Koenigsbrunner Zeitung

Im goldenen Augsburg beschenken Arme die Reichen

Für die Ausstellun­g zum Jubiläum der Fugger’schen Stiftung tauchte Heidrun Lange-Krach in die sozialen Verhältnis­se um 1500 ein

- VON ALOIS KNOLLER

Das Goldene Augsburg ums Jahr 1500 war so golden nicht. Gemessen an den 5870 Einträgen im Steuerbuch der Stadt lebten die Augsburger finanziell einigermaß­en gut situiert. Doch davon zahlten 2420 Bürger als Habnits nur ihre Kopfsteuer. „Wie nahe an existenzie­ller Not lebten sie? Die Steuerbüch­er erzählen nichts über ihre Lebensumst­ände“, weiß Heidrun Lange-Krach. Sie leitet die kommende Ausstellun­g „Stiften gehen“zum 500. Jubiläum der Fugger’schen Stiftungen, die ab 28. August im Maximilian­museum gezeigt werden soll. In der Vortragsre­ihe „Stadtgesch­ichte(n)“des Jakob-Fugger-Zentrums der Universitä­t gab sie einen Werkstattb­ericht. Gut 100 Interessie­rte hörten digital am Bildschirm zu.

Tief eingearbei­tet hat sich LangeKrach in die Sozialgesc­hichte an der Zeitenwend­e vom Spätmittel­alter zur Frühen Neuzeit, um in der Ausstellun­g zu schildern, wie sich die Stifteride­e am Beispiel von Augsburg entwickelt hat. Zentral ist dabei das komplexe gesellscha­ftliche Geflecht zwischen Arm und Reich. Das Almosen wurde nicht ohne Bedingunge­n gewährt. Die Fuggerei, die sich als Hilfe zur Selbsthilf­e verstand und kostengüns­tigen Wohnraum für arbeitsfäh­ige, unverschul­det in Not geratene Bürger bot, war eine vergleichs­weise liberale Einrichtun­g. In der Antonspfrü­nde unterlagen die Bewohner einer weitaus stärkeren Disziplini­erung. Für jeden Tag des Jahres war dort sogar die Verpflegun­g festgelegt.

Von den geforderte­n Gebetsleis­tungen ganz zu schweigen. Mochte Mildtätigk­eit auch ein Herrschaft­sinstrumen­t gewesen sein, so neigte sich die Waage im Geistliche­n eher auf die Seite der Armen. „Sie waren näher zu Gott und konnten den reichen Stiftern durch ihr Gebet den Segen für deren ewiges Heil geben“, erklärte Lange-Krach. Überhaupt war die Grenze zwischen Arm und Reich nicht klar gezogen. Auch die Herkunft aus dem Patriziat schützte nicht vor Not: Ein Langenmant­el ist schlicht verhungert. Umgekehrt führte ein Augsburger Handwerker, der sich zu den Armen rechnete, überdurchs­chnittlich Steuer ab.

In ihrer Ausstellun­g möchte Lange-Krach solche Ambivalenz­en thematisie­ren. Eine gut gefüllte Zunftkasse konnte für die Meister der Ausweis eines blühenden Gewerbes sein, für den kränkelnde­n Gesellen indes soziale Absicherun­g garantiere­n. Arbeitsfäh­igkeit wurde damals völlig anders eingeschät­zt. Menschen mit Behinderun­g oder amputierte­n Gliedmaßen verdienten sich oft selbst ihren Lebensunte­rhalt, auch die Frauen waren nicht allein auf ihren Haushalt verwiesen. „Die Systeme öffentlich­er Wohlfahrt griffen erst, wenn individuel­le Hilfen nicht mehr ausreichte­n.“Aus dem Aufnahmebu­ch des Findelkind­erhauses wird Lange-Krach „berührende Zettel“präsentier­en, die Eltern mitunter bei ihren ausgesetzt­en Kindern hinterließ­en.

Mit der Reformatio­n änderte sich wesentlich die Auffassung, was privater und was kommunaler Vorsorge zukommt. Die Stadt bemächtigt­e sich der Stiftungen – so weit ihr Arm reichte. Anstelle in den Straßen zu betteln, hatten sich Mittellose im Arbeitshau­s zu betätigen. Die Zeiten waren unsicher. Im Jahr 1521, als Jakob Fugger seine großen Stiftungen errichtete, wütete die Pest in Augsburg und raffte 2968 Personen im eigenen Haus und 288 im Spital hin. Söldner schleppten die Syphilis ein. In der Fuggerei gab es zur medizinisc­hen Versorgung das Holzund das Schneidhau­s. Die beginnende kleine Eiszeit verknappte die Lebensmitt­el. Und es zogen die vier apokalypti­schen Reiter auf: Hunger, Krieg, Teuerung und Seuche.

 ?? Foto: Marcus Merk (Archiv) ?? Aus welchem Geist heraus stiftete Jakob Fugger der Reiche 1521 die Sozialsied­lung der Fuggerei? Auf Spurensuch­e begibt sich eine Ausstellun­g, die Heidrun Lange‰Krach fürs Maximilian­museum zusammenst­ellt.
Foto: Marcus Merk (Archiv) Aus welchem Geist heraus stiftete Jakob Fugger der Reiche 1521 die Sozialsied­lung der Fuggerei? Auf Spurensuch­e begibt sich eine Ausstellun­g, die Heidrun Lange‰Krach fürs Maximilian­museum zusammenst­ellt.

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