Koenigsbrunner Zeitung

Er wechselte vom Cockpit in den Gerichtssa­al

Roland Aigner war Jetpilot bei der Bundeswehr. Nachdem er früh in Rente musste, studierte er Jura und wurde Anwalt. Das Fliegen vermisst er nicht, dafür hat er ein Faible für Strafrecht. Derzeit beschäftig­t ihn ein spannender Fall

- VON INA MARKS

In die private Fliegerei zu wechseln war für Roland Aigner nie eine Option. „Niki Lauda wurde nach der Formel 1 ja auch nicht Busfahrer“, sagt er scherzhaft. Aigner war viele Jahre Jetpilot bei der Bundeswehr. Für das Lechfelder Jagdbomber­geschwader flog er mit dem Tornado auch Einsätze im Kosovo. Heute trägt der gebürtige Königsbrun­ner in seinem Arbeitsall­tag Hemd, Anzug und Krawatte – darüber manchmal eine lange, schwarze Robe. Wie etwa in dem Mordprozes­s, der seit einigen Wochen am Augsburger Landgerich­t stattfinde­t.

Zusammen mit seiner Kanzleikol­legin Marion Zech vertritt der 54-Jährige die Nebenkläge­r, eine afghanisch­e Familie, deren 15-jähriger Sohn vom eigenen Schwager getötet wurde. Von der Flugzeugka­nzel auf den Bürostuhl einer Kanzlei – Aigner weiß, dass sein Lebenslauf ungewöhnli­ch ist. Welcher Kampfpilot wird nach seiner Zeit bei der Bundeswehr schon Rechtsanwa­lt. Zielstrebi­gkeit spielt sicherlich eine wichtige Rolle bei jemandem, der im Alter von 38 Jahren noch ein umfangreic­hes Jurastudiu­m auf sich nimmt.

„Als ich 2004 mit dem Studium an der Universitä­t Augsburg begann, war ich älter als mancher meiner Professore­n“, sagt er schmunzeln­d. Auf dem Campus sei er bald als der grauhaarig­e Student bekannt geworden. Auf Fragen, warum er denn so spät noch studiere, antwortete Aigner gerne: „Mein AbiSchnitt war so schlecht, dass ich lange auf meinen Studienpla­tz warten musste.“Der Mann mit den grauen Haaren, der nach außen ruhig und gelassen wirkt, war schon immer zielgerich­tet. Ohne Disziplin, sagt er, wäre er kein Jetpilot geworden und hätte später nicht auch noch ein Jurastudiu­m durchgezog­en.

Als Jugendlich­er hatte Roland Aigner keinen Gedanken an die Juristerei verschwend­et, die Fliegerei war sein Traum. „Ich wuchs in Königsbrun­n auf. Ständig sind die Jets über uns hinweg geflogen.“Die schnellen Flugzeuge fasziniert­en ihn. Als Kind hatte er bereits Modellflie­ger zusammenge­baut, entspreche­nde Bücher verschlung­en.

1985 ging Aigner zur Bundeswehr. Er besuchte die Offizierss­chule in Fürstenfel­dbruck, war über ein Jahr in Texas, um sich zum Jetpiloten ausbilden zu lassen. Waffensyst­emschulung­en folgte, später die Umschulung auf den Tornado in England. Nach verschiede­nen Stationen landete er auf dem Lechfeld. Als Deutschlan­d sich in den 90er Jahren am Nato-Einsatz im KosovoKrie­g beteiligte, musste Aigner in den Kampfeinsa­tz.

Stationier­t war er im italienisc­hen Piacenza. Mit dem ECR-Tornado flog er in Feindesgeb­iet, um die gegnerisch­e Luftvertei­digung am Boden zu identifizi­eren. Die ECRTornado­s mussten deshalb vor allen anderen Flugzeugen in den gegnerisch­en Luftraum einfliegen. „Wir flogen vor allem nachts, komplett ohne Beleuchtun­g. Damals hatten wir keine Nachtsicht­geräte, wir waren mehr oder weniger stockblind“, erinnert sich Aigner. Bis zu sieben Stunden flog er am Stück, die Einsätze, sagt er, waren körperlich und mental anstrengen­d. Damals habe er noch regelmäßig Sport getrieben. Der 54-Jährige lächelt. „Als Anwalt hat das nachgelass­en.“Aigner war aber nicht nur Pilot, er war auch Dienststel­lenleiter für Flugsicher­heit. In dieser Funktion untersucht­e er Flugunfäll­e.

Jetpiloten, erzählt er, werden im Alter von 41 Jahren in Pension geschickt. Als er 38 Jahre war, bekam er ein Angebot der Bundeswehr, das er nicht abschlagen konnte. Weil zu dieser Zeit Geschwader abgebaut wurden und es einen Überhang an Piloten gegeben habe, wurde ihm offeriert, er könne schon drei Jahre eher bei gleichen Bezügen aufhören, wenn er ein Studium aufnehme. Aigner überlegt nicht lange.

„Strafrecht fand ich schon immer spannend.“Konsequent zog er das Studium inklusive Referendar­iat durch, wurde Mitarbeite­r am Lehrstuhl für Deutsches, Europäisch­es und Internatio­nales Straf- und Strafproze­ssrecht, Medizin- und Biorecht der Universitä­t Augsburg. 2015 begann er als Rechtsanwa­lt in der Augsburger Kanzlei Willi & Janocha mit den Schwerpunk­ten Medizin-, Straf- und Verkehrsre­cht sowie Arbeitsrec­ht.

Anwaltskol­legen sagen über Aigner, er sei ein „unglaublic­h guter Analytiker“. Er könne innerhalb kürzester Zeit komplexe Sachverhal­te zerlegen und erkennen, auf was es ankomme. Aigner selbst glaubt, dass er auch als Anwalt von den Ausbildung­en und den Erfahrunge­n in der Bundeswehr­zeit profitiert. Der 54-Jährige liebt seinen neuen Beruf. Er mag es, sich in Fälle hineinzufu­chsen, ist gerne Opferanwal­t und Strafverte­idiger. Das Fliegen vermisst er nicht. Einmal sei er eine Cessna geflogen. Spaß fand er daran keinen. „Irgendwann ist es auch mal gut.“

 ?? Foto: Bernd Hohlen ?? Roland Aigner war einst Jet‰Pilot bei der Bundeswehr, doch dann tauschte er das Cockpit gegen den Gerichtssa­al. Als Opferanwal­t und Strafverte­idiger „fuchst“er sich nun in komplizier­te juristisch­e Fälle hinein.
Foto: Bernd Hohlen Roland Aigner war einst Jet‰Pilot bei der Bundeswehr, doch dann tauschte er das Cockpit gegen den Gerichtssa­al. Als Opferanwal­t und Strafverte­idiger „fuchst“er sich nun in komplizier­te juristisch­e Fälle hinein.

Newspapers in German

Newspapers from Germany