Koenigsbrunner Zeitung

Kunden sind wieder ein bisschen willkommen

Auch in Bayern ist das Abholen bestellter Ware im Einzelhand­el nun erlaubt. Viele Händler in Augsburg hätten sich das schon früher gewünscht. Sie erwarten zwar keine Umsatzexpl­osion, aber jeder Euro zählt

- VON ANDREA WENZEL

Im Netz oder telefonisc­h bestellen, im Laden abholen. Vielen Händlern wäre geholfen, wenn sie ihre Kunden trotz des Lockdowns wenigstens so bedienen könnten. Doch bislang war das in Bayern nicht erlaubt, was auch unter Augsburger Händlern für großen Unmut sorgte. Umso größer ist nun bei vielen die Erleichter­ung, dass es sich die bayerische Staatsregi­erung anders überlegt hat. Ab Montag ist das System „Click & Collect“(Klicken und Einsammeln) auch im Freistaat möglich – unter Einhaltung von Hygienereg­eln und innerhalb vorgegeben­er Zeitfenste­r. Das gilt für alle Geschäfte, die aktuell geschlosse­n sind – von der kleinen Boutique, über den Buchladen bis hin zum Baumarkt. Doch wer wird das System in Augsburg anbieten?

In Augsburg haben sich einige Händler schon auf den neuen Service eingestell­t. Bei der Schlosser’schen Buchhandlu­ng beispielsw­eise möchte man so schnell wie möglich loslegen. „Derzeit planen wir damit, einen Tisch vor dem Laden aufzustell­en, auf dem die Ware abgelegt und kontaktfre­i in Empfang genommen werden kann“, sagt Filialleit­erin Stefanie Anan. Bezahlt werde per Rechnung. Noch seien nicht alle rechtliche­n Details der Abholmodal­itäten geklärt. Sobald das der Fall ist, werde man Nägel mit Köpfen machen und starten.

Der Wunsch der Kunden, ihre Ware selbst beim Händler abholen zu können, sei groß, sagt Buchexpert­in Anan. „Für manche scheint das eine wichtige Abwechslun­g zu sein.“Auch andere Händler wie die Parfümerie Haberstock haben diese Erfahrung in den letzten Tagen gemacht. „Die Menschen wollen raus und sind bereit, ihre Waren abzuholen“, erzählt Mitarbeite­r Franz Wahl. Beide Geschäfte wollen diese Möglichkei­t daher nun auch schaffen, halten aber auch am bestehende­n Lieferserv­ice fest.

Ob „Click & Collect“wirklich zum Umsatzgara­nt wird, da sind sich Stefanie Anan und Franz Wahl noch nicht sicher. „Ich würde sagen, wir sparen uns manche Lieferung und so Kosten und Aufwand bei ähnlichem Umsatz. So bleibt unterm Strich aber immerhin ein kleines Plus“, plant Anan. Ähnlich kalkuliert Wahl: „Müssen nicht mehr alle Kunden beliefert werden, dann spart das Kosten und ist insgesamt eine Entlastung.“

Davon geht auch Andreas Gärtner, Bezirksges­chäftsführ­er des Schwäbisch­en Handelsver­bands, aus: „Das bringt vor allem für viele kleinere und mittlere Unternehme­n eine Erleichter­ung und endlich Hoffnung“, sagt er. Denn für immer mehr Händler in Augsburg zähle derzeit jeder eingenomme­ne beziehungs­weise nicht ausgegeben­e Euro, um zu überleben. Geschäfte, die aus verschiede­nen Gründen bisher keinen Lieferserv­ice boten, hätten nun überhaupt erst die Möglichkei­t, aktiv auf Kunden zu zugehen und ihre Waren anzubieten, so Gärtner. Es sei eine enorme Entlastung, wenn man durch die so gewonnen Einnahmen wenigstens die bezahlen könne. Die Stadt Augsburg bewertet die Entscheidu­ng aus München auch im Hinblick auf die Zukunft positiv: „Click & Collect‘ ist eine gute Möglichkei­t, Kundinnen und Kunden weiterhin für den Einkauf im stationäre­n Handel zu begeistern“, heißt es aus dem Wirtschaft­sreferat.

Doch es gibt auch kritische Stimmen – vor allem aus dem Modehandel. Dass „Click & Collect“die Wende bringt, bezweifelt beispielsw­eise Karin Hoschek, Sie betreibt den Schuhladen Sisento in der Innenstadt und bietet neben einer Beratung auf Distanz auch einen Lieferserv­ice an. Weil die Nachfrage derzeit aber so gut wie nicht vorhanden sei – sie berichtet von zwei bis drei Kunden die Woche – , können sie diesen wenigen Kunden die Ware auch weiter liefern. „Das finde ich dann den schöneren Service, als eine Abholung anzubieten, für die die Kunden ja extra in die Stadt kommen müssten.“

Franz Kahn, Inhaber des Modehauses Kaufrausch, weiß auch noch nicht so recht, welche Erfolgscha­ncen er „Click & Collect“zuschreibe­n will. „Wir werden an unserem Lieferserv­ice weiter festhalten, auch wenn uns eine Selbstabho­lung natürlich entlasten würde.“Aus seiner Sicht werde es eine Zeit lang dauern, ehe die Kunden von dieser Möglichkei­t erfahren und sie auch nutzen. Vorbereite­t sei man aber auch für diesen Vertriebsw­eg. Man wolle dem Kunden alles bieten, was möglich ist. „,Click & Collect‘ gibt uns Hoffnung und ist an sich ein positives Signal.“

Dass sich vor den Geschäften nun lange Schlagen bilden und so ein erhöhtes Ansteckung­srisiko besteht, glauben Einzelhänd­ler und Verbandsve­rtreter nicht. Kritiker von „Click & Collect“fürchten aber, dass es vor allem vor großen Elektronik- oder Baumärkten zu Menschenan­sammlungen komMiete men könnte. Bei den Augsburger Bauhausfil­ialen setzt man daher auf die Abholung der Waren per Auto. „Sie bestellen online oder telefonisc­h, erhalten ein Zeitfenste­r zugewiesen, in dem sie die Produkte abholen sollen, werden vor Ort in eine Fahrspur eingewiese­n und bekommen die Waren hingestell­t oder eingeladen“, erklärt ein Sprecher. Kunde und Mitarbeite­r müssten Maske tragen, eine Bezahlung sei nur per Karte und durch das Autofenste­r möglich.

Die Stadt wird in Absprache mit der Polizei Stichprobe­nkontrolle­n, aber auch Schwerpunk­tkontrolle­n durchführe­n. „Einrichtun­gen, bei denen auch bei erneuter Kontrolle Verstöße festzustel­len waren, müssen mit empfindlic­hen Bußgeldern rechnen“, sagt Ordnungsre­ferent Frank Pintsch. Die bisherige Beobachtun­g zeige aber, dass sich der ganz überwiegen­de Teil der Gewerbetre­ibenden an die Gesundheit­sregeln halte. »Kommentar

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Archivfoto: Annette Zoepf Unter Einhaltung der Hygienereg­eln und in bestimmten Zeitfenste­rn sollen Kunden ihre im Netz bestellte Ware künftig vor Ort abholen können.

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