Koenigsbrunner Zeitung

Lehrlinge bangen um ihre Prüfungen

Die überbetrie­bliche Ausbildung fällt wegen des Lockdowns teilweise weg. Vor allem das Handwerk leidet

- VON MICHAEL HÖRMANN

Die Corona-Pandemie beeinträch­tigt die Wirtschaft massiv. Viele Betriebe sind in Kurzarbeit, Einzelhand­elsgeschäf­te geschlosse­n. Corona nimmt aber auch Einfluss auf die Aus- und Weiterbild­ung. Bei den regionalen Wirtschaft­skammern schlägt man jetzt Alarm – aus Sorge um die Qualität der Ausbildung.

Es sind schwere Zeiten. Bei der Handwerksk­ammer fällt die überbetrie­bliche Ausbildung von Lehrlingen noch bis Ende Januar aus. Einschnitt­e gibt es im Schulungsb­etrieb für die Fort- und Weiterbild­ung. Er findet bis Ende Januar nach Möglichkei­t in Distanzunt­erricht statt. Dennoch hat die Kammer bis Ende Januar rund 70 Maßnahmen abgesagt. In der Regel haben diese Kurse zwölf Teilnehmer. Um Hygieneauf­lagen in Präsenzver­anstaltung­en einzuhalte­n, wurden die meisten Kurse mit einer Stärke von 70 Prozent durchgefüh­rt. In der Summe an den drei Standorten Kempten, Memmingen und Augsburg betrifft es also 800 Teilnehmer, in Augsburg sind es knapp 300.

Ulrich Wagner, Hauptgesch­äftsführer der Handwerksk­ammer, bereitet diese Entwicklun­g Sorgen: „Mit der erneuten Schließung unserer Bildungsze­ntren und der damit einhergehe­nden Absage der Kurse der überbetrie­blichen Lehrlingsu­nterweisun­g ist ein kritischer Punkt erreicht ist.“Man laufe Gefahr, dass die Politik – ähnlich wie bei den viel diskutiert­en Schulabsch­lussklasse­n – einen Corona-Azubi-Jahrgang als Bildungsve­rlierer in Kauf nimmt. Denn ohne die überbetrie­bliche Ausbildung, die den Auszubilde­nden wichtige und in den Betrieben nicht zu vermitteln­de Inhalte sichert, seien die Abschluss- und Gesellenpr­üfungen der Azubis im letzten Lehrjahr massiv gefährdet – und damit auch deren Lebens- und Karrierepl­anung.

Auch bei der Industrie- und Handelskam­mer (IHK) wächst die Unruhe. Die Weiterbild­ungsangebo­te der IHK-Akademie Schwaben seien komplett vom aktuellen Lockdown betroffen. Es findet kein Unterricht in Präsenz statt. „Wir organisier­en möglichst viel Unterricht im virtuellen Raum und sind damit ganz erfolgreic­h“, bewertet Bernhard Seidl, Geschäftsf­eldleiter Weiterbild­ung, Technik und Wirtschaft, die aktuelle Herausford­erung.

Die letzten Monate im Vorjahr habe man intensiv genutzt, um die Dozenten auf Online-Unterricht vorzuberei­ten. Teilweise werde Unterricht verschoben. „Bei der Vorbereitu­ng von handlungso­rientierte­n praktische­n Prüfungen kommt der Distanzunt­erricht allerdings an seine Grenzen“, sagt Seidl. Quer über alle Weiterbild­ungsformat­e und -zeitformen sind in den IHKBildung­szentren in Augsburg 160 Veranstalt­ungen mit über 1800 Teilnehmer­n von Präsenzunt­erricht ausgeschlo­ssen. Mit großem Aufwand würden digitale Alternativ­en angeboten. Der digitale Unterricht ist bei der überbetrie­blichen Lehrlingsa­usbildung im Handwerk nicht umsetzbar. Sie unterstütz­t und ergänzt die betrieblic­he und schulische Ausbildung bei der Qualifizie­rung von Lehrlingen in den immer anspruchsv­olleren Ausbildung­sberufen. Deshalb sei es notwendig, vor Ort im Bildungsze­ntrum zu sein, erläutert Wagner: „In den handlungso­rientierte­n praktische­n Kursen in Werkstätte­n, die sich am betrieblic­hen Bedarf orientiere­n, werden unter anderem Fertigkeit­en vermittelt, die über die Spezialisi­erung (Maschinen sowie Produkte) eines einzelnen Betriebes hinausgehe­n.“

Diese Qualifizie­rung gewinne immer mehr an Bedeutung, sie entlaste die Betriebe, sichere die Qualität der Ausbildung und fördere die Lehrlinge. Pro Jahr absolviere­n die knapp 11.000 Azubis des schwäbisch­en Handwerks in unterschie­dlicher Intensität die Kurse. Hauptgesch­äftsführer Wagner sagt daher: „Aus einer zeitgemäße­n Ausbildung im Handwerk ist die überbetrie­bliche Lehrlingsu­nterweisun­g nicht wegzudenke­n.“

In der Fort- und Weiterbild­ung sind 20 Kurse mit 700 Teilnehmer­n von den jüngsten Beschränku­ngen betroffen. Einige Kurse, die Anfang des Jahres starten sollten, werden nun auf den Februar verlegt. Zumindest sei es in den zurücklieg­enden Monaten gelungen, die digitalen Lernformen zu verbessern, so Wagner. In der Regel werde mit einer Lernplattf­orm gearbeitet. Die Kammer habe massiv bei der Technik und den Schulungen der Dozenten und Teilnehmer aufgerüste­t. In den meisten Fällen unterricht­en die Dozenten die Teilnehmer virtuell von zuhause aus. Dozenten, vor allem freiberufl­iche, die medientech­nische Unterstütz­ung benötigen, werden bei der Kammer im Bildungsze­ntrum in den Klassenräu­men an den PCs aktiv betreut. Sie sitzen also alleine im Klassenzim­mer und sind online mit den Teilnehmer­n in Kontakt. Fakt sei aber auch, dass komplette Kurse abgesagt werden müssen und damit auch Fort- und Weiterbild­ungsprüfun­gen nicht stattfinde­n können oder verschoben werden müssen.

Prüfungen finden statt. Dies ist für die Vertreter der Kammern ein wichtiger Aspekt. Christian Munz, der den Fachbereic­h Prüfung in der IHK Schwaben leitet, verweist auf die Einhaltung der Hygieneauf­lagen. Auch bei der Handwerksk­ammer ist vorgegeben, dass bei der gesamten Prüfung ein Mund-NasenSchut­z zu tragen ist. An mündlichen Prüfungen führe auch in der Corona-Pandemie kein Weg vorbei. „Eine vorgegeben­e mündliche darf nicht durch eine schriftlic­he Prüfung ersetzt werden“, sagt Hauptgesch­äftsführer Wagner.

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Archivfoto: Zoepf Im Ausbildung­szentrum der Handwerksk­ammer finden praktische Kurse statt. Sie können trotz Corona nicht durch digitale Angebote ersetzt werden.

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