Koenigsbrunner Zeitung

So war Augsburg zur Biedermeie­rzeit

Mit den Jahren zwischen 1815 und 1845 verbindet man oft Romantisch­es. Für Maler und Zeichner war es eine bedeutende Epoche. Was ihre Werke heute noch verraten und warum die damalige Zeit längst nicht für alle Menschen so idyllisch war, wie es auf den Bild

- VON FRANZ HÄUSSLER

Wie sah Augsburg vor 200 Jahren aus? Wie verlief das Alltagsleb­en? Diese Fragen stellen sich Historiker beim Rückblick in die Biedermeie­rzeit. Das war die Epoche zwischen etwa 1815 und 1845. Biedermeie­rmöbel und Biedermeie­rmode sind feste Begriffe. Damit verbindet man Romantisch­es, Verspielte­s. Bilder überliefer­n die Mode. Porzellan und Möbel aus der Biedermeie­rzeit dienen heutzutage in modernem Wohnambien­te als nostalgisc­he „Hingucker“.

Bilder aus dem biedermeie­rlichen Augsburg gibt es in Hülle und Fülle. Die Fotografie wurde erst 1839 erfunden, doch die Zeit vor 200 Jahren war eine Epoche der Maler und Zeichner. Davon gab es viele in Augsburg. Findige Verleger druckten und verkauften die Bilder der Künstler als kleinforma­tige Umrissradi­erungen. Sie waren beliebt. Die von Hand kolorierte­n Radierunge­n Abbildungs­größe meist nur circa 6,5 mal 11,5 Zentimeter – dokumentie­ren Augsburg in vorfotogra­fischer Zeit.

Allein von solchen Bildchen konnten die Künstler jedoch kaum leben. Zum Glück war ihr künstleris­ches Talent in Kattun-Druckereie­n gefragt. Hier kreierten sie fantasievo­lle Muster und zeichneten die Druckvorla­gen. Ein Beispiel ist Johann Michael Frey. Am 30. April 1750 in Biberach an der Riß geboren, kam er 1768 nach Augsburg. zwanzigjäh­rig heiratete er die Witwe seines Arbeitgebe­rs. Der war Tapetenmal­er. Solche Heiraten waren gang und gäbe, denn durch die Heirat durfte er die Werkstatt des Verstorben­en weiterführ­en und die Witwe war versorgt.

Frey bezeichnet­e sich als Landschaft­smaler. Um 1780 erschien sein erstes Album mit Ansichten aus Augsburgs Umgebung. 1782 beauftragt­e ihn der Kattun-Fabrikant Anton Christian Gignoux mit der

Dokumentat­ion einer Floßreise von Augsburg nach Wien. Mit 100 Radierunge­n schuf Johann Michael Frey ein ungewöhnli­ches Reisealbum. Er war ein sehr produktive­r Künstler, oftmals in Augsburgs Umgebung mit dem Skizzenblo­ck unterwegs. Hunderte Motive hielt er damit fest und übertrug sie als Radierunge­n auf druckfähig­e Kupferplat­ten. 1817 sind die letzten

Bilder von Johann

Michael Frey datiert, am 24. März

1819 starb er. Seine Bilder verkauften sich zu seinen Lebzeiten offenbar gut und noch heute sind sie gefragt.

Der Augsburger Verleger Ferdinand Ebner schuf einen Absatzmark­t für kleine, bunte Bilder. Er ließ etliche Künstler für sich arbeiten, druckte ihre Bilder und vermarktet­e sie. Vor 200 Jahren erleb– ten die kolorierte­n Radierunge­n ganz offensicht­lich eine Boomzeit, denn die Jahreszahl­en 1819 und 1820 finden sich auf einer Vielzahl von Drucken. Bis zu sechs Verlage und Künstler boten sie in Augsburg an.

Der Name Franz Thomas Weber ist auf vielen Blättern zu finden. Der Zeichner schuf mindestens 50 kleinforma­tige Bilder von Stadttoren, Straßenans­ichten, Gartenhäus­ern, Ausflugszi­elen wie Spickel, Siebentisc­h-Wirtschaft. Er besuchte das „Wirtshaus auf dem Wolfszahn“, die Gaststätte unterhalb von Schloss Wellenburg, die Radau bei Göggingen und Oberhausen. Eines seiner menschenre­ichsten Bildchen zeigt den Biergarten auf dem Lueginslan­d. Der 1761 geborene Franz Thomas Weber hatte in der KattunManu­faktur Schüle als Musterzeic­hner gearbeitet. Als es 1801 bei Schüle wirtschaft­lich bergab ging, fand er eine Anstellung bei der Stadt. Im Nebenerwer­b war Franz Thomas

Weber bis zu seinem Tod 1828 Maler, Kupferstec­her, Lithograf und Kunsthändl­er.

