Koenigsbrunner Zeitung

Italiens Regierung zerbricht

Das südeuropäi­sche Land steckt in der Falle: Um der politische­n Bedeutungs­losigkeit zu entgehen, löst Ex-Premier Matteo Renzi eine Krise an der Staatsspit­ze aus. Und das zum denkbar ungünstigs­ten Zeitpunkt

- VON JULIUS MÜLLER‰MEININGEN

Rom In Italien ist das eingetrete­n, was sich angesichts der Corona-Pandemie nur die allerwenig­sten wünschen konnten: eine handfeste Regierungs­krise, der Bruch der Koalition. Der Rücktritt des Regierungs­chefs steht im Raum, sogar Neuwahlen sind nicht mehr ausgeschlo­ssen. Am Mittwochna­chmittag kündigte Parteichef Matteo Renzi den Austritt der zwei Ministerin­nen der Partei Italia viva (Iv) aus der Regierung von Premier Giuseppe Conte an. Im Senat, der zweiten Parlaments­kammer, hat die Exekutive ohne Iv keine Mehrheit.

Alles ist nun in Italien möglich: Die Bildung einer neuen Regierung, eine Neuauflage der alten, vielleicht sind Neuwahlen unausweich­lich. Die Krise deutete sich seit einem Monat an, nun ist sie trotz aller Warnungen eingetrete­n.

Die Verhältnis­se könnten komplizier­ter nicht sein. Die CoronaPand­emie hat in Italien schon fast 80 000 Todesopfer gefordert, kein Land der EU wurde schlimmer getroffen. Die drittgrößt­e Volkswirts­chaft der Union, das hochversch­uldete und chronische Sorgenkind, muss wegen der Lockdowns einen Einbruch der Wirtschaft­sleistung um zehn Prozent hinnehmen. Die Impfkampag­ne ist zu organisier­en, die Regierung muss über die Verwendung der Milliarden aus dem EU-Hilfsfonds Next Generation entscheide­n. Die politische Krise kommt zum schlimmstm­öglichen Zeitpunkt. Wie hoch der Preis für das politische Vabanque-Spiel sein wird, ist noch gar nicht abzusehen.

Verantwort­lich für den Bruch ist ein alter Bekannter, Ex-Ministerpr­äsident Matteo Renzi. Bis nach der Parlaments­wahl 2018 war er Parteichef des sozialdemo­kratischen Partito Democratic­o (PD). In der eigenen Partei zog der 46-Jährige soviel Unmut auf sich, dass er im Herbst 2019 seine eigene Partei Italia viva (Iv) gründete.

Die Linksregie­rung aus FünfSterne-Bewegung (M5S), PD, Iv und einer weiteren linken Kleinparte­i bildete sich im Sommer 2019, um den Aufstieg zur Macht von Ex-Innenminis­ter Matteo Salvini und seiner rechten Lega zu stoppen. Ihr Ruhepunkt ist der parteilose Premier Giuseppe Conte, der Italien per Dekret durch die Pandemie führte. Conte ist bei den Italienern beliebt, Renzi hingegen ist er ein Dorn um Auge.

„Der beliebtest­e Politiker des Landes darf nicht vom unbeliebte­sten Politiker abgesägt werden“, warnte der frühere Ministerpr­äsident Massimo D’Alema und spielte auf Conte und Renzi an. Was hat Renzi an Conte auszusetze­n? Offiziell ist es dessen Politiksti­l, mangelnde Vision und fehlende Berücksich­tigung der Interessen in der Koalition. Der Hauptgrund der Krise zeigt sich aber vor allem in den Umfragen, denen zufolge die RenziParte­i derzeit mit nur rund drei Prozent der Stimmen rechnen kann. Die Partei Italia viva steht kurz vor ihrem politische­n Tod. Um nicht Italia morta zu werden, begehrt

Renzi nun auf. Der zu Beginn seiner eigenen Amtszeit ab 2014 beliebte und als Reformer gefeierte Ex-Premier will der Bedeutungs­losigkeit entkommen.

Renzis Kalkül ist gefährlich. Neuwahlen kann sich nur die Opposition wünschen, vor allem die Fünf Sterne würden erheblich dezimiert, Iv würde wohl aus dem Parlament verschwind­en. Renzi spekuliert mit seinem Kraftakt auf einen politische­n Neuanfang. Dazu zielte er mit seiner Kritik auf den von Conte im Hauruckver­fahren vorgelegte­n Plan zur Verteilung der EU-Hilfsgelde­r, die Italien in den kommenden fünf Jahren zustehen.

Zu Recht bemängelte Renzi, Contes Methoden sowie den Vorschlag der Einrichtun­g einer TaskForce

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Foto: Foto: Andrew Medichini, dpa Die Regierung des italienisc­hen Ministerpr­äsidenten Giuseppe Conte ist geplatzt – ausgerechn­et in einer Situation, in der das Co‰ rona‰Virus wütet und die Wirtschaft einbricht.

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