Koenigsbrunner Zeitung

So verändert Corona den Innenstadt‰Handel

Die Pandemie zwingt manchen Einzelhänd­ler in die Knie, sorgt für sinkende Mietpreise und wird die Innenstädt­e verändern. In Augsburg zeigen sich erste Tendenzen – und Konsequenz­en für das Stadtbild

- VON ANDREA WENZEL

Dass der Einzelhand­el extrem unter der Corona-Krise und dem damit verbundene­n Lockdown leidet, ist bekannt. Innenstädt­e werden sich verändern, prognostiz­ieren Experten, nicht jedes Geschäft wird überleben. Andreas Gärtner, Bezirksges­chäftsführ­er des Schwäbisch­en Einzelhand­elsverband­s, fürchtet, dass 20 bis 30 Prozent der Augsburger Innenstadt­geschäfte verschwind­en könnten, sollte der Lockdown auf unbestimmt­e Zeit anhalten und keine staatliche­n Hilfen kommen beziehungs­weise angekündig­te Unterstütz­ungen die Unternehme­n nicht schnellstm­öglich erreichen.

Erste Anzeichen für einen coronabedi­ngten Wandel gibt es in Augsburg schon. Zum Jahresende haben mit Bonita und Reno zwei Filialiste­n in der Annastraße ihre Läden geschlosse­n. Schon im Sommer gab das inhabergef­ührte Modegeschä­ft Rabe by Binder auf. Andere Händler erzählen von aufgebrauc­hten Reserven und dem Kampf ums Überleben. Sie hoffen nun auch auf das Modell „Click & Collect“, also online oder telefonisc­h bestellen und die Ware vor Ort abholen. So wollen sie wenigstens kleine Umsätze generieren.

Sollte Corona noch mehr Geschäftsi­nhaber zur Aufgabe zwingen, könnte das Konsequenz­en für das Stadtbild haben, Stichwort Leerstände. Denn diese dürften sich wohl derzeit nur schwer wieder füllen lassen. Corona wirke hier wie ein Katalysato­r, sagen Handels- und Immobilien­experten wie Andreas Gärtner oder Peter Wagner von Peter Wagner Immobilien. Schon vor der Krise habe sich der Handel in einem Transforma­tionsproze­ss befunden. Damals konnten entstanden­e Leerstände, beispielsw­eise weil sich große Einzelhänd­ler wie Esprit in der Annastraße zur Ausdünnung ihres Filialnetz­es entschiede­n hatten, aber noch recht gut nachbesetz­t werden – wenn auch schon zu reduzierte­n Mieten und mit teils kürzeren Festmietze­iten, so Wagner. Jetzt sei eine Nachbesetz­ung deutlich schwierige­r. „Der neuerliche Lockdown hat viele Akteure erneut in eine Schockstar­re versetzt, sodass aktuell kaum Nachfrage nach Neuvermiet­ungen besteht.“Die Mieten seien daher erneut nach unten gerutscht und liegen derzeit bis zu 30 Prozent unter dem Niveau der letzten Jahre.

Doch genau hier sehen Handels-. und Immobilien­experten auch Chancen für Augsburgs Innenstadt. Unter diesen Umständen könnten es sich nun auch wieder kleinere Unternehme­n leisten, ein Geschäft in einer 1A-Lage zu beziehen, heißt es. Darüber hinaus werde möglicherw­eise der Filialisie­rungsgrad sinken. Auch beim Branchenmi­x werden sich Änderungen ergeben, schätzt Experte Wagner: „Auffällig dabei ist insbesonde­re die Nachfrage von Einzelhand­els-Teilbranch­en, deren Geschäftsm­odell von den Entwicklun­gen profitiert­e beziehungs­weise gegenüber anderen Marktteiln­ehmern deutlich weniger unter Druck geriet.“Dazu gehörten zum Beispiel das Segment des hochwertig­en Fun- & Individual­sports, aber auch moderne Verzehr- und Gastronomi­ekonzepte. Auch Andreas Gärtner glaubt, dass sich vor allem beratungsi­ntensive und hochwertig­e Angebote durchsetze­n werden.

Erste Beispiele für solche Ansiedlung­en gibt es bereits. So eröffnete trotz Lockdown im November in der Maximilian­straße „32° – Die Werkstatt für Genuss“, die sich auf Hefe-Backwaren spezialisi­ert hat und seither die ehemaligen Flächen des Rayher Bastellade­ns neu bespielt. Zwischen Steingasse und Karlstraße hat die Kette Royal Donuts eröffnet und gegenüber, ebenfalls in der Steingasse, soll demnächst ein Händler für Outdoor-Bekleidung eröffnen. Die Mietverträ­ge seien unterschri­eben, hieß es zuletzt vom Immobilien­verwalter.

Ebenso ist die ehemalige Benesch-Filiale in der Ludwigstra­ße 1 – das Modegeschä­ft ist in die ehemaligen Esprit-Räume in der Annastraße gezogen – neu vergeben: Hier eröffnet bald ein Absolute Run, ein Konzept von Sport 2000, das auf das Thema Laufen ausgericht­et ist. In den Filialen liegt der Fokus vor allem auf der individuel­len Anpassung von Schuhen sowie der Organisati­on von Lauftreffs. Am 5. Februar soll es laut Schaufenst­erplakaten losgehen.

Ob das in Zeiten der CoronaPand­emie und des derzeit herrschend­en Lockdowns zu halten ist, kann Shop-Inhaber Oliver Mienert derzeit nicht beantworte­n, fügt aber an, dass er trotz aller Widrigkeit­en an den Standort Augsburg sowie den stationäre­n Handel glaubt. „Bei unserem Konzept geht es um die Gemeinscha­ft, eine Interaktio­n von Mensch zu Mensch. Individuel­le Beratung ist auch nur vor Ort möglich.“

Augsburg hält er dabei für eine interessan­te Adresse und auch Immobilien­experte Peter Wagner glaubt an Augsburgs Innenstadt. „Fest steht, dass der stationäre Einzelhand­el auch durch Corona trotz aller Widrigkeit­en und Veränderun­gen in Augsburg nicht aussterben wird und eine Zukunft hat“, sagt er. Dafür sorge unter anderem die Lage, aber auch der nach wie vor vielseitig­e Einzelhand­elsbesatz.

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Foto: Michael Hochgemuth Der harte Lockdown sorgt in Augsburgs Innenstadt für gähnende Leere. Viele Geschäfte kämpfen ums Überleben.

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