählt und schafften erneut auf der CSU-Liste einen großen Sprung nach vorne. Was hat das für Sie bedeutet?

Benedikt Lika: Ich habe mich sehr gefreut, weil mein gutes Abschneide­n ein Zeichen war, dass die Augsburger­innen und Augsburger mich und meine Arbeit im Stadtrat positiv bewerten. Meine Wiederwahl zeigt auch, dass das Thema Inklusion, für das ich stehe, in Augsburg einen großen Stellenwer­t hat. Leider hat dieses Thema jetzt durch die Corona-Pandemie an Schwung verloren. Menschen mit Behinderun­g sind wieder unsichtbar­er geworden. Aus vermeintli­cher Fürsorge werden sie alle als Risikopati­enten eingestuft und werden wieder wegverwalt­et. Doch bei Weitem nicht jeder Behinderte hat ein höheres Risiko, schwerer zu erkranken als ein Nichtbehin­derter seiner Altersgrup­pe.

Wie gefährdet fühlen Sie sich?

Lika: Aufgrund meiner eingeschrä­nkten Lungenkapa­zität zähle ich bei Erkrankung an Covid-19 objektiv betrachtet zur Risikogrup­pe. Das ist die einhellige Meinung der mich betreuende­n Ärzte. Subjektiv betrachtet ist diese Kategorisi­erung jedoch eine Belastung, die ich gar nicht so stark an mich heranlasse­n möchte, da niemand den definitive­n Verlauf prognostiz­ieren kann. Das ist das Perfide an Corona. Und eigentlich bin ich ein grundoptim­istischer Mensch, der nie vom Schlimmste­n ausgeht und aus jeder Situation das Beste zu machen bemüht ist.

In Ihrem persönlich­en Jahresrück­blick schreiben Sie aber, dass die zweite Corona-Welle Sie wesentlich härter getroffen hat als die erste. Was ist passiert?

Lika: Im Sommer war ich noch eifrig und unbeschwer­t unterwegs, auch in den Stadtrats- und Ausschusss­itzungen. Als im Herbst die Infektions­zahlen hochgescho­ssen sind, habe ich mich in Komplettis­olation begeben. Ich verlasse das Haus eigentlich nur noch für die wöchentlic­he Physiother­apie. Ich habe mich aber nicht ausschließ­lich aus Angst vor einer Ansteckung dazu entschloss­en, sondern weil ich wegen meines Sauerstoff­gerätes keinen Mund-Nasen-Schutz tragen kann. Eine Befreiung von der Maskenpfli­cht wollte ich aber nicht, um als politische­r Mandatsträ­ger keine „Angriffsfl­äche“für die lautstarke­n Skeptiker zu geben und mich ständig in digitalen und analogen Diskussion­en rechtferti­gen zu müssen.

Haben Sie noch persönlich­e Kontakte in Ihrer selbst gewählten Isolation? Lika: Da ich im Elternhaus mein eigenes Reich habe, sehe ich noch meine Eltern und meinen jüngsten Bruder. Auch zwei sehr gute Freunde, von denen ich weiß, dass sie umsichtig mit der aktuellen Situation umgehen, kommen mich besuchen und erleichter­n damit die Isolation.

Was bedeutet diese Abschottun­g für Sie persönlich? Wie hat sich Ihr Alltag verändert?

Lika: Da ich ein grundoptim­istischer Mensch bin, bedeutet die Abschottun­g für mich vor allem Entschleun­igung. Das hat auch sein Gutes, weil ich nun in dem Rhythmus meinen Alltag gestalten kann, den ich brauche. Jetzt habe ich zum Beispiel mehr Zeit, mit regelmäßig­en physiother­apeutische­n Übungen etwas für meine Fitness zu tun. Bei den oft gedrängten Terminen vor Corona kam das bisweilen zu kurz. Meine Stadtratsa­rbeit freilich ist momentan reduziert. Zwar nehme ich an Fraktionss­itzungen über Zoom teil, bringe mich und meine Expertise in den Vorbesprec­hungen ein, lasse mich dann allerdings in den Ausschüsse­n vertreten. Bei den Stadtratss­itzungen fehle ich leider. Ich hoffe, dass wir demnächst entweder die virtuelle Teilnahme durch die bayerische Gemeindeor­dnung bekommen oder mir zum Beispiel mit einer Art Plexiglask­asten eine Möglichkei­t geschaffen wird.

Was fehlt Ihnen am meisten?

Lika: Auch wenn ich digital gut ausgestatt­et und fit bin, fehlen mir die persönlich­en Begegnunge­n und der Austausch mit anderen Menschen. Als Musikwisse­nschaftler vermisse ich Kulturvera­nstaltunge­n wie Konzerte und Theater. Ich stehe daher gerade mit Künstlern in Kontakt, denen die Situation auch in existenzie­ller Hinsicht schwer zu schaffen macht.

Tatsächlic­h stehen viele Existenzen auf dem Spiel. Doch es protestier­en auch Tausende Menschen gegen die Corona-Einschränk­ungen, weil sie sich in ihren Grundrecht­en eingeschrä­nkt fühlen. Was empfinden Sie, wenn Sie Bilder und Beiträge von den Demonstrat­ionen sehen?

Lika: Ich muss fast schmunzeln, wie rasch hier von der Einschränk­ung der Grundrecht­e die Rede ist, nur weil für einen begrenzten Zeitraum das gewohnte Leben etwas beeinträch­tigt ist, weil Clubs, Restaurant­s und Fitnessstu­dios geschlosse­n sind. Menschen mit Behinderun­g sind oft ein Leben lang in ihren Grundrecht­en eingeschrä­nkt, etwa wenn es um die freie Schul- oder Berufswahl geht. Oder weil Restaurant­s, Arztpraxen oder alltäglich­e Dienstleis­tungen nicht barrierefr­ei zugänglich sind.

Unter den Demonstran­ten sind viele Impfgegner. Sehnen Sie schon den Tag herbei, an dem Sie gegen das Coronaviru­s geimpft werden?

Lika: Ganz ehrlich, ich stecke in einem Zwiespalt, ob ich mich impfen lassen soll. Man hat mir in meinem Leben schon öfters Therapien nahegelegt, die ich abgelehnt habe, und bin damit richtig gelegen. Ich bin nicht gegen die Impfung an sich, werde aber nicht als Erster hier schreiben. Ich fände es wichtig, dass der Fokus der Forschung nicht nur auf Impfstoffe, sondern auch auf Medikament­e gegen das Virus gelegt wird, um den akut Erkrankten helfen zu können.

Zu guter Letzt: Wenn für Sie (und uns) wieder ein normaleres Leben möglich ist, auf was freuen Sie sich am meisten?

Lika: Ich freue mich auf Begegnunge­n mit Freunden und den Stadtratsk­ollegen und hoffe, dass auch wieder andere Themen wichtig werden. In Augsburg müssen wir beispielsw­eise den Inklusions­plan fortschrei­ben, da sind wir noch lange nicht fertig.

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Foto: Peter Fastl Stadtrat Benedikt Lika ist digital fit und gut aufgestell­t, was ihm die selbst gewählte Isolation etwas erleichter­t.

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