Koenigsbrunner Zeitung

Dinkelsche­rber meldet sich aus Flüchtling­scamp

Wolfgang Pentz aus Dinkelsche­rben ist für das Rote Kreuz zum zweiten Mal auf der griechisch­en Insel Lesbos im Einsatz

- VON TOBIAS KARRER

Dinkelsche­rben Das Flüchtling­scamp Kara Tepe auf der Ägäisinsel Lesbos hat in den vergangen Monaten immer wieder für Schlagzeil­en gesorgt. Das Camp wurde errichtet, nachdem das hoffnungsl­os überfüllte Lager Moria abgebrannt war, und es sei schlimmer als sein Vorgänger. In einem Brief an die EU betonten die Geflüchtet­en: „Selbst Tiere haben in der EU mehr Rechte und bessere Lebensbedi­ngungen als wir.“Vor Ort ist der Dinkelsche­rber Wolfgang Pentz.

Sein Spezialgeb­iet ist das Thema Hygiene. Pentz absolviert zurzeit seine zweite Rotation für das Rote Kreuz auf Lesbos. Seit Mitte Dezember ist der Katastroph­enhelfer wieder auf der griechisch­en Insel im Einsatz, um Hygiene und Wasservers­orgung im Camp zu verbessern. Schon im Vorfeld erklärte er gegenüber unserer Redaktion, dass er keine Schreckens­szenarien wie die, von denen immer wieder berichtet wird, erlebt habe. Für ihn ist allerdings grundsätzl­ich klar, dass die Unterbring­ung in den Camps nur eine Übergangsl­ösung sein sollte.

Auch in einem Zwischenbe­richt, den er von Lesbos schick, betont der Hygiene-Experte wiederholt: „Das ist kein Leben auf Dauer.“Er zeichnet allerdings ein differenzi­erteres Bild als die vielen Medienberi­chte. „Die Migranten sind gut mit Wasser und Essen versorgt“, erklärt er. Der Müll werde täglich entsorgt und auch die Toiletten jeden Tag gereinigt. Das Leben im Zelt sei in Europa trotzdem „kein haltbarer Zustand“. Besonders das winterlich­e Wetter mache den Geflüchtet­en jetzt zu schaffen. „Der Wind bläst hier sehr kalt und stark“, so Pentz. Wenn es zusätzlich regnet, wird die Situation noch schlimmer.

Die Zelte der Geflüchtet­en stehen auf Paletten oder Spanplatte­n, um die Bewohner wenigstens etwas vor dem Wasser, das sich am Boden sammelt, zu schützen. Auch wurden immer wieder bauliche Verbesseru­ngen vorgenomme­n.

Schon während Pentz’ ersten Einsatzes in Kara Tepe wurden zum Beispiel Gräben ausgehoben, damit das Regenwasse­r besser ins Meer abfließen kann. Mittlerwei­le gebe es auch zwei feste Großraumze­lte. Eines für ledige Männer und eines für

Familien. Die Männer schlafen laut dem Dinkelsche­rber allerdings in Stockbette­n und hätten nur etwa zwei Meter auf 60 Zentimeter Privatsphä­re. Für Familien wurden innerhalb der Zelte Zimmer eingericht­et.

Mittlerwei­le haben es Pentz und seine sieben Kollegen vom Deutschen Roten Kreuz in Zusammenar­beit mit den Bewohnern des Camps auch geschafft, warme Duschen einzuricht­en. Die erste Duschstati­on ging am 23. Dezember in Betrieb. Eine zweite wurde am ersten Weihnachts­feiertag fertiggest­ellt. Das warme Wasser kommt aus einer etwa 25 km entfernten Thermalque­lle, wird in Tankwagen angeliefer­t und über

Leitungen in Eimer abgefüllt, von denen jeder Bewohner des Lagers, der sich gerne warm duschen möchte, zwei bekommt.

Die Organisati­on des Duschens übernehmen die Geflüchtet­en selbst. Circa 600 Menschen pro Tag können sich mit warmem Wasser waschen. „Die Leute sind sehr dankbar für diese Verbesseru­ng“, sagt der Wolfgang Pentz.

Natürlich kennen er und seine Kollegen die Medienberi­chte über die Zustände im Camp. Der Dinkelsche­rber erklärt aber zum Beispiel, dass selbst in der Zone mit den Großraumze­lten alles „sehr ruhig“ablaufe. Weder er noch seine Kollegen hätten etwas von Ärger unter den Bewohnern, Rattenbiss­en oder Vergewalti­gungen „gesehen und auch nicht gehört“. Auch bei seiner ersten Tour hatte er keinen Konflikt mitbekomme­n, der über eine Rangelei unter Jugendlich­en hinausging. Pentz und seine Kollegen vom Roten Kreuz sind sich trotzdem einig: „Es ist und bleibt eine Zeltstadt, die in unserem Verständni­s von Unterkunft keine Berechtigu­ng haben darf.“

Alles in allem ist das Camp am Rande der Hauptstadt Mytilene für Wolfgang Pentz nur als Notfallunt­erkunft akzeptabel. Er stellt allerdings die Frage, ob die Geflüchtet­en in Europa tatsächlic­h eine derartige Notsituati­on darstellen sollten. „Die Mitgliedss­taaten müssen ihrer Aufgabe der Registrier­ung und Entscheidu­ng über eine Anerkennun­g in angemessen­er Zeit nachkommen, um solche Verhältnis­se nur auf begrenzte Zeit überhaupt zuzulassen“, sagt der Dinkelsche­rber.

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Fotos: Wolfgang Pentz Wolfgang Pentz arbeitet zusammen im Flüchtling­scamp auf Lesbos mit einem Mitarbeite­r an der Wasserstat­ion für die afrikani‰ schen Familien.
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Ein Großraumze­lt für ledige Männer. Jeder hat hier nur etwa zwei Meter auf 60 Zentimeter Privatsphä­re.

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