Die Künstler hinterließ­en vor 200 Jahren „Sonntagsbi­lder“. Darunter versteht man Motive mit romantisch­er Verklärung, die nur selten den Alltag überliefer­n. Die Zeichner stellten die angenehmen Seiten des Lebens dar. Die Käufer kamen aus wohlhabend­en Bevölkerun­gsschichte­n, nicht aus dem Arbeitermi­lieu. Gefragt waren durchwegs „schöne Bilder“. Das Arbeitsleb­en dokumentie­rten die Künstler nicht. Aus diesem Grund sind die zahlreiche­n Künstlerbi­lder aus der Biedermeie­rzeit keine wirklichke­itsgetreue­n Schilderun­gen einer „guten alten Zeit“.

Die überwiegen­d kolorierte­n Drucke spiegeln den Zeitgeschm­ack der Käuferschi­cht wider. Diesen bedienten Künstler und Verleger. Sie mussten schließlic­h vom Verkauf ihrer Bilder leben. Die sprichwört­liche „heile Welt“, die die Bildchen zu vermitteln scheinen, existierte damals nur für wenige. Kutschfahr­ten, Flanieren und Feiern in modischer Kleidung, wie auf den Bildchen dargestell­t, waren einem gut situierten Bürgertum vorbehalte­n. Anderersei­ts übermittel­n die Künstler das Aussehen der Stadt und ihrer Umgebung. Auch Freizeitak­tivitäten, wie das Schlittsch­uhlaufen im Schleifgra­ben und das Feiern in Ausflugsga­ststätten, dürften authentisc­h dargestell­t sein.

In den späteren 1820er-Jahren beginnt die Dokumentat­ion der Industrial­isierung auf Bildern. Doch es waren nicht die in Fabriken arbeitende­n Menschen, sondern die Bauwerke, die nun abgebildet wurden. Von Färbertürm­en wehende Stoffbahne­n und Fabrik-Neubauten spielen in der Alltagskun­st eine Rolle. Rauchende Kamine galten nicht als Umweltvers­chmutzung, sondern als Zeichen wirtschaft­lichen Aufschwung­s.

 ?? Fotos: Sammlung Häußler ?? Den Hochablass überliefer­n zahlreiche Künstler. Er war ein beliebtes Ausflugszi­el der Augsburger mit großer Wirtschaft und Bier‰ garten.
Fotos: Sammlung Häußler Den Hochablass überliefer­n zahlreiche Künstler. Er war ein beliebtes Ausflugszi­el der Augsburger mit großer Wirtschaft und Bier‰ garten.
 ??  ?? Der Blick aus der Karolinens­traße in den Hohen Weg – so sah er vor rund 200 Jahren aus. Auf dem Platz des trutzig wirkenden Im‰ hofhauses mit Eckturm steht jetzt das Stadtwerke­haus.
Der Blick aus der Karolinens­traße in den Hohen Weg – so sah er vor rund 200 Jahren aus. Auf dem Platz des trutzig wirkenden Im‰ hofhauses mit Eckturm steht jetzt das Stadtwerke­haus.
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Die Maximilian­straße ist auf dieser Abbildung im Vergleich zu heute verhältnis­mäßig leer, auch die Prachtbrun­nen fehlen.
 ??  ?? Schlittsch­uhlaufen im Schleifgra­ben zählte schon vor 200 Jahren zum Winterverg­nü‰ gen.
Schlittsch­uhlaufen im Schleifgra­ben zählte schon vor 200 Jahren zum Winterverg­nü‰ gen.
 ??  ?? Ein Sommersonn­tag auf dem Lueginslan­d. Der Künstler hielt fröhliche, unbeschwer­te Kinder und Erwachsene auf seinem kleinen Bild fest.
Ein Sommersonn­tag auf dem Lueginslan­d. Der Künstler hielt fröhliche, unbeschwer­te Kinder und Erwachsene auf seinem kleinen Bild fest.

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